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# taz.de -- Gaza-Tagebuch: Freude und Hoffnung auf Trümmern
> In Gaza freuen sich viele über den Sturz von Assad. Mit syrischen
> Freundinnen hofft unser Autor auf eine Zeit, in der sie gemeinsam feiern
> können.
Bild: Sehnsuchtsort Damascus am 13. Dezember 2024
Gaza taz | Mein Gesicht hat viele Kämpfe erlebt, es hat die anderer gesehen
und einige mit sich selbst ausgefochten. Früher war es mir peinlich, wenn
sich meine Gesichtszüge veränderten, wenn die Menschen den Beweis für meine
Belastungen sahen. Heute nicht mehr. Heute schaue ich mir meine
Gesichtszüge lange und genau an, damit ich diese Tage nicht vergesse, an
denen ich stundenlang geweint habe.
Wenn der Schmerz mich quält, sehe ich mich nach denen um, die noch mehr
leiden. Ich sehe, dass ich doch im Himmel bin.
Aber ich vermisse die Freiheit, den Geruch frischer Luft kurz vor der
Morgendämmerung, ich vermisse einen friedlichen Schlaf ohne Angst, ein
sauberes Bett ohne Insekten. Ich vermisse die Straßen, auf denen ich im
nördlichen Gazastreifen spazieren ging, bevor die Besatzung uns aus unseren
Häusern vertrieb. Ich habe eine so große Sehnsucht nach meinem Zuhause,
nach diesem Land in Freiheit.
## Süßigkeiten zum Sturz Assads auch in Gaza
Und so nehmen wir teil an der Freude unserer syrischen Freunde. Sie konnten
sich von dem Monster der Ungerechtigkeit befreien. Die Menschen hier in
Gaza sind sehr glücklich über das, was in [1][Syrien] geschieht. Im
Gazastreifen haben sie Süßigkeiten an die Passanten verteilt, als sie davon
hörten. Ich habe es in ein paar [2][Videos] gesehen.
Es waren keine Jubelfeiern, wie die Welt sie sonst kennt. Die Menschen
standen vor Häusertrümmern, auf dem, was von den Straßen noch übrig
geblieben ist, schüttelten Hände, und wünschten sich Frieden.
So wie viele meiner Freunde. Sie hoffen, dass auch Gaza befreit wird, von
der Besatzung. „Syrien wurde befreit und die Gefangenen werden aus den
[3][Gefängnissen der Ungerechtigkeit] entlassen“, sagte mein Freund Ahmed
und hatte Tränen in den Augen.
Er hatte die Videos der syrischen Gefangen gesehen, die befreit wurden. Als
wir sprachen, spiegelte sich in seinen Augen ihr Schmerz, der Schmerz, den
er in ihren Gesichtern und auf ihren Körpern gesehen hat. Aber in seinen
Augen lag auch Hoffnung. Denn die Menschen im Gazastreifen träumen von
einer Freiheit wie dieser.
## „Irgendwann werden wir gemeinsam feiern“
Meine Freundin Mariana ist Syrerin und lebt in [4][Berlin]. Ich habe vor
ein paar Tagen mit ihr über die Ereignisse in Syrien gesprochen. Ich
schrieb ihr zwei Tage, nachdem sich die Nachricht verbreitete, wegen der
Szenen, die wir sahen. Ich gratulierte ihr zur Befreiung des Landes.
Sie sagte mir damals, dass die Revolutionäre ihre Stadt in wenigen Stunden
erreichen würden. Mariana sprach von Damaskus, und ihre Seele, so schien es
mir, hing daran wie ein kleines Mädchen, das sein Spielzeug fest in der
Hand hält und Angst hat, es könnte verloren gehen.
Sie wolle die Stadt nicht wieder verlieren, sagte sie, denn sie hatte sie
nicht freiwillig verlassen. Sie ist vor der Kriegsmaschinerie geflohen.
Auch meine Freundin, die syrische Schriftstellerin Ni'mah Khaled, schrieb
mir spontan. Sie wartet jetzt auf den Moment, in dem sie ihre Koffer packen
und zurückkehren kann. Mariana, Ni'mah und ich haben gemeinsame Wünsche:
Dass Syrien in Zukunft sicher und frei sein möge – wie der Gazastreifen.
Und ich hoffe, eines Tages werden wie zusammen eine neue Freiheit feiern,
sie bei mir in Gaza, ich bei ihnen in Damaskus.
13 Dec 2024
## LINKS
[1] /Menschenrechtlerin-zum-Umsturz-in-Syrien/!6051330
[2] https://x.com/marianakarkout/status/1866616751204569434?s=48
[3] /Umsturz-in-Syrien/!6055381
[4] /Syrien-nach-Assad/!6051870
## AUTOREN
Esam Hajjaj
## TAGS
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