# taz.de -- Cannabis-Clubs in Hamburg: Der Weg zur Grow-Anlage ist weit | |
> Ein Baustein des Cannabisgesetzes sind Anbauvereinigungen. In Hamburg | |
> haben erst zwei die nötigen Genehmigungen bekommen. Wieso tut man sich so | |
> schwer? | |
Bild: Eine Frage der Geduld: Noch dürfen nur wenige Social Clubs solche Hanfs�… | |
Christian Krüger und Christopher Schultz bezeichnen sich als Genießer, wenn | |
es um Cannabis geht. Bis zur [1][Teil-Legalisierung] hatten die beiden | |
Hamburger wenig mit der Branche zu tun, aber seit einigen Monaten sind sie | |
nun Vorstands- und Gründungsmitglieder des „Hansa Cannabis Club“. Krüger | |
macht als Vater von zwei kleinen Kindern zwar gerade eine Konsumpause von | |
Gras und Alkohol, aber Schultz zündet sich beim Zoom-Interview einen Joint | |
an. Was die beiden vor allem brauchen, ist Geduld. | |
Konsum, Besitz und [2][Eigenanbau] sind seit Inkrafttreten des | |
[3][Cannabisgesetzes (kurz CanG)] im April in Grenzen straffrei. Seit Juli | |
gibt es ein gemeinschaftliches Erwerbsmodell für Cannabis. In | |
Anbauvereinigungen darf nach behördlicher Prüfung angebaut und an | |
Mitglieder ausgehändigt werden – es darf kein Gewinn gemacht werden. | |
Krüger und Schulz haben ihre Anbauvereinigung gegründet, weil sie Freunden | |
und Familie die Möglichkeit geben wollten, hochwertiges Cannabis legal zu | |
erwerben. „Wir wissen, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung haben, | |
Cannabis aus der Schmuddelecke zu holen“, betont Schultz. | |
Gemeinsam mit den bisher rund 250 Mitgliedern wollen sie bald in einer | |
eigens dafür umgebauten „Grow Anlage“ in Schleswig-Holstein verschiedene | |
Sorten der Pflanze anbauen. Wer beim [4][Hansa Cannabis Club] einsteigt, | |
soll irgendwann Gras kaufen können, lernen, wie man effizient anbaut, und | |
sich auf Events vernetzen. Interessent*innen sollen möglichst in | |
Hamburg wohnen und müssen mindestens 21 Jahre alt sein. 500 Mitglieder | |
wollen sie mal versorgen können. | |
## Heute zahlen, später vielleicht ernten | |
„Wir bevorzugen Leute, die wirklich auch mit anpacken wollen“, sagt Krüger. | |
Die Mitglieder zahlen schon jetzt einen Monatsbeitrag von 20 Euro, dabei | |
hat der Club noch gar keine Genehmigung zum Anbau. Wann der Club sein | |
erstes eigens angebautes Cannabis ausgeben kann, ist auch Monate nach der | |
Gründung noch unklar. „Es war sehr viel komplexer als gedacht, besonders | |
durch die vielen Auflagen“, erzählt Schultz. Man habe sich erst | |
zurechtfinden müssen und es sei nicht einfach gewesen, eine Anbau-Location | |
und seriöse Geschäftspartner für das Equipment zu finden. | |
„Es gibt einen Haufen Schaumschläger in der Branche, die einem irgendetwas | |
verkaufen wollen, da muss man schon arg aufpassen, dass man nicht an die | |
falschen Leute gerät“, sagt Krüger. Und dann ist da noch der | |
Genehmigungsantrag, der gerade vom für ganz Hamburg zuständigen Bezirksamt | |
Altona mit vielen Änderungsanforderungen zurückgeschickt wurde. | |
So richtig glücklich waren Politik und Verwaltung in Hamburg nicht mit der | |
Teil-Legalisierung. Als das Gesetz im April in Kraft trat hagelte es | |
umgehend Kritik. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) beispielsweise | |
nannte das Gesetz „auf ganzer Linie unausgereift“, der Konsum steigere sich | |
bei gleichbleibendem [5][Schwarzmarkt]. | |
Besorgt zeigte sich auch die Hamburger Schulsenatorin Ksenija Bekeris, | |
