# taz.de -- Cannabisgesetz: Kiffen für die Wissenschaft | |
> Die Forschungsprojekte zu Cannabis zu Genusszwecken sind durchgeplant. | |
> Diverse Kommunen wollen Verkaufsstellen einrichten. Aber was passiert | |
> nach der Bundestagswahl? | |
Bild: Im Vordergrund steht Gesundheitsschutz und Safer Use – frei von Schadst… | |
Berlin taz | Nicht nur von Gegnern, auch von Befürwortern der | |
Entkriminalisierung von Cannabis hatte die Ampelregierung Kritik einstecken | |
müssen. Viel zu bürokratisch seien die Regelungen des | |
Konsumcannabisgesetzes (KCanG). Trotzdem war es ein Meilenstein: Cannabis | |
ist kein Betäubungsmittel mehr. Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl | |
stellt sich nun die Frage: Könnte eine CDU-geführte Bundesregierung die | |
Teilliberalisierung wieder zurückdrehen? | |
Bei den Anbauvereinigungen der Cannabis-Social-Clubs (CSC), die bereits | |
losgelegt haben, dürfte das nicht so einfach sein. Was aber ist mit den | |
Forschungsprojekten, die den probeweisen Verkauf von Konsumcannabis in | |
Fachgeschäften wissenschaftlich begleiten sollen? | |
Diverse Kommunen, Hochschulen und Unternehmen stehen in den Startlöchern. | |
Mehr noch: Die Anträge zur Durchführung der Forschungsvorhaben liegen dem | |
zuständigen Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) vor und | |
warten auf Bewilligung. Auf taz-Nachfrage ließ das BLE allerdings wissen, | |
dass man vor der Wahl in der Sache kaum noch tätig werde. Die zuständige | |
Abteilung befinde sich noch im Aufbau. | |
„Jeder Euro, der in der Hasenheide nicht in Marihuana umgesetzt wird, ist | |
ein Erfolg.“ So hatte Neuköllns Gesundheitsstadtrat Hannes Rehfeldt (CDU) | |
im vergangenen Dezember die Beteiligung seines Bezirks an dem Modellversuch | |
begründet. | |
## Lizenzierte Fachgeschäfte | |
[1][Zusammen mit Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow will Neukölln | |
lizenzierte Fachgeschäfte eröffnen]. Die wissenschaftliche Leitung der | |
Pilotstudie übernimmt das Fachgebiet Urbane Ökophysiologie der Pflanzen an | |
der Humboldt-Universität. Das Verkaufsstellenkonzept hat die Sanity Group | |
entwickelt. | |
Das Start-up mit Hauptsitz in Berlin rechnet sich zu den Top Five der | |
Cannabis-Unternehmen in Deutschland. Auch in Frankfurt und Hannover | |
begleitet die Sanity gleichlautende geplante Cannabisforschungsprojekte, | |
angelegt auf jeweils fünf Jahre. „Alle Anträge sind eingereicht,“ | |
bestätigte Sanity-Sprecherin Jennifer Plankenbühler. Man hoffe auf baldige | |
Rückmeldung der BLE, um im ersten Halbjahr 2025 loslegen zu können. | |
Bisher habe sich Sanity auf die Belieferung von Apotheken mit medizinischem | |
Cannabis konzentriert. Die Nachfrage ist seit dem 1. April 2024, als die | |
Gesetzesänderung in Kraft trat, deutlich gestiegen. Ärzte müssen kein | |
Betäubungsmittelrezept mehr ausstellen, wenn sie Cannabis als Therapeutikum | |
verordnen. Ein normales Rezept reicht. Andere Unternehmen wie die | |
sächsische Firma Demecan bestätigen, dass der Markt für medizinisches | |
Cannabis in Deutschland stark gewachsen ist. | |
Der Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken werde strikt getrennt von | |
Apotheken erfolgen, sagt Plankenbühler. Zwei bis drei Fachgeschäfte pro | |
