| # taz.de -- Zufriedenheits-Kommission in Dänemark: Weniger swipen, mehr Stockb… | |
| > Laut einer Studie steigt die Zahl unglücklicher Jugendlicher. Der Rat: | |
| > weniger Handykonsum und mehr Frustrationstoleranz. Die Regierung hat | |
| > einen Plan. | |
| Bild: Dänemarks Jugend ist sehr früh digitale Wege auch im Unterricht gegange… | |
| Wie schlimm steht es um die Jugend? Macht Social Media sie krank? Das fragt | |
| man sich nicht nur in [1][Dänemark], aber dort hat jetzt eine Gruppe von | |
| Fachleuten untersucht, was der messbare Abwärtstrend in | |
| Zufriedenheitsumfragen unter Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen | |
| bedeutet. | |
| Die sogenannte [2][Zufriedenheits]-Kommission nennt ihren Abschlussbericht | |
| „Dänische Antworten auf westliche Herausforderungen“ – sind sie auch für | |
| Deutschland gültig? | |
| Die Erkenntnisse und Feststellungen überraschen nicht besonders – aber die | |
| Art der Zusammenstellung macht daraus eine Art Schnellkurs in | |
| [3][geglückter Lebensführung]. Was führt zu einem zufriedenen Leben? | |
| Jedenfalls nicht, die eigenen Kinder vor allen Problemen bewahren zu | |
| wollen. Ja, der Bericht nimmt sich heraus, Eltern Erziehungstipps weit über | |
| die Bildschirmzeitdiskussion zu geben. | |
| Nicht nur die Eltern, die ganze Gesellschaft wird auf den Pott gesetzt. | |
| Nach dem Motto: Wir fassen hier noch einmal grundlegendes Menschheitswissen | |
| für euch zusammen, falls ihr es in der Hektik des Alltags vergessen haben | |
| solltet. | |
| Schulen, Freizeitorte, Kommunen, Politik: Alle zusammen müssten die | |
| Gesellschaft für Kinder besser erträglich machen. Aber auch, zentraler und | |
| vielleicht heikelster Punkt des Berichts: Kinder müssten befähigt werden, | |
| mehr zu ertragen. Mehr Realität wagen, sozusagen. | |
| Die Kontrolle über den Digitalkonsum zurückzuerlangen, ist tatsächlich | |
| nicht der erste Bereich, den sich die Zufriedenheits-Kommission vornimmt. | |
| Sie fängt viel grundsätzlicher an – bei der Sprache. Mit einer Definition, | |
| die klarstellen soll, worum es geht, und die zur Grundlage für künftige | |
| Diskussionen und politische Entscheidungen empfohlen wird. | |
| ## Nicht ohne Hindernisse, Traurigkeit und Frust | |
| Was meint die interdisziplinäre Expertengruppe, die von der dänischen | |
| Regierung mit dieser Standaufnahme und Lösungssuche beauftragt wurde, wenn | |
| sie von Zufriedenheit spricht? Was brauchen Menschen, damit es ihnen gut | |
| geht? | |
| „Es geht einem gut, wenn man im Großen und Ganzen froh ist über sein | |
| Leben“, schreibt die Kommission. „Es geht einem gut, wenn man sich | |
| entfalten kann, seine Talente entwickeln kann sowie Gemeinschaften eingehen | |
| und zu ihnen beitragen kann. Es kann einem auch gut gehen, wenn man | |
| phasenweise Widerstände und Herausforderungen erlebt. Entscheidend ist, | |
| dass man mit solchen Phasen umgehen kann.“ | |
| Das Leben kommt nicht ohne Hindernisse, Traurigkeit und Frust aus: Diese | |
| banale Aussage wird zum wichtigen Argument. Die Fachleute haben eine | |
| Tendenz beobachtet, dass Kinder allgemeine menschliche Zustände nur noch | |
| mit einem Vokabular aus der psychiatrischen Diagnostik beschreiben könnten. | |
| Statt „Eile“ hätten sie inzwischen nur noch „Stress“, statt schlecht d… | |
| zu sein, sprechen sie – auch ohne Diagnose – von depressiven Episoden, | |
