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# taz.de -- Zukunft der Vereinigten Staaten: Steigbügel für den Autokraten
> Macht- und führungslos schauen die US-Demokrat*innen dabei zu, wie
> Donald Trump den Staat umbaut. Als wäre er ein ganz normaler Präsident.
Bild: On day one: Menschen laufen über eine Brü cke ins mexikanische Tijuana,…
Berlin taz | Es war die Woche von [1][Donald Trump.] Er war überall, und
man konnte nur schwer Schritt halten mit der Flut von Dekreten, die er
unmittelbar nach seiner Amtseinführung am vergangenen Montag erließ. Der
angekündigte Politik- und Staatsumbau hat begonnen, mit ihm will Trump die
US-Demokratie grundlegend verändern, in ein autoritäres Herrschaftsmodell
mit einem Gesellschaftsbild aus dem vergangenen Jahrhundert.
Die Demokratische Partei, die nach der verheerenden Wahlniederlage im
vergangenen November weder das Weiße Haus noch Senat oder
Repräsentantenhaus kontrolliert, konnte dabei nur zusehen. Als Vorsitzende
des gemeinsamen Kongressausschusses für Amtseinführungsfeiern – ja, das
gibt es wirklich – hatte die Demokratische Senatorin Amy Klobuchar aus
Minnesota gar die Aufgabe, den reibungslosen Ablauf von Trumps
Krönungsfeierlichkeiten zu organisieren. Auch dank ihr lief die
Machtübernahme jenes Mannes störungsfrei, den eine Mehrheit gewählt hat,
obwohl die Demokrat*innen ihn in vielen Monaten Wahlkampf zu recht als
kriminelle, extremistische Gefahr für die USA brandmarkten. Der Widerspruch
zwischen den Warnungen aus dem Wahlkampf und dem zuvorkommend ausgerollten
Teppich am Montag war schon auf der Ebene der Bilder [2][kaum auszuhalten].
Er markiert das Dilemma einer Demokratischen Partei, die auf nationaler
Ebene macht- und führungslos dasteht. Vom inzwischen 82-jährigen
Ex-Präsidenten Joe Biden wird nicht mehr viel zu hören sein. Die Zukunft
seiner glücklosen Vizepräsidentin, der unterlegenen Kandidatin Kamala
Harris, ist unklar. Manche Beobachter*innen gehen davon aus, dass sie
2028 erneut eine Präsidentschaftskandidatur versuchen wird, andere glauben,
dass sie 2026 als Gouverneurin von Kalifornien antreten wird, wenn der
amtierende Gavin Newsom nicht erneut kandidieren darf. Vielleicht aber
zieht sie sich auch ganz aus der Politik zurück.
So bleibt es zunächst drei Männern vorbehalten, die Botschaft der
Demokrat*innen auf nationaler Ebene zu definieren: den beiden
Fraktionsvorsitzenden Hakeem Jeffries (Repräsentantenhaus) und Chuck
Schumer (Senat) sowie dem Vorsitzenden des Democratic National Comittee
(DNC). Das Gremium kommt einem Parteivorstand im deutschen Verständnis am
nächsten – und ist trotzdem ganz anders. 448 Mitglieder aus allen 50
Bundesstaaten gehören dem DNC an, am 1. Februar wird ein neuer Vorsitzender
gewählt. Die besten Chancen hat Ken Martin, derzeit Chef der Demokratischen
Partei in Minnesota. Aber anders als in Deutschland gibt der Parteivorstand
nicht die politische Linie vor, schreibt keine auf Parteitagen diskutierten
Leitanträge, sondern organisiert und schafft Geld heran. Damit übt er dann
allerdings parteiintern Einfluss aus.
## Wenig Interesse an Kritik
Kaum jemand hat das so sehr gespürt wie [3][Bernie Sanders], der linke
Senator aus Vermont, der in seinem Vorwahlkampf um die demokratische
Präsidentschaftskandidatur 2016 nicht nur gegen Hillary Clinton antrat,
sondern auch gegen das DNC. „Die Demokratische Partei wird immer mehr zu
einer von Milliardären dominierten Partei, die von gutbezahlten Beratern
geführt wird, deren Ideologie darin besteht, an den Randbereichen eines
höchstgradig ungerechten und unfairen oligarchischen Systems
herumzupfuschen“, sagt Sanders.
Ken Martin als vermutlich neuer Chef hat bislang wenig Interesse
signalisiert, sich mit derartiger Kritik auseinanderzusetzen. Ihm geht es
darum, Parteistrukturen wiederaufzubauen, wo die Demokrat*innen
überhaupt nicht mehr sichtbar sind – und das gilt für große Teile des
Landes, die auf den Nachwahlkarten als riesige rote, also republikanische
Flächen auftauchen. Dazu braucht es vor allem Geld, und das will Ken Martin
auftreiben.
