# taz.de -- Pressefreiheit unter Netanjahu: Israels Regierung boykottiert Zeitu… | |
> Die israelische Zeitung „Haaretz“ stößt immer wieder Debatten an – au… | |
> über die Regierung. Die will fortan nicht mehr mit ihr kommunizieren. | |
Bild: Verschiedene Zeitungen u.a. Haaretz (M) mit Protest-Schlagzeile „Ein sc… | |
Jerusalem taz | Israels älteste Tageszeitung Haaretz ist eine der lautesten | |
Kritikerinnen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dessen | |
rechtsnationalistischer Regierung. Die Analysen und Recherchen der | |
Redaktion prägen über ihre direkte Leserschaft hinaus nicht nur Debatten in | |
Israel, sondern auch international. Als einziges großes israelisches | |
Nachrichtenmedium richtet die 1919 gegründete Zeitung seit Beginn des | |
Krieges in Gaza den Blick immer wieder auf das Leid der palästinensischen | |
Bevölkerung. | |
Die israelische Regierung würde dem gerne ein Ende bereiten: Am Sonntag | |
nahm das Kabinett laut Kommunikationsminister Shlomo Karhi einstimmig einen | |
Vorschlag an, der allen Regierungsvertretern und Angestellten von staatlich | |
finanzierten Organisationen vorschreibt, nicht mehr mit der Zeitung zu | |
kommunizieren oder dort Anzeigen zu schalten. | |
„Wir befürworten eine freie Presse und Meinungsfreiheit, aber auch die | |
Freiheit der Regierung, Aufhetzen gegen den Staat Israel nicht zu | |
finanzieren“, hieß es in Karhis Mitteilung. | |
Haaretz warf der Regierung [1][in einer Stellungnahme] vor, der Boykott sei | |
„ein weiterer Schritt auf Netanjahus Weg, die israelische Demokratie zu | |
zerstören“. Vize-Chefredakteurin [2][Noa Landau schrieb beim Onlinedienst | |
X:] „Wir werden uns nicht einschüchtern lassen.“ Im Schatten eines Krieges | |
die Medien und das Justizsystem zu schwächen, entspreche dem „Handbuch | |
einer jeden Diktatur“. Die Zeitung kritisierte, dass der Vorschlag im | |
Vorfeld nicht auf der Tagesordnung gestanden habe und nicht wie üblich vom | |
Büro der Generalstaatsanwaltschaft geprüft wurde. | |
Die Haaretz-Redaktion hat seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober eine | |
Reihe von Recherchen über das Fehlverhalten hochrangiger Regierungsbeamter | |
und Armeeangehöriger veröffentlicht und einen Waffenstillstand zur | |
Befreiung der in Gaza gefangenen israelischen Geiseln befürwortet. | |
## Weitere Pläne für israelische Medienlandschaft | |
Karhi rechtfertigte den Boykott mit Äußerungen des Haaretz-Herausgebers | |
Amos Schocken. Dieser hatte über die völkerrechtswidrigen israelischen | |
Siedlungen im besetzten Westjordanland gesagt: „(Die israelische Regierung) | |
ignoriert den Preis der Verteidigung der Siedlungen für beide Seiten, | |
während sie palästinensische Freiheitskämpfer bekämpft, die Israel | |
Terroristen nennt.“ Er habe sich nicht auf die Hamas bezogen, erklärte er | |
später. Haaretz veröffentlichte einen Leitartikel mit dem Titel | |
„Terroristen sind keine Freiheitskämpfer.“ | |
Karhi dürften die Details kaum interessieren: Er hatte einen Boykott | |
[3][bereits 2023 gefordert] und der Zeitung die Verbreitung „defätistischer | |
und falscher Propaganda während eines Krieges“ vorgeworfen. Für die | |
israelische Medienlandschaft hat er noch weitergehende Pläne: Wenige | |
Stunden nach dem Boykottbeschluss, sprach sich die Regierung für einen | |
Gesetzesvorschlag aus, dem zufolge der öffentlich-rechtliche Sender [4][KAN | |
11 binnen zwei Jahren entweder privatisiert] oder geschlossen werden soll. | |
Die Regierung soll mehr Kontrolle über das Budget des | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie über die Erhebung von | |
Einschaltquoten erhalten. | |
Israels Pressefreiheit dürfte das weiter schaden. Das Land liegt im | |
globalen Index von Reporter ohne Grenzen bereits heute auf Platz 101 von | |
180. Im Mai hatte Israel das lokale Büro des katarischen Senders Al Jazeera | |
geschlossen. | |
25 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://x.com/haaretzcom/status/1860702180342112337 | |
[2] https://x.com/noa_landau/status/1860675458951495843 | |
[3] https://x.com/shlomo_karhi/status/1727677351083827432 | |
[4] https://www.timesofisrael.com/ministers-back-bill-to-privatize-kan-public-b… | |
## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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