| Aufregung vor einem Ereignis wird sprachlich zur Angst. Die Kommission | |
| fordert einen achtsameren Umgang mit Sprache, damit junge Menschen nicht | |
| jedes unangenehme Gefühl als etwas Pathologisches benennen können. | |
| Ein Anstieg von psychiatrischen Diagnosen unter Jugendlichen wird in | |
| Dänemark heftig diskutiert – Organisationen wie GirlTalk, die psychisch | |
| strauchelnde Mädchen unterstützt, äußerte Befürchtungen, die Kommission | |
| nehme mit ihrem – vorab angekündigten – Fokus auf Formulierungen | |
| tatsächlich vorhandene Probleme nicht ernst. Der Eindruck entsteht im | |
| Bericht allerdings nicht. Er erinnert lediglich, wenn auch mit Nachdruck, | |
| daran, dass Sprache die Wahrnehmung der Wirklichkeit beeinflusst – das kann | |
| sich jede Gesellschaft vergegenwärtigen. | |
| Aber jetzt zum greifbaren Problemfall soziale Medien: Auch in Dänemark gibt | |
| es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Anstieg des jugendlichen | |
| Unwohlseins und der Verbreitung von Smartphones und Social Media seit 2010, | |
| wie die Kommission feststellt. „Digitale Kolonialisierung von Kinderleben“, | |
| so nennt sie das, was die vergangenen 15 Jahre passierte. | |
| ## Wie kommen sie ohne Smartphone durch den Tag? | |
| Dänemark ist wie die anderen nordischen Länder früh und begeistert digitale | |
| Wege auch im Unterricht gegangen – zu früh und zu begeistert, wie der | |
| sozialdemokratische Kinder- und Unterrichtsminister Mattias Tesfaye 2023 | |
| gegenüber der Zeitung Politiken einräumte. | |
| Sechsjährigen Kindern wurden Tablets mit unbeschränktem Internetzugang | |
| gegeben. Nun forderte der Minister Schulen auf, wieder mehr Bücher, | |
| Bastelsachen und Musikinstrumente anzuschaffen. Man schulde dieser | |
| Generation, die man zu „digitalen Versuchskaninchen“ gemacht habe, eine | |
| riesige Entschuldigung, sagte er. | |
| Jetzt geht die dänische Regierung einen weiteren Schritt. Sie will dafür | |
| sorgen, dass Grundschulen per Gesetz Smartphone-freie Zonen werden – eine | |
| weitere Forderung der Zufriedenheits-Kommission. Grundschule, das heißt in | |
| Dänemark: bis zur neunten Klasse. | |
| Teenager werden wieder zu Versuchskaninchen – wie kommen sie ohne | |
| Smartphone durch den Tag? Was wird das mit ihnen machen? Vielleicht, so die | |
| Hoffnung, wieder mehr im Hier und Jetzt sein, mehr echte Menschen im Blick | |
| statt AI-Prinzessinnen. | |
| Das wäre schon viel, aber das war’s noch lange nicht an | |
| Verbesserungsvorschlägen. Auch das hohe Tempo, in dem der Alltag inzwischen | |
| gelebt wird, gehört laut Untersuchung zu den gesellschaftlichen Tendenzen | |
| mit Einfluss auf das Wohlbefinden der Jüngsten. Außerdem zählt das Paradox | |
| dazu, dass individuelle Freiheit als belastend empfunden werden kann – zu | |
| viel Auswahl an Lebenswegen, zu viel Angst, falsch zu entscheiden, zu viele | |
| neue Idealvorstellungen, die über Social Media hereingespült werden. | |
| Bei allen Schwierigkeiten: Diese Fachleute sehen keine gesellschaftliche | |
| Großkrise, wie sie manche befürchtet hatten. Aber sie tun die Probleme auch | |
| nicht ab. Sie sehen sie als unvermeidlicher Teil der Gesellschaften: Die | |
| muss sich auf neue Situationen einstellen. Laut der dänischen Antworten ist | |
| das machbar. Man möchte ihnen gerne glauben. | |
| 28 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anne Diekhoff | |
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