Die Ideen hingegen müssen sich zunächst im Kongress zeigen, und auch dort
navigieren die Senator*innen und Abgeordneten auf dünnem Eis. Wer als
Demokrat aus einem Wahlkreis kommt, in dem bei der Präsidentschaftswahl
Trump gewonnen hat, wird sich gut überlegen, welche Kämpfe wirklich zu
führen sind und welche besser nicht. Und nachdem Kamala Harris mit dem
Versuch gescheitert ist, ihren Wahlkampf auf die Warnung vor Trump
aufzubauen, sind offensichtlich viele Demokrat*innen verunsichert.
Scheinbar so sehr, dass zwölf demokratische Senator*innen und 48
demokratische Abgeordnete in dieser Woche sogar dem Laken Riley Act
zustimmten. Mit dem Gesetz kann Donald Trump seine Pläne zur
millionenfachen Abschiebung undokumentierter Migrant*innen leichter in
die Tat umsetzen. Wer auch nur im Verdacht einer Straftat steht, kann
sofort in Abschiebehaft genommen werden, heißt es da. Fundamentale
Prinzipien des Rechtsstaats werden damit aufgegeben. Demokrat*innen
hätten dem Gesetz niemals zustimmen dürfen.
John Fetterman ist einer derer, die für diesen Spagat stehen. Fetterman ist
Senator aus Pennsylvania – einem der Staaten, die als Teil der alten „Blue
Wall“ den Demokraten bei vielen Präsidentschaftswahlen zu Siegen verhalf,
aber im November deutlich an Donald Trump ging. Als erster Demokrat traf er
Trump noch vor dessen Amtseinführung in Mar-a-Lago und signalisierte ihm
Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Trump, der Fetterman zuvor als „rasenden
Irren“ bezeichnet hatte, lobte ihn nun als „beeindruckende Persönlichkeit�…
Fetterman wurde schließlich zum Mitinitiator des Laken Riley Acts. Auf der
anderen Seite stehen jene Senator*innen, die in den verschiedenen
Senatsanhörungen der Nominierten für Trumps Kabinett durch besonders
scharfe Fragen hervorstechen. Tim Kaine etwa, demokratischer Senator aus
Virginia, grillte Trumps Pentagon-Kandidaten Pete Hegseth für seine
außerehelichen Affären und sein Alkoholproblem am Arbeitsplatz. Das ist
der Stoff, aus dem Clips in sozialen Medien entstehen.
## Trump hat tatsächlich eine Stimmenmehrheit
Dass sich Demokratische Abgeordnete und Senator*innen nicht einig sind,
ist nichts Neues: Zwischen der linken Ikone Alexandria Ocasio-Cortez aus
New York und dem konservativen Vicente González aus Texas gibt es wenig
Gemeinsamkeiten. Aber die Frage nach der strategischen Ausrichtung im
Kongress beschäftigt die Demokraten gerade jetzt ganz besonders. Eine zu
fundamentale Opposition gegen Trump halten etwa die Fraktionsvorsitzenden
Jeffries und Schumer für wenig ratsam – immerhin hat Trump im November
nicht nur die meisten Wahlleute im Electoral College gewonnen, sondern als
erster Republikaner seit 20 Jahren auch landesweit eine Stimmenmehrheit
bekommen.
Dabei verhalten sich die Demokrat*innen bei ihren strategischen
Überlegungen für die Zwischenwahlen 2026 und die nächste
Präsidentschaftswahl 2028 so, als wäre da ein ganz normaler
republikanischer Präsident im Weißen Haus. Das Credo: Die Erfahrung zeige,
dass bei den Zwischenwahlen meist die Opposition gewinnt, sodass eine oder
gar beide Kammern wieder demokratisch kontrolliert werden. Bis dahin,
hoffen die Demokraten, dürfte ohnehin klar sein, dass viele von Trumps
Politikvorschlägen das Leben der Menschen nicht verbessern. Ab 2026 bauen
sich dann, vermutlich aus dem Kreis der demokratischen Gouverneur*innen,
neue Präsidentschaftskandidat*innen auf, die den wenig
charismatischen J. D. Vance 2028 schon besiegen werden. Dieser scheint als
republikanischer Trump-Nachfolger schon jetzt gesetzt.
Das wirkt einerseits angenehm unaufgeregt. Andererseits werden die
Demokrat*innen der akuten Bedrohung der demokratischen Institutionen
und so vieler Lebensrealitäten durch die Trump-Regierung nicht gerecht.
Wenn die Demokrat*innen es wieder nicht schaffen, in Zeiten der Not an
der Seite der betroffenen Menschen zu stehen, werden sie dafür kaum belohnt
werden.
Womöglich lohnt der Versuch, Trumps rhetorische wie tatsächlichen
Überwältigung von Öffentlichkeit, Medien und Opposition ins Leere laufen zu
lassen. Schnappatmung hilft nicht. Nur: Mitmachen wie beim Laken Riley Act
dürfen Demokrat*innen nicht. Eine Partei, die jahrelang vor dem
Faschismus warnt und ihm dann den Steigbügel hält, wenn es darauf ankommt,
braucht kein Mensch.
24 Jan 2025
## LINKS
[1] /Nach-den-US-Wahlen/!6064471
[2] /Trumps-Amtsantritt/!6059982
[3] /Kandidat-fuer-die-US-Praesidentschaftswahl/!5574533
## AUTOREN
Bernd Pickert
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