# taz.de -- Unterkunft für LGBTQI*-Geflüchtete: Gerne queer – bloß nicht h… | |
> In Hamburg sollte eine Unterkunft für queere geflüchtete Menschen | |
> entstehen. Die Nachbarn verhinderten das aus Angst, ebenfalls bedroht zu | |
> werden. | |
Bild: Freuen sich, hierzulande Schutz zu finden: Queere Geflüchtete danken bei… | |
Hamburg taz | Im Hamburg-Winterhude haben Anwohnende die Pläne für eine | |
Geflüchtetenunterkunft für queere Menschen gestoppt. Sie äußerten Sorge vor | |
möglichen Anfeindungen – und waren damit erfolgreich. Die Sozialbehörde hat | |
ihren Bauantrag zurückgezogen. | |
Das repräsentative Gebäude in der Sierichstraße 53 im wohlhabenden | |
Stadtteil steht schon seit längerer Zeit leer. Ehemals waren dort angehende | |
Polizeibeamte untergebracht. Seit mehr als einem Jahr plante die Hamburger | |
Sozialbehörde, die Immobilie in eine Schutzeinrichtung für queere, | |
geflüchtete Menschen umzuwandeln. | |
Sie wollte Platz schaffen für 38 besonders schutzbedürftige Personen – mit | |
Einzel- und Doppelzimmern und Betreuenden vor Ort. Eigentümer des Hauses | |
ist das [1][städtische Sozialunternehmen Fördern und Wohnen (F&W)]. | |
Schon im Herbst 2024 sollte die Unterkunft ursprünglich eröffnet werden. | |
Doch daraus wurde nichts. Die Nachbarn schalteten Anwälte ein. Insgesamt 22 | |
Einwände brachten sie gegen das Projekt vor. | |
## Anwohnende müssen beteiligt werden | |
Dabei stützten sie sich auf den Bebauungsplan Winterhude 21, der den | |
Standort als Teil eines reinen Wohngebiets ausweist. Dort sind | |
öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie Flüchtlingsunterkünfte nur mit | |
einer Befreiung erlaubt. Die Nachbarschaft muss in so einem Fall beteiligt | |
werden. Die Sozialbehörde hielt das anfänglich nicht von ihren Plänen ab. | |
Im Juli 2023 unterrichteten sie die Bezirksversammlung von ihrem Vorhaben. | |
F&W reichte einen entsprechenden Bauantrag ein. | |
Für das Widerstreben der Anwohnenden spielten nach Auskunft der | |
Sozialbehörde Sicherheitsbedenken eine zentrale Rolle. „Die Anwohner hatten | |
Sorge, dass es [2][vor der Unterkunft zu Protesten und Angriffen kommen | |
könnte]“, sagt deren Pressesprecher Wolfgang Arnhold. Das sei auch darauf | |
zurückzuführen, dass der genaue Standort der Schutzunterkunft bereits im | |
Vorhinein bekannt gegeben wurde. „Wir müssen die Bedenken der Anwohner | |
ernst nehmen“, sagt Arnhold. | |
Im Dezember 2024 zog die Sozialbehörde ihren Bauantrag schließlich zurück. | |
Den Ausschlag gab Arnhold zufolge eine Einschätzung des Bezirksamtes Nord: | |
Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass die Anwohnenden in einem Rechtsstreit | |
erfolgreich wären. Aufgrund der Einwendungen lehnte das Bezirksamt die | |
Unterkunft daher ab. Angesichts dieser Einschätzung verzichtete die | |
Sozialbehörde auf ihr Vorhaben. „Wir wollen kein aussichtsloses | |
Verwaltungsverfahren“, erklärte Arnhold. | |
Carola Ensslen, queerpolitische Sprecherin der Linken in Hamburg, hält die | |
Gründe der Anwohnenden für vorgeschoben: „Solche Anfeindungen können ja | |
überall passieren“, sagt sie. Ihrer Ansicht nach verbirgt sich hinter | |
scheinbar fürsorglichen Argumenten eine ausländerfeindliche Haltung. | |
„Es kommt mir so vor, als wollten sie [3][queere Geflüchtete] schlicht | |
nicht“, sagt sie. Außerdem sei der Standort ideal: Das | |
Magnus-Hirschfeld-Centrum, ein Beratungs- und Begegnungszentrum für | |
LGBTQI*-Personen sei nicht weit und die Lage urban, was eine gute | |
Integration zulasse. | |
Die Entscheidung der Sozialbehörde kann Ensslen daher nicht nachvollziehen. | |
Zumal es bereits viel ehrenamtliche Unterstützung für das Projekt gab. | |
Außerdem warf sie der Behörde vor, von Anfang an einen Fehler begangen zu | |
haben, indem sie den genauen Standort der geplanten Unterkunft öffentlich | |
bekannt gegeben hat. Auch die Sozialbehörde kam zu dem Schluss, dass eine | |
öffentliche Diskussion über einen Schutzstandort nicht sinnvoll sei. | |
Die queeren Geflüchteten werden nun wie bisher dezentral auf | |
unterschiedliche Unterkünfte aufgeteilt. Han Kahrizi von der | |
Koordinationsstelle Flucht- und Migrationsarbeit des | |
Magnus-Hirschfeld-Centrums glaubt, dass eine dezentrale Unterbringung nicht | |
funktioniert: „Queere Geflüchtete erleben in diesen Unterkünften oft | |
körperliche Gewalt oder Beleidigungen von anderen Geflüchteten und dem | |
Personal.“ | |
Dass der Standort der Unterkunft öffentlich gemacht wurde, fand er zwar | |
irritierend – das sei aber kein ausreichender Grund dafür, den Ort nicht | |
mehr als sicher wahrzunehmen. Dabei fehle Hamburg ein solcher Ort. „Die | |
Unterkunft war eine Hoffnung für viele Geflüchtete“, sagt Han Kahrizi. | |
Statt queere Geflüchtete sollen in der Sierichstraße nun Frauen mit | |
Schutzbedarf einziehen. Geplant sind acht Sozialwohnungen für | |
[4][schutzbedürftige Frauen] wie alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern, | |
aber auch geflüchtete Frauen. Das sei der Deal mit der Nachbarschaft. | |
„Sorgen vor Anfeindungen wurden zu diesem Vorhaben von den Anwohnenden | |
nicht geäußert“, erklärte Behördensprecher Arnhold. | |
„Das zeigt, dass die Gründe der Anwohner:innen vorgeschoben sind“, sagt | |
Carola Ensslen. Dass schutzbedürftige Frauen hier unterkommen sollen, sei | |
natürlich sehr zu begrüßen. „Aber der fade Beigeschmack, dass man | |
spezifisch queere, geflüchtete Menschen einfach nicht haben wollte, | |
bleibt“, findet Ensslen. | |
24 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.foerdernundwohnen.de/ | |
[2] /Rechte-Gewalt-gegen-Gefluechtete/!6050654 | |
[3] /Queere-Szene-vor-den-Wahlen-in-Tunesien/!6037873 | |
[4] /Wohnungen-fuer-schutzsuchende-Frauen/!5990868 | |
## AUTOREN | |
Franka Ferlemann | |
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