# taz.de -- Wiederbegegnung mit Laibach: Das Werk des Herrn, vervierfacht und m… | |
> „Life“ ist immernoch „Life“: Höchste Zeit für die Neuauflage von �… | |
> Dei“, dem Erfolgsalbum des slowenischen Provokünstlerkollektivs Laibach. | |
Bild: Während Laibach einst bedrohlich und gefährlich nah am Faschistoiden wi… | |
Dass auf künstlerische Revolte und politische Provokation meist noch zu | |
Lebzeiten die Verklärung zum nationalen Kulturgut und dazu eine Entsorgung | |
ins Museum folgen, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Es ist eine | |
vermaledeite Dialektik, die widerspenstige Subkultur traditionsgemäß in | |
Staatskünstlertum verwandelt. | |
Ein Musterbeispiel für diese Verpuppung liefert die Band Laibach aus | |
Slowenien. Ihre frühen Aktionen trugen dem 1980 in Ljubljana gegründeten | |
Künstlerkollektiv noch Auftrittsverbote und andere Repressalien des | |
sozialistischen Regimes im einstigen Jugoslawien ein – inzwischen sind | |
Laibach längst das kulturelle Aushängeschild der Republik Slowenien. | |
Die unabdingbare Einvernahme des künstlerischen Untergrunds wird von | |
Laibach allerdings weniger zähneknirschend akzeptiert als vielmehr | |
demonstrativ ausgestellt. Wie aus ihrer widerständigen Kunst | |
chartskompatibler Kommerz wurde, erlebte die Band um den Sänger Milan Fras | |
und den konzeptuellen Kopf Ivan Novak, als [1][die dunkeldeutsche | |
Rumpelrocktruppe Rammstein] nicht nur den Laibach-Sound aus | |
Industrial-Marschhymnen samt teutonischem Gesang kopierte, sondern ebenso | |
ihr Kreuzlogo abkupferte, wobei Rammstein – wie hinlänglich bekannt – auf | |
andere, nämlich sexistische Weise monströs ist. | |
Das Laibach’sche Kreuzlogo jedenfalls beruht auf dem „Schwarzen Kreuz“ des | |
ukrainischen Malers Kasimir Malewitsch, einer Ikone der Moderne, während | |
Rammsteins kümmerliche Version an ein Eisernes Kreuz, bekanntlich beliebtes | |
Erkennungsmerkmal von Neonazis, erinnert. | |
## Schwerpunkt liegt neuerdings im Bereich Theatermusik | |
Der ihnen zugewiesenen Rolle als slowenische Staatskünstler entsprechend, | |
tummeln sich Laibach inzwischen vor allem in hochkulturellen Gefilden: Der | |
Schwerpunkt ihrer neueren Arbeiten liegt im Bereich Theatermusik und | |
symphonischer Bühnenwerke auf dem Gebiet der Neuen Klassik, so etwa die | |
Auftragsmusik zum [2][Heiner-Müller-Theaterprojekt „Wir sind das Volk“ | |
(2022)] und aktuell die orchestrale Adaption des Assassinen-Romans | |
„Alamut“, den der slowenische Nationaldichter Valdimir Bartol 1938 | |
veröffentlichte. | |
Parallel zu dieser klassischen Ausrichtung blicken Laibach – ganz im Sinne | |
der Recyclingpraxis der korporativen Musikindustrie – mittlerweile | |
nostalgisch zurück auf ihre legendären Anfänge im Industrial-Untergrund. | |
Den Auftakt dazu bildete das Boxset „Laibach Revisited“ (2020). | |
Dessen Kernstück ist das klangtechnisch überarbeitete Debütalbum „Laibach�… | |
von 1983, das durch aktuelle Neuinterpretationen der alten Stücke und um | |
einige weitere Songs aus den heroischen Anfangstagen ergänzt wurde. | |
Bezeichnend für den Witz Laibachs ist das dazugehörige Livealbum | |
„Underground“, das den Begriff so ironisch wie wörtlich nimmt: Es | |
dokumentiert nämlich ein Konzert mit Stücken aus den frühen 1980er Jahren, | |
