# taz.de -- Nach Merz' Tabubruch im Bundestag: Wie kann man die CDU retten? | |
> Die Demos gegen CDU-Chef Merz laufen unter dem Motto „Aufstand der | |
> Anständigen“. Das ist unanständig, weil es eine unnötige Polarisierung | |
> vorantreibt. | |
Bild: Wenn es nach Michel Friedmann geht, so ist die CDU nicht so schlimm wie M… | |
Wenn Vereine, Eltern, Hausgemeinschaften oder auch Redaktionen Sitzungen | |
haben, dann weiß man nie, auf welches Thema sich die Leute stürzen werden. | |
Aber man weiß genau, dass die großen Fragen der Elefant im Raum sind, der | |
verlässlich ignoriert wird. So scheint es mir auch vor dieser | |
Bundestagswahl zu sein, da die zentralen Zukunftsfragen ausgeklammert | |
werden: politische und ökonomische Investitionen in Europa und damit | |
zusammenhängend in eine postfossil funktionierende Wirtschaft, | |
Verteidigungsfähigkeit, Digitalinfrastruktur und die desaströsen | |
Kollateralschäden der alternden Gesellschaft. | |
Auch Medien und Mediengesellschaft lassen sich liebend gern ablenken und | |
fördern so – die einen absichtlich, die anderen arglos – die wachsende | |
Bereitschaft zur Zerfleischung. | |
Nun will ich nicht sagen, dass die Lage nicht scheiße wäre. Es ist gut, | |
dass am vergangenen Wochenende [1][Hunderttausende für die | |
liberal-emanzipatorischen Errungenschaften und den Rechtsstaat | |
demonstrierten]. Es ist indes falsch, wenn das unter dem Label „Aufstand | |
der Anständigen“ läuft. | |
Es sind die anderen, die einen Aufstand machen, und zwar gegen das, was die | |
Demos verteidigen wollen. Und sich selbst „die Anständigen“ zu nennen, das | |
halte ich für unanständig. Es zielt auf maximale moralische Deklassierung | |
anderer und zahlt damit auf die Ziele der Populisten ein, [2][mit Erzeugung | |
von Wut eine Polarisierung voranzutreiben]. Man braucht sich nicht mit | |
Habermas auskennen, um zu wissen, dass wir in einer gemeinsamen Welt leben | |
müssen. | |
## Es braucht die CDU | |
Wir können und wollen ja eben Andersdenkende nicht deportieren. Also gibt | |
es vier Möglichkeiten: Wir überzeugen die anderen mit unseren Argumenten | |
oder sie überzeugen uns (beides unwahrscheinlich), wir leben verfeindet, | |
aber nicht im Krieg nebeneinander her, wir schlagen uns die Schädel ein, | |
oder wir finden doch immer wieder Mehrheiten für Kompromisse auf Basis der | |
gemeinsamen Gesellschaft. | |
Ich halte die vierte Möglichkeit für erstrebenswert, aber dazu braucht es | |
die CDU. Ohne eine starke und gemäßigte Mitte-Rechts-Partei keine | |
gesellschaftliche Mehrheit für die liberale Demokratie. Nun werden Leute | |
rufen, dass an der Union im Moment gar nichts gemäßigt ist. Sagen wir so: | |
Offenbar hat Donald Trump auf unterschiedliche Arten Einfluss, und eine | |
davon ist die Sehnsucht, auf zivilisierende Institutionen und | |
gesellschaftliche Kompromisse zu scheißen und einfach autoritär sein Zeug | |
durchzuziehen. | |
Es ist inzwischen klar, dass Friedrich Merz [3][mit seinem | |
Zustrombegrenzungszeugs] den starken Max geben wollte, aber damit zum | |
Schoßhund der AfD wurde. Noch unklar ist, ob er dadurch dauerhaft an | |
Zustimmung verliert und am Ende jemand anders aus der Union Kanzler wird. | |
Das hängt wohl vom Wahlergebnis ab und wie dann die Gewichte sind in dem | |
fundamentalen Identitätsstreit der orientierungslosen Partei, der sich in | |
Grünen-Hass und AfD-Anrobben ausdrückt. | |
Dieser Identitätsstreit wiederum ist Folge und Teil des Hegemonie-Streits | |
in der Gesellschaft, der – verkürzt gesagt – darin besteht, dass das, was | |
den einen an gesellschaftspolitischem Fortschritt immer noch zu wenig ist, | |
einer wachsenden Gruppe mittlerweile zu viel ist. | |
Letzteres kann man nicht einfach ignorieren oder mit absoluter Moral bannen | |
wollen, wie das etwa die Grüne Jugend notorisch versucht. Wer selbst keine | |
absolute Mehrheit hat, der darf auch nicht durchwalzen wollen wie Merz, | |
sondern muss anderstickenden demokratischen Parteien parlamentarische | |
Kompromissvorschläge machen, so wie Robert Habeck das praktiziert. | |
Das ist keine Schwäche, das ist die Tugend, die es jetzt braucht. | |
Zuvorderst in der CDU. | |
7 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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