| # taz.de -- „Der Operndirektor“ in Mannheim: Keine Lust zur Provokation | |
| > Kritik am eigenen Tun ist am Theater gerade in. Aber Domenico Cimarosas | |
| > Satire „Der Operndirektor“ am Nationaltheater Mannheim zündet nicht. | |
| Bild: Die Sänger:innen spielen ihre Rollen mit sichtlicher Überzeichnung und … | |
| Hach Gott, wenn’s doch im Musiktheater nur immer so fein und schön wäre: | |
| Barocke Kleider, keine „überkandidelte“ Bühne und, ja, Melodie wie zu | |
| Mozarts Epoche. Und siehe da, so etwas gibt es wieder! Gerade zu sehen am | |
| Nationaltheater Mannheim, das mit Domenico Cimarosas „Der Operndirektor“ | |
| noch einmal an jene guten, alten Zeiten anknüpft. | |
| Sobald sich der staubige Vorhang zur Ouvertüre öffnet, blicken wir hinter | |
| die Kulissen des Theaterbetriebs. Wir werden Sopranistinnen gewahr, die | |
| sich weder mit der Zweitbesetzung noch dem falschen Outfit zufriedengeben. | |
| Oder treffen auf den längst vor der Pleite stehenden, titelgebenden | |
| Intendanten, der sich selbst mit reichlich Selbstverblendung für den | |
| weltbesten Regisseur hält. Es ist ein Zirkus der Eitelkeiten und Allüren, | |
| hochgejazzt mit etwas Slapstick und Wortwitz. Dazu gibt’s eingängige Arien, | |
| heiter und unaufgeregt. | |
| Wäre diese Aufführung, die von Annika Nitsch wie für das Museum in Szene | |
| gesetzt wurde, nur eine bewährte italienische Oper, würde man sie einfach | |
| als langweilig abtun. Oder als miefige Nostalgiereise mit dem Ziel: back | |
| to the roots. Ärgerlich wird es aber, wenn man bedenkt, dass ihr 1749 im | |
| Königreich Neapel geborener Komponist sie durchaus als Betriebssatire | |
| angelegt hat, der in der jetzigen Wiederentdeckung sämtliche Zähne gezogen | |
| wurden. Zwar spielen die Sänger:innen ihre Rollen mit sichtlicher | |
| Überzeichnung, treiben Koloraturen auf die Spitze und lassen bei keiner | |
| ihrer Gesten, erst recht den unzähligen aufgesetzten Wangenküssen, die | |
| notwendige Affektiertheit vermissen. Gleichwohl mangelt es sowohl an | |
| pointierten Bildern als auch an jedweder Lust zur Provokation. | |
| Allein die Kulisse zeugt von maximaler Einfallslosigkeit: Links sehen wir | |
| das Bild eines Bücherregals, rechts eine Garderobe. Neben einem Cembalo | |
| eine Minibühne mit Strandstuhl und Palmen unter der beleuchteten Aufschrift | |
| „Andromache“. Denn genau um dieses Stück (im Stück) soll es gehen. Mit | |
| einer neuen Diva (Estelle Kruger) hofft der Operndirektor Don Crisobolo | |
| (Bartosz Urbanowicz) auf den dringend benötigten großen Erfolg, ruft jedoch | |
| in seinem festen Ensemble nur Unmut und Neid hervor. Erwartungsgemäß fährt | |
| der Theatermacher die eigene Show derartig gegen die Wand, bis ihm seine | |
| Angestellten – zumindest vorläufig – den Rücken kehren. | |
| ## Kritische Selbstreflexion hat schon besser geklappt | |
| Was hätte man nicht alles aus diesem zum Theaterfilm auf Videokassette | |
| verkommenen Stoff herausholen können? Zumal sarkastische wie gleichsam | |
| kritische Selbstreflexionen der Bühnen aktuell hoch im Kurs stehen. Mit | |
| einer doppelbödigen Uraufführung von [1][Ivana Sokolas und Jona Spreters | |
| Stück „Der Grund. Eine Verschwindung“] hat sich das Nationaltheater neulich | |
| noch der Frage gestellt, was passiert, wenn sich das Schauspiel allzu sehr | |
| von der Wirklichkeit entfremdet. | |
| Ähnlich klug und herrlich absurd beleuchtete in der vergangenen Saison auch | |
| Nis-Momme Stockmanns „Das Portal“, inszeniert von Herbert Fritsch am | |
| Schauspiel Stuttgart, den grenzenlosen Narzissmus der Theaterbranche. Alles | |
| sehr raffiniert und gewagt, zudem äußerst dringlich, nachdem das Theater | |
| der letzten Jahre, mal zu woke, mal selbstzirkulär vermehrt in | |
| Rechtsfertigungsnot geraten war. | |
| Immerhin eine nette Botschaft hält „Der Operndirektor“ am Ende noch bereit, | |
| als sich das zuvor von seinem Intendanten abgewandte Ensemble erneut | |
| zusammenrauft und erkennt: Theater gründet auf Teamarbeit: „Denn nur in | |
| Einigkeit kann schöne Kunst gedeihen“ – ja, zu diesem Ruf mag man nicken, | |
| wie ohnehin zu manch anderem an dieser gefälligen Aufführung, die auf | |
| jegliche Ecken und Kanten verzichtet. | |
| 10 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Theater-ueber-Gesellschaft-ohne-Zukunft/!6036893 | |
| ## AUTOREN | |
| Björn Hayer | |
| ## TAGS | |
| Mannheim | |
| Theater | |
| Satire | |
| Theater | |
| Theater | |
| Theater | |
| Theater | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Schillertage am Nationaltheater Mannheim: Kein Raum den Jägern! | |
| Vom westlichen Sexismus bis zum indischen Kastensystem: Die Schillertage am | |
| Nationaltheater Mannheim setzen ein deutliches Zeichen gegen Repression. | |
| Theaterstück „Druck!“ in Mannheim: Was ist oben weiß und unten schwarz? | |
| Geteilte Erfahrungen: Das Nationaltheater Mannheim macht die aktuell | |
| schwierige Lage von Menschen mit migrantischen Hintergründen zum Thema. | |
| Theaterstück über Felix Hartlaub: Im Epizentrum der Nazis | |
| Das Nationaltheater und die Kunsthalle Mannheim bringen das kurze Leben des | |
| Kriegstagebuchschreibers Felix Hartlaub auf die Bühne. | |
| Theater über Gesellschaft ohne Zukunft: Aufgang der Vergessenen | |
| Das Nationaltheater Mannheim bringt mit „Der Grund. Eine Verschwindung“ | |
| eine vielschichtige, klug durchkomponierte Parabel auf die Bühne. |