ebenfalls SPD. „Es besteht die Gefahr, dass die Legalisierung bei jungen | |
Menschen ein falsches Signal der Harmlosigkeit setzt“, sagte sie. Dies | |
müsse der Senat verhindern. | |
Die Hamburger Staatsanwaltschaft vermeldete „einen hohen zusätzlichen | |
Arbeitsanfall“. Eine Vielzahl von [6][Verfahren hätten geprüft und andere | |
Aufgaben zurückgestellt werden müssen], um die Umsetzung zu gewährleisten. | |
Es dauerte seine Zeit, bis alle Zuständigkeiten beispielsweise für die | |
Genehmigungsverfahren der Anbauvereinigungen abschließend geklärt wurden. | |
Seit feststeht, dass das Bezirksamt Altona die Genehmigungsanträge der | |
Anbauvereinigung betreuen und auch die Kontrollen durchführen soll, | |
bearbeiten zwei verantwortliche Beamt*innen die Anträge innerhalb von | |
bis zu drei Monaten. Zwei Anbauvereinigungen haben bisher die Erlaubnis | |
bekommen, die erste war der [7][„High End Social Club“]. Elf weitere | |
Anträge liegen vor und warten auf Genehmigung. | |
Auch der des Hansa Cannabis Clubs. „Wir sind zuversichtlich, zeitnah eine | |
weitere Erlaubnis zu erteilen“, heißt es auf taz-Nachfrage aus dem | |
Bezirksamt. Man stehe im stetigen und konstruktiven Austausch mit allen | |
antragstellenden Akteur*innen. Auch habe es schon Austauschformate mit | |
Vertreter*innen der Hamburger Cannabisbranche gegeben. | |
Einer dieser Vertreter ist Andreas Gerhold. Er setzt sich seit 2015 als | |
Sprecher des „Cannabis Social Club Hamburg“ für die Legalisierung ein und | |
wirkt mit seinem Club inzwischen auch als Interessenvertretung einiger | |
Hamburger Anbauvereinigungen. Er kritisiert, dass Anbauvereinigungen, auch | |
„Social Clubs“ genannt, nicht aktivistisch aktiv sein dürfen und dass | |
gemeinsames Konsumieren dort nicht erlaubt ist. | |
„Wir bieten weiterhin das ‚social‘, das der Gesetzgeber den | |
Anbauvereinigungen verbietet und bleiben politische Vertretung“, sagt | |
Gerhold. Auch die Hürden für die Anbauvereinigungen empfindet Gerhold als | |
zu hoch. Beispielsweise die Auslegung des Werbeverbots, das im | |
Cannabisgesetz vorgeschrieben ist. | |
## Werbeverbot macht es komplizierter | |
Der Hansa Cannabis Club von Krüger und Schultz musste wegen des | |
Werbeverbots seine Social-Media-Kanäle und die Bilder auf der Website | |
ändern, das Logo mit Hanfblatt ist nun verschwunden. Auch den angesetzten | |
Durchschnittspreis von acht Euro pro Gramm Cannabis musste man dem | |
Bezirksamt noch einmal genau erklären. „Wir als Club versuchen vor allem zu | |
kalkulieren, bei welchem Preis wir kein hohes finanzielles Risiko eingehen | |
und am Ende nach Betriebsmitteln, Gehältern für unsere Minijobber, Strom | |
und Wasser bei null rauszukommen“, erklärt Krüger. | |
Die mit bisher 13 Anträgen für eine Großstadt wie Hamburg überschaubare | |
Anzahl lässt sich auch mit finanziellen Risiken und hohen bürokratischen | |
Hürden erklären. Viele aus der Branche haben kein Interesse an der Gründung | |
einer Anbauvereinigung. Auch Jay Haze nicht. | |
## Alles rund um Cannabis, mit Ausnahme der Droge | |
Haze ist Inhaber eines [8][CBD]-Shops im Hamburger Karolinenviertel, einem | |
kleinen Quartier in St. Pauli, unweit des Millerntorstadions, die | |
Reeperbahn ist auch nicht weit weg. In seinem Laden verkauft er alles rund | |
um Cannabis, mit Ausnahme der Droge selbst. Es gibt Vapes, alle möglichen | |
Konsum-Gimmicks sowie Produkte und Blüten mit dem Cannabidiol CBD. Das ist | |