beteiligten Bezirk seien geplant. Sanity miete die Immobilien an, stelle | |
das Fachpersonal und sei für die Produktbeschaffung zuständig. | |
## Acht bis zwölf Euro pro Gramm | |
Das Konsumcannabis werde der Qualität des medizinischen Cannabis | |
entsprechen. [2][Pflanzen und Extrakte] beziehe Sanity unter anderem aus | |
Kanada, Portugal und Südafrika. Der Verkaufspreis werde sich am | |
Schwarzmarktpreis orientieren, acht bis zwölf Euro pro Gramm seien im | |
Normalfall angestrebt. | |
„Wir wollen die Schwarzmarktmarge nicht massiv unterbieten, um keinen | |
Anreiz zu Mehrkonsum schaffen“, sagte Plankenbühler. „Wir wollen eine | |
sicherere, weniger gesundheitsschädliche Alternative sein“. Im Vordergrund | |
stehe Gesundheitsschutz und Safer Use – frei von Schadstoffen. | |
Teilnehmen können an dem Modellversuch nur Menschen, die in den beteiligten | |
Bezirken gemeldet sind. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Circa 2.000 | |
Teilnehmer seien für die Studie erforderlich um belastbare Daten erheben zu | |
können, mehr Interessenten seien willkommen. Man müsse aber aktiv mitwirken | |
an dem Forschungsprojekt. | |
Fragebögen über das eigene Konsumverhalten etwa seien regelmäßig | |
auszufüllen. Es werde eine maximale Verkaufsmenge pro Kopf und Monat geben, | |
die sich an den Vorgaben des Konsumcannabis-Gesetzes orientiere. | |
Was heißt das nun alles im Fall eines Regierungswechsels? Finn Hänsel, | |
Gründer und Geschäftsführer der Sanity Group, sagt, er blicke interessiert | |
auf die Bundestagswahl. Derzeit werde von [3][CDU/CSU ein starker | |
Anti-Cannabis-Kurs] gefahren, so Hänsel, aber alle Ampel-Parteien hätten | |
sich in ihrem jeweiligen Wahlprogramm pro Cannabis positioniert. „Daher | |
werden es spannende Koalitionsverhandlungen.“ Er verspreche sich von den | |
Pilotprojekten wertvolle Daten, die einer neuen Debatte in den nächsten | |
Jahren Argumente liefern könnten, je nach Ausgang der Pilotprojekte. | |
Der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Rehfeldt sieht das ähnlich. Er erhoffe | |
sich von der Studie Daten, die sonst kaum zu bekommen seien. „Wir raten | |
jedem ab, zu konsumieren. Aber wenn er das tut, soll er das möglichst | |
ungefährlich tun.“ Sprich, in lizenzierten Fachgeschäften einkaufen und | |
nicht auf „das gepanschte Zeug von der Straße“ angewiesen sein. | |
Und es gibt noch einen Grund, warum Rehfeldt der Erprobung von | |
Cannabisfachgeschäften Positives abgewinnen kann: mehr Mittel für die | |
Prävention. Keinen einzigen Euro mehr hätten die Kommunen bekommen, obwohl | |
ihnen das von der Ampel-Regierung bei der Cannabis-Entkriminalisierung | |
versprochen worden sei. Die Sanity Group habe eine Einnahmebeteiligung | |
zugesagt, fünf Prozent des Verkaufspreises aller verkauften | |
Cannabisprodukte gingen an die beteiligten Bezirke. „Diese Mittel werden in | |
die dringend nötige Suchtprävention fließen“. | |
Dass eine Unions-geführte Bundesregierung die Forschungsprojekte kippt, | |
glaubt Rehfeldt nicht. Er gehöre zu den Leuten, die das KCanG für | |
inhaltlich und formal schlecht gemacht halten, aber es zurückzudrehen, | |
würde dauern, ist der Stadtrat überzeugt. „Gesetz ist Gesetz“. | |
27 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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