# taz.de -- Emissionszertifikate immer noch gültig: Kohleausstieg hat sich in … | |
> Die Kraftwerksabschaltungen aus dem Jahr 2021 waren fürs Klima nutzlos. | |
> Denn der Bund schaffte es nicht, die CO2-Emissionsrechte vom Markt zu | |
> nehmen. | |
Bild: So lange die Kohle verstromt wird, fressen sich auch die Bagger durch die… | |
Freiburg taz | Die Stilllegung von deutschen Kohlekraftwerken im Jahr 2021 | |
war für den internationalen Klimaschutz offenbar wirkungslos: Die | |
Europäische Kommission hat es abgelehnt, die betreffenden | |
Emissionszertifikate zu löschen, weil das formale Vorgehen der | |
Bundesregierung nicht der Rechtsauffassung der EU entspricht. | |
Hintergrund ist die Funktionsweise des europäischen Emissionshandels. Die | |
Emissionen sind in der EU durch eine limitiert ausgegebene Anzahl von | |
Emissionszertifikaten gedeckelt. Schaltet ein Land Kohlekraftwerke ab, | |
zieht aber nicht parallel die entsprechende Menge an Emissionszertifikaten | |
aus dem Verkehr, können Unternehmen und Kraftwerke in anderen EU-Ländern | |
diese nutzen und umso mehr CO2 ausstoßen. | |
Dieser Fauxpas wurde jetzt durch eine Anfrage von mehreren FDP-Abgeordneten | |
publik, die diese noch vor der jüngsten Bundestagswahl gestellt hatten. In | |
der Antwort muss die Bundesregierung einräumen, dass die EU-Kommission die | |
eingereichte „Löschungsnotifizierung nicht akzeptiert“ habe; die EU erkenne | |
„die nach deutschem Recht vorgesehene Berechnungsmethode“ nicht an. Die | |
Ablehnung ist nach Einschätzung von Hauke Hermann, Experte für Klimapolitik | |
beim Öko-Institut, endgültig: „Da kann man nichts mehr machen.“ | |
Kernpunkt: Die Bundesregierung setzte eine sogenannte Ex-post-Betrachtung | |
der vermiedenen Emissionen an, die EU-Kommission hingegen fordert für eine | |
Löschung eine Ex-ante-Betrachtung. Deutschland wollte also die erzielte | |
CO2-Minderung erst im Nachgang kalkulieren, die EU besteht auf einer | |
Vorabberechnung. Diese andere Rechtsauffassung habe die EU-Kommission „erst | |
im Zusammenhang mit den vorbereitenden Gesprächen zur Notifizierung 2021“ | |
dargelegt, erklärt nun die Bundesregierung. Daher habe Deutschland „die | |
Notifizierung nicht wie beabsichtigt umsetzen“ können. Die entsprechenden | |
Emissionszertifikate verbleiben also im System. | |
## Experten sprachlos | |
Das betrifft im Moment offenbar all jene Kraftwerke, die 2021 vom Netz | |
gingen. Dabei geht es um Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 7.200 | |
Megawatt, die auf Basis des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes (KVBG) | |
abgeschaltet wurden. Dafür bekamen die Betreiber aus dem Bundeshaushalt 650 | |
Millionen Euro Stilllegungsentschädigung. Die auf diese Weise in | |
Deutschland vermiedenen CO2-Emissionen schätzt das Wirtschaftsministerium | |
auf gut 5 Millionen Tonnen pro Jahr. | |
Im Jahr 2022 griff das Kohleverfeuerungsverbot für weitere 2.480 Megawatt. | |
Dafür wurden insgesamt Steinkohlezuschläge in Höhe von 219 Millionen Euro | |
vergeben. In den Jahren 2023 und 2024 wurden dann abermals 532 | |
beziehungsweise 1.015 Megawatt an Erzeugungsleistung aus dem Markt | |
genommen, was in der Summe weitere rund 100 Millionen Euro an | |
Entschädigungen aus dem Staatshaushalt erforderte. Bis Ende Mai muss die | |
Bundesregierung bei der EU-Kommission nun für ihre Kraftwerksstilllegungen | |
des Jahres 2022 die Löschung der betreffenden CO2-Zertifikate beantragen. | |
Für das Wirtschaftsministerium ist die nicht erfolgte Löschung der | |
Zertifikate ein peinliches Missgeschick. Eine Anfrage dort, ob die | |
Rechtsunsicherheiten wenigstens ausgeräumt seien und damit nun immerhin die | |
Zertifikate für die Abschaltungen ab 2022 rechtssicher gelöscht werden | |
können, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. | |
Der Vorfall zeigt zugleich, wie komplex das System inzwischen geworden ist | |
– was auch daran erkennbar wird, dass sich selbst Umweltverbände, die den | |
Emissionshandel immer intensiv politisch begleitet haben, nicht dazu in der | |
Lage sehen, die Situation zu bewerten. Die Deutsche Umwelthilfe teilte | |
auf Anfrage mit, bei ihr sei zu den aktuellen Vorkommnissen niemand | |
„ausreichend sprechfähig“. Ähnlich ist die Auskunft bei der Organisation | |
Germanwatch. | |
27 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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