# taz.de -- Berlins Regierender verteilt Kaffee: Barmherziger Kai Wegner | |
> Während Sozialeinrichtungen unter den Sparplänen des Senats ächzen, kommt | |
> Kai Wegner in die Bahnhofsmission. Das Timing ist nicht wirklich | |
> geglückt. | |
Bild: Mit oder ohne Zucker? Kai Wegner am Tresen | |
In der Bibel gibt es eine Geschichte, die geht sinngemäß so: Und es war | |
einmal ein Samariter, der sah die Notleidenden am Wegesrand des Bahnhof | |
Zoo. Aber anstatt wie alle anderen achtlos weiterzugehen, erkannte er die | |
Notlage und half den Fremden. Der Barmherzige brachte Kaffee und schenkte | |
ihnen ein Lächeln. Die Bedürftigen, und – so Gott will – auch die Presse | |
kamen in Scharen und bedankten sich bei dem Barmherzigen, der sie aus der | |
Not führen wird. | |
So oder so ähnlich hätte die Erzählung über den Besuch von Berlins | |
führendem Christdemokraten Kai Wegner bei der Bahnhofsmission am | |
Zoologischen Garten klingen können. Doch da gibt es ein Problem: Die | |
wenigsten Besucher:innen beachten den Regierenden Bürgermeister, der am | |
Freitagmittag für 30 Minuten hinter der Theke Kaffee ausschenkt. „Kaffee | |
mit oder ohne Zucker?“, fragt Wegner unbeirrt freundlich. | |
Genauso gut könnte an seiner Stelle der Bundeskanzler oder das | |
Krümelmonster stehen. „Ach, das ist der Berliner Bürgermeister?“, antwort… | |
ein Besucher auf die Frage nach dem vermeintlichen Ehrengast. Was hier | |
zählt, ist ein beheizter Raum und dass der Erbseneintopf lecker schmeckt. | |
## Putzige Pandas statt Rotem Rathaus | |
Immerhin hatte Wegner es zur Bahnhofsmission nicht sehr weit: Am Vormittag | |
war er bei einem Pressetermin nebenan im Zoo, um den beiden neugeborenen | |
Panda-Zwillingen zusammen mit dem chinesischen Botschafter Deng Hongbo die | |
Namen „Leni“ und „Lotti“ zu geben. Ein Gute-Laune-Termin zum Ende der | |
Woche. | |
Verständlich: Bei den unermüdlichen Protesten gegen die geplanten | |
Sparmaßnahmen seiner Regierung im Sozialen und Kulturellen dürfte es für | |
Kai Wegner wohltuend sein, mal ein paar Stunden Abstand zum [1][Roten | |
Rathaus] und dem [2][Abgeordnetenhaus] zu gewinnen. | |
Immerhin freut sich die Bahnhofsmission über Wegners Besuch, auch wenn die | |
Mitarbeitenden dort mit Sorge auf die Kürzungspläne der schwarz-roten | |
Landesregierung blicken. Ein paar Selfies und Händedrücke später geht Kai | |
Wegner dann auch schon seines Weges, nicht aber ohne gegenüber der taz zu | |
betonen, dass soziale Träger „viel mehr verdienen als sie bekommen“ und f�… | |
ihn Sozialpolitik „absolute Priorität“ habe. | |
Ersteres würden Berlins Sozialeinrichtungen wahrscheinlich bedenkenlos | |
unterschreiben, an letzterem dürfte es wohl angesichts der deutlichen | |
Kritik von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden gegen die schwarz-rote | |
Haushaltspolitik einige Zweifel geben. | |
## Kaffee mit Zucker statt stabile Finanzierung | |
[3][Erst am Wochenende gab Kai Wegner] den Berliner:innen in Hinblick | |
auf die Kürzungen im Kulturbetrieb großzügig Tipps: „Ich glaube, wir müss… | |
wegkommen von der Mentalität: Wir brauchen mehr Geld vom Staat.“ Eine | |
knappe Woche später nimmt sich Kai Wegner seinen eigenen Tipp direkt zu | |
Herzen: Statt Geld bekommen die Berliner:innen nun einen Kaffee | |
wahlweise mit oder ohne Zucker und ein freundliches Lächeln von ihrem | |
Regierenden Bürgermeister. | |
Den sozialen Trägern und Berlins Notleidenden dürfte das nicht reichen, sie | |
protestieren seit Wochen gegen die Sparpläne der schwarz-roten Koalition. | |
[4][Am Donnerstag] gingen Beschäftigte im Sozial-, Bildungs– und | |
Jugendhilfebereich erneut unter dem Motto #unkürzbar auf die Straße. Dort | |
war [5][laut rbb] von einem „sozialen Kahlschlag auf Raten“ die Rede. Zwar | |
ist noch ungewiss, wen die Einsparungen wie hart treffen werden, aber viele | |
Einrichtungen wie Notunterkünfte für Wohnungslose sind bereits jetzt an der | |
Belastungsgrenze. | |
Dass Kai Wegner nun mit seinem Besuch symbolisch den Bedürftigen helfen | |
möchte, während die Beschlüsse seiner Regierung praktisch genau das | |
Gegenteil bewirken, ist maximal schlechtes Timing. Denn was tatsächlich | |
helfen würde, wäre eine gesicherte Finanzierung von Hilfsangeboten. In | |
Zeiten von [6][Wohnungsnot und steigender Armut in Berlin] bleiben | |
Pressetermine wie Kai Wegners Besuch der Bahnhofsmission darum reine | |
Inszenierung. | |
6 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Demo-gegen-Kuerzungen-im-Sozialbereich/!6048742 | |
[2] /Kuerzungen-im-Jugend--und-Sozialbereich/!6050124 | |
[3] /Kulturkuerzungen-in-Berlin/!6053865 | |
[4] /Kuerzungen-im-Jugend--und-Sozialbereich/!6050124 | |
[5] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/12/berlin-demonstration-wohlfahrt… | |
[6] /Steigende-Armut-in-Berlin/!5918695 | |
## AUTOREN | |
Katharina Wulff | |
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