Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Lichterfahrten“ in Niedersachsen: Scheindebatte über leuchten…
> Bauern und CDU sehen „Lichterfahrten“ gefährdet. Der Verkehrsminister
> widerspricht – und stellt sich dennoch schützend vor das „neue
> Brauchtum“.
Bild: Kann erst losjuckeln, wenn alle Auflagen erfüllt sind: „Lichterfahrt�…
Hamburg taz | Ein bisschen Erntedank, ein Hauch Karneval und eine Prise
Weihnachtsmarkt: So sehen die „Lichterfahrten“ aus, die seit der
Adventszeit im ersten Coronalockdown 2020 regelmäßig auch im Norden
stattfinden. Leuchtende Traktoren juckeln in Korsos über dunkle Landstraßen
und durch Dörfer, geschmückt mit Lichterketten, Stab- und Signallampen,
manche haben einen Weihnachtsbaum auf dem Frontlader. Besonders bei
Familien sind die Paraden beliebt, viele stehen am Straßenrand, um das
Spektakel zu beobachten.
Für die Landwirt:innen haben sich die bunten Umzüge zu einer Plattform
entwickelt, um sich in der Öffentlichkeit positiv zu präsentieren und zum
Beispiel auf die Bedeutung regionaler Produkte aufmerksam zu machen.
Besser, man redet darüber und über Lichterketten als über Glyphosat und
Gülle. Entstanden waren die Lichterfahrten auch als [1][Protest gegen die
Agrarpolitik aus Berlin und Brüssel].
In Niedersachsen waren kürzlich Gerüchte aufgekommen, dass die
bürokratischen Hürden für die Umzüge erhöht würden. Anfang November hatte
das Landesverkehrsministerium ein Rundschreiben an den Landkreistag, den
Städtetag und den Städte- und Gemeindebund geschickt, und darauf
hingewiesen, dass Lichterketten an Traktoren verboten sind. Grundsätzlich
dürfen sie im Straßenverkehr nicht an Fahrzeugen angebracht werden – das
ist Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei vorbehalten.
## Regeln, Genehmigungen, Auflagen
Die Umzüge, betonte das Ministerium, seien weder Brauchtum noch
Versammlungen, sondern schlicht Veranstaltungen. Wer einen solchen Korso
organisiert, muss deshalb eine Menge Regeln einhalten, umfangreiche
Genehmigungen einholen und strenge Sicherheitsauflagen erfüllen. In der
Regel müssen die Paraden von den Landkreisen genehmigt werden. Dabei müssen
die Fahrten „abgegrenzt vom restlichen Verkehr“ als Korso stattfinden.
Ordner oder die Polizei müssen sie begleiten. Die zusätzlichen
Beleuchtungsmittel dürfen die gesetzlich vorgeschriebenen
Beleuchtungseinrichtungen nicht beeinträchtigen. Und so weiter.
Die Hürden seien sehr hoch und die Auflagen „für die Veranstalter völlig
unsinnig“, kritisierte daraufhin Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers. In den
Landkreisen sei man verwirrt, was gelte und was erlaubt sei. Tatsächlich
gibt es große Unterschiede in der Genehmigungspraxis. [2][In Stade etwa
konnten die Umzüge als Versammlungen stattfinden], ohne die hohen Hürden
für Veranstaltungen.
Schließlich forderte Marco Mohrmann, agrarpolitischer Sprecher der
CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag: „Es darf nicht sein, dass
bürokratische Hürden diese wunderbare Tradition gefährden.“ Es gehe dabei
darum, „Freude zu verbreiten und den Menschen etwas zurückzugeben“. Die
Fahrten stärkten nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern auch das
Verständnis für die Landwirtschaft, so Mohrmann. Bei einer der inzwischen
zehn Lichterfahrten allein im Landkreis Rotenburg seien 20.000 Euro für
soziale Zwecke gesammelt worden.
## Im Münsterland längst Geschichte
Die Verwirrung war komplett, als [3][dann auch Verkehrsminister Olaf Lies
(SPD) erklärte]: „Hier entsteht vor Ort gerade ein neues, modernes
Brauchtum und das unterstützen wir ausdrücklich.“ Bisher habe das „sehr g…
vor Ort funktioniert und die Kommunen in sämtlichen Regionen Niedersachsens
haben stets dafür gesorgt, dass die Lichterfahrten verkehrssicher
durchgeführt wurden“. Es gebe keine neue Genehmigungspraxis, betonte Lies.
Alles also gar kein Thema?
„Es ist gut, dass sich der niedersächsische Wirtschafts- und
Verkehrsminister inzwischen klar zu den Lichterfahrten bekannt hat“, zeigt
sich Landvolk-Vize Jörn Ehlers erleichtert. Die CDU-Opposition fordert
dennoch eine landesweit einheitliche Regelung, um das Spektakel zu sichern.
Auch die mitregierenden Grünen zeigten sich erleichtert, dass nun wieder
„Klarheit“ herrsche. „Die jüngst verbreiteten, falschen Behauptungen üb…
ein angebliches Verbot dieser Veranstaltungen entbehren jeder Grundlage“,
sagte Pascal Leddin, Sprecher für Landwirtschaft. Die Gerüchte
verunsicherten „völlig unnötig die Organisator*innen und
Teilnehmenden“.
Direkt nebenan im nordrhein-westfälischen Münsterland ist die Tradition
übrigens [4][schon wieder Geschichte]. Dort hatte der Verein „Land schafft
Verbindung“ eine Lichterfahrt geplant, sich aber frustriert von der
fehlenden Anerkennung für die Arbeit von Landwirt:innen für eine andere
Protestform entschieden: Abwesenheit.
3 Dec 2024
## LINKS
[1] /Schwammiges-Wir-Gefuehl/!5984075
[2] https://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/stade/c-panorama/genehmigungs-wirrw…
[3] https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/uber_uns/presse/presseinformatio…
[4] https://www.wn.de/muensterland/keine-lichterfahrten-traktoren-landwirte-317…
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
Landwirtschaft
Niedersachsen
Verkehr
Bauernprotest
Brauchtum
Schwerpunkt Pestizide
Rechtsextremismus
Bauernprotest
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fachmagazin zieht Analyse zurück: Streit über Studie zu massenhaften Pestizid…
Eine Fachzeitschrift zieht nach Protest der Chemieindustrie eine Analyse
wegen angeblich falsch interpretierter Daten zurück. Das stößt auf Kritik.
Unterwanderung der Bauernproteste: Alles, was rechts ist
Die Behörden verharmlosen rechtsextreme Tendenzen bei den Bauernprotesten
des vergangenen Winters. Es naht die erste große Demo der Saison.
Proteste von Landwirten gegen die Ampel: Bauern, Demo, Rechtspopulismus
Landwirte planen eine Kundgebung in Berlin: für die Agrardieselsubvention,
gegen eine Bevorzugung von Asylbewerbern, voller Zweifel am Klimawandel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.