| # taz.de -- Glückliche Momente in der Waldorfschule: Und trotzdem müssen wir … | |
| > Unsere Kolumnistin hat an ihre Zeit in der Waldorfschule auch viele | |
| > schöne Erinnerungen. Aber das sollte uns nicht abhalten, Kritik am System | |
| > zu üben. | |
| Bild: Man muss selbst nicht gelitten haben, um als Erwachsene*r strukturelle Pr… | |
| „Tut mir leid, dass du so schlechte Erfahrungen gemacht hast. Ich kenne | |
| aber viele, denen es sehr gut geht, in der Waldorfschule.“ So in etwa | |
| lautet eine immer wiederkehrende Reaktion auf meine meist strukturelle | |
| [1][Kritik an der Waldorfpädagogik]. | |
| Und sie frustriert mich: Erstens wiegen die guten Erfahrungen der einen das | |
| Leid der anderen nicht auf. Zweitens kann man durchaus Denk- und | |
| Handlungsweisen kritisieren, von denen man individuell profitiert. Und | |
| drittens war meine Schulerfahrung gar nicht besonders schlecht, sondern | |
| erstaunlich idealtypisch. Ich habe sie auch mehr als 30 Jahre verteidigt | |
| und sie zumeist in eher idyllischen Farbnuancen erinnert. | |
| Wieso fand ich also meine Schulzeit bis vor wenigen Jahren gut und | |
| kritisiere nun „meine“ Schulform öffentlich? Ich weiß inzwischen mehr und | |
| ich schaue genauer hin! | |
| Meine Kindheit und Jugend fand im Waldorfkontext statt. Ich kannte es gar | |
| nicht anders. Und ich habe in all den Jahren auch viel Schönes erlebt. Aber | |
| war es wegen Waldorf? [2][Oder trotz Waldorf?] Ich hatte tolle | |
| Freundschaften und Erlebnisse. Ich mochte viele meiner Lehrkräfte von | |
| Herzen. Im Vergleich zu anderen habe ich wohl eher besonders gute | |
| Erfahrungen gemacht und oft Glück gehabt. | |
| ## Schlechte Erfahrungen ideologisch gewollt | |
| Mein Erleben von Beschämung, elendiglicher Langeweile, Anpassungsdruck, | |
| Mobbing, lähmender Ohnmacht, Grenzüberschreitungen und der fehlende Raum | |
| für Individualität war strukturell begünstigt und wie ich heute weiß, teils | |
| sogar ideologisch gewollt. Gleichzeitig war es so normalisiert, dass es in | |
| meinen Erinnerungen wenig Platz einnahm. | |
| Wenn ich mich innerlich in meiner Schulgemeinschaft umschaue oder an die | |
| Berichte anderer Ehemaliger denke, bin ich eben nicht die, die es besonders | |
| schwer hatte. Ich war anpassungsfähig, blond, klug, körperlich fit und | |
| handwerklich geschickt. Ich wurde zu einem überangepassten | |
| Waldorf-Sonnenscheinkind, das [3][in diesem recht totalitären System] gut | |
| zurechtkam. Ich habe Anerkennung innerhalb der Gemeinschaft bekommen und | |
| hatte am Ende ein Abitur in der Tasche. | |
| Bei mir lief das allermeiste genauso wie es gedacht war – was nicht heißt, | |
| dass es gesund für mich gewesen wäre. Was ich als negativ empfand, habe ich | |
| damals auf individuelles Versagen geschoben, während ich das Gute der | |
| Waldorfpädagogik zugerechnet habe. | |
| Man muss selbst nicht überdurchschnittlich gelitten haben, um als | |
| Erwachsene*r strukturelle Probleme zu erkennen und zu benennen. | |
| ## Kritik nicht gewohnt | |
| Auch nach über drei Jahren, in denen ich öffentlich kritisiere, bleibt es | |
| jedoch mühsam, meine eigene Stimme zu finden. Waldorfkinder sind es meist | |
| nicht gewohnt, selbst kritisch über Waldorfschulen zu reden, während es | |
| gesamtgesellschaftlich völlig normal ist, mit den Regelschulen hart ins | |
| Gericht zu gehen. Sowohl während der Schulzeit, als auch danach. | |
| Früher habe ich meine Schule reflexartig verteidigt. Ich kannte die | |
| Argumente und Formulierungen, weil ich sie so oft gehört hatte. Heute ringe | |
| ich um passende Worten – im Austausch mit anderen Betroffenen, in der | |
| Fachliteratur, in meiner Liebe zu Menschen von damals, in meiner ganzen | |
| Verwirrung, Wut, Angst, Trauer und Enttäuschung. | |
| Es ist ein stetiges Pendeln zwischen meinem Kindheitserleben und | |
| retrospektiver Analyse. Und sehr, sehr viel Recherche! | |
| 25 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Frau Lea | |
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