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# taz.de -- Streik in Kroatien: Weniger einkaufen und bei Besuchen in Restauran…
> In Kroatien gehen bei einigen Handelsketten die Preise durch die Decke.
> Produkte sind teurer als in Deutschland. Bei Verbrauchern regt sich
> Protest.
Bild: Parkplatz vor einem Lidl-Supermarkt im kroatischen Zagreb
Gähnende Leere an der Tankstelle in der kroatischen Hafenstadt Trogir, vor
den Einkaufsmärkten Lidl und dm stehen nur einzelne Autos; in den sonst so
überfüllten Cafés an der Uferpromenade von Split, wo man normalerweise nur
mit Glück einen Platz ergattern kann, schauen unterbeschäftigte Kellner
versonnen in die Ferne. Es wird gestreikt.
„Hast du heute schon getankt?“, fragt am Freitag voriger Woche eine
Journalistin in Begleitung eines Kameramanns an einer Kreuzung mit
strafendem Blick. An diesem Tag beginnt der Streik. Die Antwort, „Ich doch
nicht“, scheint sie zu besänftigen.
Es sind nicht die Arbeiter in den Betrieben, die dem Streikaufruf folgen,
sondern die Konsumenten. Landesweit seien Läden und Einkaufszentren leer
geblieben, berichten kroatische Medien. Daten der kroatischen
Steuerverwaltung zufolge ist die Gesamtzahl der an diesem Tag ausgestellten
Einzelhandelsrechnungen um 44 Prozent niedriger gewesen als eine Woche
zuvor. Der Gesamtbetrag der Rechnungen sei um 53 Prozent geringer
ausgefallen.
Organisiert werden die Käuferstreiks von einer breiten Bewegung auf der
Facebookseite „Hallo Inspektoren“. Dahinter stehen Verbraucherverbände,
Gewerkschaften, einfach spontan mobilisierte Leute im ganzen Land. Sogar
die Verkäuferinnen sympathisieren heimlich mit dem Streik.
## Gleiches Bild
In dieser Woche dürften die Umsätze im Handel sogar noch niedriger
ausfallen. Denn die Nachrichten zur Mittagszeit deuten auf eine breite
Solidarität im ganzen Land hin.
In der Tat: Auch an diesem Freitagvormittag bietet sich das gleiche Bild.
Nur noch Autos mit ausländischen Kennzeichen stehen auf den Parkplätzen von
Lidl, Euro-Spin und Kaufland. „Die haben wohl von dem Streikaufruf nichts
gehört“, sagt eine Inspektorin.
Der Streik bei Lidl, Euro Spin und dm soll jetzt eine Woche dauern. Die
ausländischen Ketten hätten die Preise exorbitant angehoben, erklären die
Organisatoren. Im Durchschnitt hätten die Preise um drei Prozent steigen
sollen, lautete die Ankündigung. Doch bei Lidl und dm seien viele Produkte
teurer als in Deutschland. Das erzürnt die Menschen.
Ohnehin kocht die Volksseele schon seit dem Ende der Coronapandemie. Denn
Kroatien gehört seitdem zu den teuersten Plätzen in Europa. Dazu
beigetragen hat auch eine Mehrwertsteuer von 25 Prozent.
Die Initiative zum Boykott der Geschäfte verbreitete sich wie ein Lauffeuer
über Facebook. Mit dem Boykott sollten nicht das Land geschädigt, sondern
die Preise zugunsten der Verbraucher gedrückt werden. Die Basisbewegung
rief über soziale Medien dazu auf, nicht nur keine Einkäufe zu tätigen,
sondern auch auf Café- und Restaurantbesuche zu verzichten. Die Initiative
erlangte breite Unterstützung, außer den in den sozialen Medien war sie
auch Thema in den staatlichen Medien. Sogar Politiker beteiligten sich.
## Erste Erfolgsmeldungen
Die Menschen in dem durch Korruptionsskandale gebeutelten Land haben erst
kürzlich ihre [1][Unzufriedenheit an den Wahlurnen] ausgedrückt und den
Kandidaten der herrschenden konservativen HDZ-Partei für das Amt des
Staatspräsidenten abgestraft. Mit fast 75 Prozent gewann [2][der Kandidat
der sozialdemokratischen Opposition Zoran Milanović]. „Die Leute haben die
Schnauze voll von der Korruption“, ist vielerorts zu hören, auch in den
Medien.
Dem Nachbarn Tomo in Split gefällt es, dass sich nun auch Menschen in
Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina der Bewegung angeschlossen haben.
Die Konsumentenbewegung breitet sich aus.
Es gibt erste Erfolgsmeldungen. Kaufland hat angekündigt, die Preise zu
reduzieren. Welche Waren dies betreffen wird, ist noch unklar. Kritische
Stimmen warnen jedoch, die Lage könnte von einigen Handelsketten ausgenutzt
werden, um unliebsame Konkurrenten zu schädigen. Dafür gibt es bislang
keine Belege.
1 Feb 2025
## LINKS
[1] /Stichwahl-in-Kroatien/!6061688
[2] /Stichwahl-in-Kroatien/!6059366
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
Kroatien
Streik
Social-Auswahl
Montenegro
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