ein aus der weiblichen Hanf-Pflanze Cannabis sativa gewonnener Wirkstoff, | |
dem zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben werden – und das alles | |
ohne den berauschenden Wirkstoff THC. Inzwischen verkauft Haze auch | |
Cannabissamen für den Eigenanbau. | |
Er sieht das derzeitige Konzept der Anbauvereinigungen zum Scheitern | |
verurteilt. „Im ersten Jahr werden 50 Prozent der Clubs aufgeben“, glaubt | |
er. Vielen fehle die erforderliche Fachkenntnis. „Man braucht jahrelange | |
Expertise über den Markt, die Konsumenten und den Anbau, um das erfolgreich | |
in so großem Stil umzusetzen.“ | |
Seiner Einschätzung zufolge ist die Mitgliedschaft in Anbauvereinigungen | |
wegen des hohen finanziellen und zeitlichen Aufwands, der großen | |
monatlichen Abnahmemenge (meist sind das mindestens zehn Gramm) und der | |
Mindestmitgliedschaftsdauer von drei Monaten ohnehin nur etwas für | |
„Dauerkiffer“. Diese machten ihm zufolge aber nur ungefähr zehn Prozent | |
aller Konsument*innen aus und hätten zudem hohe Ansprüche an die | |
Qualität und Sortenvielfalt, „Feinschmecker“ eben, sagt Haze. | |
„Du müsstest theoretisch von Tag eins an ein Top-Produkt haben, sonst sind | |
die Mitglieder nach drei Monaten weg und du bleibst auf Ernte und Schulden | |
sitzen“, sagt Haze. Für viele bleibe der Dealer des Vertrauens oder der | |
Eigenanbau wohl die attraktivere Option. | |
## Hoffen auf die zweite Säule | |
Haze hofft auf die von der Ampel geplante [9][zweite Säule des | |
Cannabisgesetzes: der legale Erwerb in Fachgeschäften]. „Wir brauchen | |
einfach Fachgeschäfte“, ist Haze überzeugt. Für ihn ist der vom Staat | |
kontrollierte Verkauf mit Abstand die effizienteste Methode, den | |
Cannabiskonsum zu steuern, er bereitet sich schon jetzt auf diesen Schritt | |
vor, auch wenn in den Sternen steht, ob und wann der kommerzielle | |
Cannabishandel in die Tat umgesetzt wird. | |
Nach dem [10][Aus der Ampel in Berlin] bleibt sowieso abzuwarten, was | |
passiert. Die Unionsparteien, die bei Umfragen zu einer vorgezogenen | |
Bundestagswahl derzeit vorn liegen, stehen der [11][Legalisierung | |
jedenfalls skeptisch gegenüber]. Und bisher sind lediglich | |
[12][Pilotprojekte, etwa in Hannover], angekündigt, die den Verkauf in | |
Fachgeschäften testen wollen. | |
Beim Tagesgeschäft in seinem Laden stellt Jay Haze seit der | |
Teil-Legalisierung von Cannabis ein deutlich gestiegenes Interesse an | |
seinen Produkten fest. „Wir verkaufen nichts anderes, wir verkaufen einfach | |
nur deutlich mehr. Unser Umsatz hat sich verdreifacht“, sagt er. Inzwischen | |
kämen auch immer mehr Kunden aus verschiedenen Milieus, also „die Hausfrau | |
oder Omi und Opi“. | |
## Stadtbild kaum verändert | |
Akzeptanz und eine entspanntere Einstellung zum Cannabiskonsum seien | |
definitiv zu spüren, so seine Beobachtung. Er müsse allerdings regelmäßig | |
ausländische Kunden enttäuschen, dass es bei ihm kein Gras zu kaufen gibt. | |
„Wenn Deutschland klug wäre, würde man das gezielt steuern, sonst stärkt | |
das nur wieder den Schwarzmarkt“, sagt Haze. | |
Im Hamburger Stadtbild hat sich nicht viel durch die Legalisierung | |
verändert. „Der klassische Kiffer provoziert nicht. Der läuft jetzt auch | |
nicht in der Innenstadt mit einer dicken Tüte rum, um zu sagen, ich habe | |
jetzt mein Recht“, meint Haze. | |
Die Polizei Hamburg zieht eine ähnliche Bilanz. „Seit der Einführung des | |
Cannabisgesetzes hat sich weder das Straßenbild auffällig verändert, noch | |
