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# taz.de -- Klimapolitik in Kanada: Erfolgsbilanz mit Abstrichen
> Der scheidende Regierungschef Justin Trudeau hat klimapolitisch einiges
> erreicht. Was davon nach den Neuwahlen übrig bleiben wird, ist unklar.
Bild: Der kanadische Premierminister Justin Trudeau im Plausch mit Greta Thunbe…
Washington taz | Der [1][scheidende kanadische Premierminister Justin
Trudeau] hat in seiner fast zehnjährigen Amtszeit für viele Veränderungen
im zweitgrößten Flächenland der Welt gesorgt. Ganz oben auf der Liste
seiner Regierung stand von Anfang an der Kampf gegen den Klimawandel.
Nachdem seine Regierungszeit nun bald ein Ende findet und Kanada auf
Neuwahlen zusteuert, bleibt die Frage, was erreicht wurde und ob Trudeaus
Klimapolitik auch für seinen Niedergang als Premierminister
mitverantwortlich war.
„Unterm Strich kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Kanada während
Trudeaus Regierungszeit in der Klimapolitik viel aggressiver vorgegangen
ist, als unter allen vorherigen Premierministern zusammen“, erklärte der
Politologe und Klimapolitik-Experte Barry Rabe gegenüber der taz.
Die kanadische Klimaschutzorganisation Climate Action Network Canada ging
sogar noch einen Schritt weiter und erklärte, dass Trudeau „mehr für den
kanadischen Klimaschutz getan habe als irgendein anderer Premierminister“
zuvor.
„In den vergangenen zehn Jahren hat es in Kanada eine Revolution im Umgang
mit dem Klimawandel gegeben“, sagte die Geschäftsführerin der Organisation,
Caroline Brouillette, in einer Pressemitteilung nach Trudeaus
Rücktrittserklärung zu Beginn des Monats.
## Etwas komplizierter
Doch wie so oft in der Politik ist es etwas komplizierter als diese Zitate
vermuten lassen. Als der heute 53-Jährige im Jahr 2015 an die Macht kam,
versprach er, den Klimawandel zu bekämpfen. Dieses Versprechen traf jedoch
recht schnell auf wirtschaftliche und politische Realitäten. Denn Kanada
ist ein Land, dessen Wirtschaft vom Rohstoffreichtum lebt und dazu zählen
eben auch fossile Rohstoffe wie Öl und Gas.
Laut der kanadischen Regierung [2][ist das Land der viertgrößte Ölproduzent
und der fünftgrößte Erdgasproduzent in der Welt]. Insgesamt beschäftigt die
Öl- und Gasbranche mehr als 445.000 Menschen im Land und steuerte 2023 mehr
als 208 Milliarden kanadische Dollar und damit etwas weniger acht Prozent
zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Die Einführung einer CO2-Steuer ist eine der wichtigsten Errungenschaften
von Trudeaus Klimapolitik. Mit dieser Steuer sollen Unternehmen und auch
Privatperson dazu angeregt werden, ihren Verbrauch von fossilen
Brennstoffen zu senken. Für eine Provinz wie Alberta, die oft als das
kanadische Texas beschrieben wird, ist und bleibt die CO2-Steuer jedoch
eine politische Fehlentscheidung.
Der Parteivorsitzende der Konservativen, Pierre Poilievre, der selbst aus
Alberta stammt, hat bereits versprochen, bei einem Wahlsieg die CO2-Steuer
wieder abzuschaffen zu wollen. Es sind Aussagen wie sie auch im
amerikanischen Wahlkampf von Donald Trump zu hören waren. Mehr Öl- und
Gasproduktion sowie weniger Klimaschutz heißt die Devise in vielen
konservativen Lagern. Doch Umfragen zeigen, dass ein Großteil der
kanadischen Bevölkerung mehr Klimapolitik will.
## Bis zum Ende auf Kurs
Der Grund, warum trotzdem ausgerechnet Klimaschutzgesetze in politisch
schwierigen Situationen oft als erste geopfert werden, ist laut Politologe
Rabe schnell erklärt: „Es ist einfach“. Wenn andere Themen wie
Einwanderung, Wirtschaft oder Inflation die politischen Debatten bestimmen,
dann ist es politisch gesehen immer noch einfach, Klimaziele links liegen
zu lassen. Eine Aufweichung der Klimaziele oder auch eine Verzögerung der
Energiewende sind leicht umzusetzen und der Unmut der Wähler hält sich
meistens in Grenzen“, so Rabe, der am Wilson Center in Washington zum Thema
forscht.
Trudeau selbst hält bis zum Ende an seinem politischen Kurs fest. Er hofft,
dass der Weg, denn Kanada unter seiner Führung eingeschlagen hat – das
große Ziel heißt Emissionsneutralität bis 2050 – auch von einer nächsten
Regierung weiter verfolgt werden wird.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Themen wie die Einführung der
CO2-Steuer haben die kanadische Gesellschaft gespalten. Und auch
Klimaaktivisten waren nicht immer zufrieden mit Trudeaus Regierung. Vor
allem der Kauf und Ausbau einer Ölpipeline im West des Landes war ihnen ein
Dorn im Auge. Kanada hinkt seinen hochgesteckten Klimazielen aktuell
hinterher.
Wie viel von Trudeaus Klimapolitik unter einer neuen Regierung bestehen
bleibt, wird sich erst noch zeigen. Neben der CO2-Steuer schaffte seine
Regierung auch Anreize für den Kauf von Elektroautos und für Investitionen
in den Bereichen Batterietechnologie und erneuerbare Energien.
Wie vielen anderen Regierungen sei es auch Trudeau nicht gelungen, den
Menschen im Land klar zu machen, warum die CO2-Steuer und andere
klimapolitische Entscheidungen gut für Kanada sein sollen, sagte der
kanadische Politologe John Robinson von der University of Toronto der taz.
Es brauche mehr als nur den Klimaschutz als Argument, besonders in Zeiten
politischer Unruhe.„Die Klimapolitik war eines von vielen Themen, die zu
Trudeaus Sturz beigetragen haben.“
16 Jan 2025
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Kanada/!6060778
[2] /Kanada-Reise-von-Kanzler-Scholz/!5876026
## AUTOREN
Hansjürgen Mai
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