das 200 Meter unter der Oberfläche in den Kohleminen im slowenischen | |
Velenje stattfand. | |
Retromanie pur ist auch „We Forge The Future. Live At Reina Sofía“ (2021), | |
ein Livedokument des Auftritts im Madrider Museum aus dem November 2017, | |
als Laibach ein Reenactment ihres skandalösen Konzerts vom April 1983 in | |
Zagreb unternahmen: Dass sie damals Filmaufnahmen von Marschall Tito mit | |
Projektionen aus Pornofilmen überblendeten, führte zu Tumulten, einem | |
Polizeieinsatz und schließlich dem vorzeitigen Abbruch der Veranstaltung, | |
gefolgt von einer Repressionskampagne, die bis 1987 dauerte. | |
## Wiederbegegnung dreieinhalb Jahrzehnte später | |
Nachdem die Aufarbeitung des ersten Jahrfünfts der Bandgeschichte | |
dergestalt abgehakt war, steht nun Laibachs internationaler Durchbruch mit | |
dem deutsch-englisch gesungenen Album „Opus Dei“ (1987) und dem | |
Beatles-Pastiche „Let It Be“ (1988) auf dem Programm. Auf den bereits | |
diesen Mai erschienenen Remaster von „Opus Dei“ plus Mitschnitt eines | |
Konzerts der „Opus Dei“-Tour folgt passend zum Weihnachtsgeschäft „Opus … | |
Revisited“ mit Neufassungen und Remixen durch Rico Conning, der bereits das | |
Originalalbum abgemischt hatte. | |
Nicht nur die Schallarchivare der Plattenfirmen, auch Laibach wissen | |
natürlich, dass das Werk des Herren erst dann gottgefällig getan ist, wenn | |
es gelingt, ein Originalalbum vervierfacht auf je zwei Doppeltonträgern | |
auszuwalzen. | |
Was bei dieser Wiederbegegnung mit „Opus Dei“ im Abstand von rund | |
dreieinhalb Jahrzehnten beim erneuten Hören vor allem deutlich klingt, ist | |
dies: Während Laibach einst martialisch, bedrohlich und gefährlich nah am | |
Faschistoiden wirkten, besticht nun der eminente Humor ihrer Musik. | |
Unüberhörbare Selbstironie ist etwa, wenn Sänger Fras auf „Geburt einer | |
Nation“ geradezu verzweifelt darum bettelt, „Gebt mir ein Leitbild / Ein | |
Leitbild für die Welt“. | |
Die Vorlage für dieses hohle Sloganeering liefert jedoch der Stadionhit | |
„One Vision“ von Queen, bei dem Freddie Mercury knödelt: „Give me one | |
vision / One world and one nation“. Der Coverversion von Opus’ „Live is | |
Life“, die bei Laibach als vitalistische Beschwörungshymne firmiert, | |
verpasst Produzent Conning im Remix nun einen mit Ziehharmonika unterlegten | |
Schunkelsound. Engelhaft kommen noch Kinderstimmen hinzu, sodass das Stück | |
wieder zurückfällt auf den bierzeltkompatiblen Megahit. Eine wahre Gaudi! | |
## Selbstironie wird übersehen | |
Im Gefolge der allenthalben nachgebeteten Laibach-Deutung von Slavoj Žižeks | |
als ernstem Spezialisten für subversive Überaffirmation totalitärer | |
Ikonografie, blendete man leider regelmäßig das Trashige und | |
Selbstironische der Band aus, also etwa sämtliche Hirschgeweihe, | |
folkloristische Kopfbedeckungen und den billigen alpenländischen Tand: | |
insbesondere den hämischen Bergmythos, vom Triglav, dem Hausberg | |
Ljubljanas, bis zum Mount Paektu, dem Nationalberg der „Volksrepublik“ | |
Nordkorea. | |
Spätestens jetzt, mit den opulenten Neuausgaben von „Opus Dei“, aber gilt | |
es, Laibach endlich als Humoristen zu entdecken. | |
27 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Schütte | |
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