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# taz.de -- Punk-Duo Lambrini Girls: Rants und Kopfschmerzen
> Lambrini Girls kommen rüber wie Riot Grrrls. Der Sound des UK-Punk-Duos
> rattert rasant. Die Songtexte sind politisch – bis zum Klischee.
Bild: Sie stehen auf Krawall, arbeiten aber dabei brav alle politischen Parolen…
Obwohl sie des Menschen beste Freunde sind, gelten Hunde als Synonym für
unerwünschte und ungehobelte Dummköpfe – okay, vielleicht auch genau
deshalb. Dieses „Dogma“ benannte der trinidadische Soca-Sänger Anslem
Douglas 1998 im Song „Doggie“ und erschuf nolens volens eine feministische
Hymne der karibischen Popkultur. International bekannt wurde diese
Diskreditierung des Haustiers durch die Junkanoo-Band Baha Men (von den
Bahamas), die in ihrer Interpretation von Douglas’ Song die Frage stellte:
„Who Let The Dogs Out?“ 2024 wurde vielerorts die Kontrolle der
Hundepopulation zum ernsthaften Problem: So vergeht kaum ein Tag, an dem
sich eine Flintaperson nicht mit Gekläffe von bösen Hunden
auseinandersetzen muss.
Weglächeln, ignorieren, in den Hintergrund treten: So kann es etwa auf der
Arbeit zugehen, wenn die Unternehmenskultur eine patriarchal geprägte ist
und Belästigung auf der Tagesordnung steht. Das britische Duo Lambrini
Girls installiert beide Problemlagen. Schon als Titel ihres Debütalbums
„Who Let The Dogs Out“ sowie im Song „Company Culture“, bei dem zornig
Dampf über schlimme Arbeitsatmosphäre und fehlende Wertschätzung abgelassen
wird. Während Sängerin Phoebe Lunny wütend knurrt, bilden Bassistin Lilly
Macieira und Gastschlagzeugerin Banksy (ne, nicht der) den Kern des
kantigen und dynamischen Stücks.
Lambrini Girls kommen rüber [1][wie zeitgenössische Riot Grrrls], das
Punk-Spiel der zweiköpfigen Band aus Brighton erinnert an die frühen Idles.
Ihr Sound donnert und rattert rasant, dazu sind die Songtexte politisch.
[2][Gut, es liegt in der Natur des Genres Punk, politisch zu sein und
soziale Missstände anzuprangern.] Britische Bands haben ein Gespür dafür,
ihre Herkunft zum Thema von Klassenanalysen zu machen. Schon auf der
Debüt-EP „You’re Welcome“ rechnen Lambrini Girls im Song „God’s Coun…
mit dem „Groß“ im Ländernamen Großbritannien ab, denken über einen ande…
Namen für das „koloniale Drecksloch“ nach und verbannen Staatsoberhäupter
wie Sunak, Cameron, Starmer et al. auf die eigene Shitlist.
## Disharmonien und Noisewallungen
Das nun beim Berliner Indielabel City Slang erschienene Debütalbum ist
[3][eine gerissene Fortsetzung dieses Rantstils.] Auf der Textebene wartet
eine brachiale Abrechnung mit systemischer Polizeigewalt („Bad Apple“),
toxischer Männlichkeit („Big Dick Energy“) und privilegierten Kids („Fil…
Rich Nepo Baby“). Das mag im ersten Moment vorhersehbar, vielleicht sogar
abgedroschen daherkommen. Lambrini Girls treiben ihr Unwesen dennoch mit
solch einer Gnadenlosigkeit, dass es dann doch funktioniert. In ihrer
Furchtlosigkeit macht es wahrlich Freude, diesen Disharmonien und
Noisewallungen zu lauschen.
Trotz der ernstzunehmenden und wichtigen Themen haben die Lambrini Girls
Spaß an dem, was sie machen, „Special Different“ etwa ist eine
Selbstbetrachtung, bei der sie zwischen Sarkasmus und Selbstmitleid
changieren. Sie klingen in ihrem musikalischen Aufbegehren intensiv und
resolut, das verinnerlicht auch ein mitgeschnittener Auftritt vom letzten
August, aufgenommen für das Programm von KEXP, einem Radiosender in Seattle
an der US-Westküste, der schon einige großartige musikalische Entdeckungen
publik gemacht hat.
Es ist aber auch etwas zu rechtschaffen, wenn die Lambrini Girls zwischen
den Darbietungen sehr großmäulig sind – und es irritiert, wenn sie dabei
Slogans wie „Free Palestine“, „Translife matter“ und „Fuck You, Cops�…
verlautbaren und ihre Solidarität mit Sudan, Kongo und Palästina verkünden.
Hm, so aneinander gerattert doch ziemlich unaufrichtig. [4][Die bei
britischen Bands weitverbreitete und zu kurz gedachte einseitige
Verurteilung Israels und Romantisierung der palästinensischen Rebellion
scheint zum guten Pub-Stammtischton zu gehören.] Wem genau ist damit
geholfen? Damit werden die Lambrini Girls leider ihrem Namen gerecht: Die
ersten paar Birnencidergläser schmecken noch prickelnd und der Konsum
belebt. Übrig bleiben aber klebrige Pappe und üble Kopfschmerzen.
15 Jan 2025
## LINKS
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[2] /Punkband-Amyl-and-the-Sniffers-auf-Tour/!6050665
[3] /Noisepunk-Benefits-Nails/!5928985
[4] /Postkoloniale-Popwelt/!5979604
## AUTOREN
Du Pham
## TAGS
Pop-Kultur
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Protestantismus
Punk
Punk
Interview
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