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# taz.de -- Graphic Novel über Werwölfe: Konfrontation dreier Gruppen
> Die Werwölfe dienen in Noëlle Krögers Graphic Novel „Meute“ als Chiffre
> für ein Anderssein. Darin soll das Rätsel der Spezies gelöst werden.
Bild: Ausschnitt aus einem Werwolfbild
Wie ein General schreitet der Professor daher, die Hände hinter dem Rücken
verschränkt, und wie Soldaten stehen seine Mitarbeiter in Reih und Glied
vor ihm. „Monsieur … Monsieur … Monsieur“, lautet der Gruß des strengen
Herrn, zum Schluss dann, nach kurzem Zögern, „Mademoiselle“.
Denn tatsächlich ist unter den talentierten Nachwuchskräften, die am
„Institut für zeitgenössische Wissenschaften“ ihr Praxissemester
absolvieren sollen, auch eine Frau. Das ist höchst ungewöhnlich, zumindest
in einer französischen Kleinstadt Ende des 19. Jahrhunderts.
So wird Margot zunächst einmal, wie selbstverständlich, zum Verrichten
niederer Tätigkeiten abgeschoben. Sie muss Staub wischen, putzen und Tee
servieren. Forschen und auf Ruhm hoffen dürfen die Männer.
Denn es steht eine Sensation bevor. Zum ersten Mal ist es gelungen, einen
Werwolf – genauer gesagt eine Werwölfin – zu fangen. Nun gilt es das Räts…
dieser Spezies zu lösen. Eifrig entwickeln die Wissenschaftler Theorien,
aber der Mensch, zu dem die halb Furcht, halb Mitleid erregende Kreatur
nach einer Weile Kontakt aufnimmt, ist Margot.
## Mehrheiten, Minderheiten
Die Handlung in „Meute“ entfaltet sich aus der Konfrontation dreier
Gruppen. Da sind zunächst Margot, ihre Lebensgefährtin Isabelle und
Versailles, die Werwölfin. Ihnen gegenüber stehen die nur auf
Erkenntnissuche fixierten Wissenschaftler und die Bürger der Kleinstadt,
die sich vor den Werwölfen fürchten und sie zur Jagd freigeben.
Und da ist schließlich ein ganzes Rudel der verabscheuten Wesen, darunter
auch kindliche, die in den Wäldern leben, seit sie ihre Identität erkannt
und ihr früheres Leben halb freiwillig, halb unfreiwillig hinter sich
gelassen haben.
Das bewährte narrative Muster, auf das Noëlle Kröger hier zurückgreift, ist
die Tierfabel. Erzählt wird nicht nur, bezogen auf Margot, die Geschichte
einer Emanzipation, sondern, in Gestalt der Werwölfe, auch von einer
Minderheit, der die Mehrheit mit abschätzigem Unverständnis begegnet.
Spätestens wenn Margot am Ende erklärt, dass sich dank ihrer Forschung die
Werwölfe jetzt frei, ungefährdet bewegen können und endlich „sichtbar für
alle“ sind, ist der Verweis auf aktuelle LGBTQ+-Anliegen offensichtlich.
Die Werwölfe dienen in „Meute“ als Chiffre für ein Anderssein, das von der
Norm lange und gewalttätig ausgegrenzt wurde.
## Bewusst „unrein“ gezeichnet
Dafür, dass der Comic trotz dieses latent lehrhaften Charakters nicht
schwerfällig daherkommt, sorgen die lebhaften Zeichnungen Krögers. In
Szenen, die in Interieurs und in der Stadt spielen, dominieren etwas fade
Rosa-, Gelb- und Blautöne, in Szenen in der Natur dagegen ein kräftiges,
helles und dunkles Grün sowie Schwarz.
Ähnlich wie [1][Barbara Yelin („Irmina“, „Emmie Arbel“)] bevorzugt Kr�…
einen „unreinen“ Stil. Hintergründe, die bloße Farbflächen sind, wuchern
oft über die Panelränder hinaus; Figuren können bewusst krakelig oder
skizzenhaft dargestellt sein.
Doppelseiten, die jeweils 24 kleinformatige, quadratische Panels enthalten,
verdeutlichen das angespannte, hektische Leben, in das Margot ihre
Untersuchungen bringen. Wunderbar zeichnet Kröger zudem die Werwölfe: mal
als quirlig-verspielte und liebevolle, mal als wild und bedrohlich
wirkende, stets aber als kraftvolle und elegante Mischwesen.
8 Jan 2025
## LINKS
[1] /Graphic-Novel-ueber-Emmie-Arbel/!5977597
## AUTOREN
Christoph Haas
## TAGS
Comic
Fantasy
19. Jahrhundert
Graphic Novel
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Comic
Deutscher Comic
Comic
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