haben sich neue Schwerpunkte ergeben“, so ein Sprecher. „Es wurde | |
festgestellt, dass Konsumenten von Cannabis weniger konspiratives Verhalten | |
zeigten, um ihren Konsum zu verbergen. Auch im Zusammenhang mit dem Kinder- | |
und Jugendschutz ist bislang keine Veränderung feststellbar.“ | |
## Erste Ernte zum Jahrestag | |
Zahlen der Hamburger Bußgeldstelle bekräftigen diesen Eindruck ebenfalls. | |
Seit Anfang Juli sind insgesamt nur 61 Anzeigen eingegangen und | |
Verwarnungs- bzw. Bußgelder in Höhe von 2.704 Euro eingenommen worden. | |
Krüger und Schultz vom Hansa Cannabis Club sehen auch nicht, dass Hamburg | |
sich in den vergangenen Monaten zu einer Kifferstadt entwickelt hat. Die | |
beiden Gründer hoffen, bis Ende November endlich ihre Genehmigung zu | |
bekommen und mit den ersten Vorbereitungen in der Anlage beginnen zu | |
können. Der Weg zum ersten „Grow“ und der ersten Ernte ist aber noch lang. | |
Sie planen mit einer ersten Ausgabe im März 2025, fast pünktlich zum ersten | |
Geburtstag des Cannabisgesetzes. | |
Wir haben geschrieben, dass in Hamburg bis Mitte Oktober eine | |
Anbauvereinigung eine Genehmigung erhalten hat, es sind mittlerweile zwei. | |
Wir haben die Passage entsprechend angepasst. | |
Dieser Text ist an der Uni Hamburg im Seminar „Digitale und investigative | |
Recherche“ von Volker Lilienthal entstanden, einem Kooperationsprojekt mit | |
der taz nord | |
24 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Cannabis-Legalisierung/!5997434 | |
[2] /Die-Hanfernte-steht-an/!6039591 | |
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/kcang/BJNR06D0B0024.html | |
[4] https://www.hansa-cannabis.de/home | |
[5] /Teillegalisierung-von-Cannabis/!6039598 | |
[6] /Justiz-prueft-Cannabis-Strafen/!6031418 | |
[7] /Hamburg-genehmigt-ersten-Cannabis-Klub/!6043206 | |
[8] /EU-erwaegt-CBD-Verbot/!5727052 | |
[9] /Erste-Cannabis-Shops-in-Deutschland/!6046206 | |
[10] /Bilanz-der-Ampel-Regierung/!6045272 | |
[11] /Bundestag-debattiert-ueber-Cannabisgesetz/!6049457 | |
[12] /Erste-Cannabis-Shops-in-Deutschland/!6046206 | |
## AUTOREN | |
Alix Bielefeld | |
Behnaz Emami | |
## TAGS | |
Cannabis | |
Legalisierung Marihuana | |
Hamburg | |
Drogen | |
Kiffen | |
Cannabis | |
Cannabis | |
Cannabis | |
Cannabis | |
Legalisierung Marihuana | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Cannabisgesetz: Kiffen für die Wissenschaft | |
Die Forschungsprojekte zu Cannabis zu Genusszwecken sind durchgeplant. | |
Diverse Kommunen wollen Verkaufsstellen einrichten. Aber was passiert nach | |
der Bundestagswahl? | |
Hanf Museum wird 30: Party im Herz der Legalisierung | |
Seit 1994 kämpft das Hanf Museum in Berlin-Mitte gegen die Verdammung des | |
Hanf. Doch die Legalisierung steht schon wieder unter Beschuss. | |
Bundestag debattiert über Cannabisgesetz: Symbolstreit ums Kiffen | |
Die Union hinterfragt das Cannabisgesetz, um als Opposition Kante zu | |
zeigen. Die letzte Novembersitzung des Bundestags – eine Keilerei ums | |
Kiffen. | |
Erste Cannabis-Shops in Deutschland: Kiffen für die Wissenschaft | |
Hannover und Frankfurt am Main wagen den Verkauf von Cannabis in speziellen | |
Shops. Wer kauft, muss sich von Wissenschaftler*innen befragen lassen. | |
Wirkung von Cannabis: Was die Forschung sagt | |
Kiffen ist legal, zumindest teilweise. Ob das gut ist oder nicht, darüber | |
lässt sich streiten – am besten mit den wissenschaftlichen Fakten. |