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# taz.de -- Vortrag von Francesca Albanese in Berlin: Streng bewachte Rede
> Trotz Absagen trat UN-Berichterstatterin Francesca Albanese zweimal in
> Berlin auf. Die Veranstaltungen wurden von einem massiven Polizeiaufgebot
> begleitet.
Bild: Verlegt, aber nicht verhindert: Eyal Weizmann, Francesca Albanese und Rob…
Berlin taz | Francesca Albanese hat Humor. „Die UN-Sonderberichterstatter
sollen Augen und Ohren der Vereinten Nationen sein“, sagt sie und scherzt:
„Dann kam diese Süditalienerin und sorgte dafür, dass sie auch ihr Mund
ist.“ Denn Albanese sieht ihre Rolle nicht nur darin, Berichte zu
schreiben. Sondern auch darin, auf die Situation der Menschen in den
besetzten palästinensischen Gebieten aufmerksam zu machen. Dafür ist sie
nach Deutschland gekommen.
„Deutschland ist das einzige Land, in dem Francesca Albanese nicht an einer
Universität sprechen kann“, sagt der Philosoph Robin Celikates, [1][der sie
an die Freie Universität (FU) eingeladen hatte]. Doch die
„Nicht-mehr-so-freie Universität“, wie Albanese sie nun nannte, sagte die
Veranstaltung ab, die deshalb am Mittwoch ersatzweise im ehemaligen
Umspannwerk in Kreuzberg stattfand und im Netz gestreamt wurde.
## Polizeieinsatz wegen Übertragung an der FU Berlin
Die Studierendenvertretung der FU sorgte dafür, dass die Übertragung auch
in einem Studi-Café und einem Hörsaal verfolgt werden konnte. Als die
Uni-Leitung davon Wind bekam, stürmte die Polizei den Hörsaal. Nach
Verhandlungen mit den Beamten durften die Studierenden die Übertragung aber
bis zum Schluss verfolgen.
Auch die Diskussion im Umspannwerk wurde von der Polizei begleitet, fünf
Beamte verfolgten die Debatte im Saal. Albanese und Eyal Weizman, der
Gründer der Rechercheagentur Forensic Architecture, erklärten dort vor rund
200 Zuhörern, warum sie Israels Vorgehen im Gazastreifen als Völkermord
einstufen. Beide sprachen über dessen Vorgeschichte und andere Völkermorde.
„Genozid ist ein Prozess, kein Akt“, sagte Weizman.
Und sie sprachen über die Verantwortung Deutschlands, einen drohenden
Völkermord zu verhindern – einen Auftrag, den der Internationale
Gerichtshof bereits mit seiner Anordnung vorläufiger Maßnahmen im Januar
2024 erteilt habe, so Albanese.
## „Mafia-Methoden der Einschüchterung“
Ein Ende der israelischen Besatzung und der „Apartheid“ wäre eine Befreiung
– nicht nur für Palästinenser, sondern auch für Israelis, betonte Albanese.
Denn die seit 57 Jahren andauernde, völkerrechtswidrige Besatzung und
Unterdrückung der Palästinenser habe zu einer Brutalisierung der
israelischen Gesellschaft geführt. Nichts, was sie sage, sei gegen Israel
gerichtet. „Niemand soll auf seine Rechte verzichten. Ich stelle nur
Privilegien infrage, die Israelis auf Kosten der Palästinenser genießen.“
Sie sei es gewohnt, dass israelische Botschafter sie attackierten, äußerte
sich Albanese auch zu der Kritik an ihr. „Schockiert“ zeigte sie sich aber
darüber, dass Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) eine
Absage ihres Vortrags gefordert hatte und dass die FU unter diesem Druck
eingeknickt sei.
Die Uni hatte ihre Absage mit „der aktuellen Polarisierung und der nicht
kalkulierbaren Sicherheitslage“ begründet. Albanese sprach von
„Mafia-Methoden der Einschüchterung und Bedrohung“ und sagte, so etwas habe
sie noch nie erlebt. Universitäten sollten Orte sein, an denen man sich
auch darauf einigen könne, sich nicht einig zu sein, appellierte sie an die
jungen Studierenden. „Was hier passiert, ist extrem.“
## Veranstaltungsort beschmiert
Am Abend zuvor war Albanese auf einer siebenstündigen Konferenz in den
Räumen der Zeitung Junge Welt zu Gast gewesen. Auch diese Veranstaltung
[2][war kurzfristig verlegt worden]. Die ursprünglichen Vermieter, das
Kühlhaus nahe dem Park am Gleisdreieck, hatten ihre Zusage am
Dienstagmorgen zurückgezogen: Man sehe sich aufgrund der „angedrohten
Eskalation“ nicht in der Lage, die Sicherheit aller Besucher zu
gewährleisten, erklärten sie. Ihr Veranstaltungsort war zuvor mit Parolen
beschmiert worden, die Albanese und das Palästinenserhilfswerk der
Vereinten Nationen diffamierten.
Auch die Veranstaltung bei der Jungen Welt wurde von einem massiven
Polizeiaufgebot begleitet. Polizisten waren mit einem Übersetzer auch im
Saal, um mögliche strafbare Aussagen zu unterbinden. Sie lauschten der
Filmemacherin Pary el Qalqili, die [3][Fälle von Polizeigewalt gegen
propalästinensische Proteste] auflistete. Und sie lauschten einem
Streichkonzert des Geigers Michael Barenboim, der mit einem Quartett die
Pausen füllte. Das hatte etwas von einem Theaterstück. Offen blieb nur, ob
es sich um Brecht oder Beckett handelte.
## Kritik von Parteichefinnen
Politiker von Linkspartei und BSW kritisierten den Umgang mit der
UN-Sonderberichterstatterin scharf, darunter die Parteicheffinen. Die
Co-Parteichefin der Linken, Ines Schwerdtner, nannte die Absagen von
Veranstaltungen mit Albanese „zutiefst verstörend“. „Es muss möglich se…
offen über Menschenrechtsverletzungen im Gazastreifen zu sprechen –
einschließlich des Vorwurfs eines Genozids, der gerade vom IGH geprüft
wird“, schrieb sie am Mittwoch auf X.
Sahra Wagenknecht vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) sprach von einem
„Angriff auf die Grundfreiheiten unseres Grundgesetzes“. Legitime Kritik an
der in Teilen rechtsextremen Regierung Netanyahu dürfe nicht kriminalisiert
werden. Vor der FU Berlin hatte schon die Ludwig-Maximilians-Universität in
München einen Vortrag von Albanese abgesagt.
19 Feb 2025
## LINKS
[1] /Nach-Kritik-Vortrag-zu-Gaza-Genozid-an-der-FU-Berlin-abgesagt/!6069186
[2] /UN-Sonderberichterstatterin-in-Berlin/!6070652
[3] /Polizeigewalt-auf-Palaestina-Demos/!6029454
## AUTOREN
Daniel Bax
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Polizei Berlin
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