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# taz.de -- Fußballverband in Syrien: Warum Fußball und Demokratie zusammenge…
> Der syrische Fußballverband wechselt nach dem Sturz des Assad-Regimes die
> Farben. Ein Zeichen von Anbiederung? Die Sache dürfte komplexer sein.
Bild: Beim Freundschaftsspiel gegen Russland trat das syrische Nationalteam let…
Abschied mit Syrien. Heute endet meine [1][Kolumne „Über Ball und die
Welt“], in der ich 15 Jahre lang allmonatlich zu zeigen versucht habe,
welche politische Kraft der Fußball gerade dann hat, wenn er nur Fußball
ist. Die hat er, weil Sport nicht etwa „nichts mit Politik zu tun“ hätte
oder „nicht mit Politik vermischt“ werden dürfte und auch nicht, weil er
bloßer „Spiegel der Gesellschaft“ wäre. Sondern: Sport, und erst recht
Fußball, ist schon immer Teil des politischen Geschehens gewesen. Er prägt
die Gesellschaft, er verbessert sie, er verschlechtert sie. In ihm
schlummert ein enormes demokratisches Potenzial. Wenn das aber nicht
freigelegt wird, wird die Kraft des Sports autoritär genutzt.
Heute geht es hier also zum Abschluss dieser Kolumne um [2][Syrien]. Auf
Facebook hat der Syrische Arabische Fußballverband (SAF) mitgeteilt, dass
das Nationalteam künftig in grünen Trikots auflaufen wird, nicht mehr in
Rot-Weiß. Ein Foto mit Spielern in den neuen Trikots wurde mitgeliefert.
Das ist schon deswegen bemerkenswert, weil Syriens Auswahl gerne als „Rote
Adler“ bezeichnet wurde. Zur Begründung für den Farbenwechsel heißt es, es
zeige „die erste historische Veränderung in der Geschichte des syrischen
Sports, weg von Vetternwirtschaft, Kumpanei und Korruption“.
Schaut man sich die ersten Meldungen nach dem Sturz des Assad-Regimes an,
könnte man vermuten, der Fußball biedere sich mit den grünen Trikots bloß
den neuen Machthabern an. Das ist denkbar. Er könnte dies tun, weil der SAF
ja in den Assad-Jahren immer eine Systemstütze war. Schon möglich also,
dass da einige Funktionäre ihren Kopf retten wollen, und vielleicht sogar
ihre Jobs.
Aber eine andere Lesart ist auch möglich: So wie derzeit niemand
prognostizieren kann, wie sich das Anti-Assad-Bündnis entwickeln wird, so
kann das niemand über den Sport sagen. Auch der Fußball ist ein politisches
Kampffeld, auch hier ist Geschichte ein offener Prozess, auch hier wird um
alle großen Fragen gekämpft: sei es die Teilhabe von Frauen, seien es
demokratische Strukturen, seien es Minderheitenrechte, seien es
freundschaftliche Beziehungen zu Nachbarländern.
## Freiräume im Stadion
Diese Lesart ist realistischer. Zum einen ist Fußball in Syrien der
populärste Sport, und es gibt seit Mitte der 1960er-Jahre eine leidlich
stabile Profiliga. Zum anderen hat der Fußball der politischen Opposition
stets Freiräume eröffnet: Im Stadion ließ sich Widerspruch zum Assad-Regime
leichter und wirkungsvoller artikulieren. Als 2012 die syrische
Nationalmannschaft [3][gegen Japan spielte] – das Heimspiel wurde wegen des
Bürgerkriegs in Jordanien ausgetragen –, gab es zwei syrische Fanblöcke:
Die Regimeanhänger unterstützten Syrien, die Opposition stand auf der
Gegentribüne und trommelte für Japan. 2:1 gewann Syrien, noch hielt das
Assad-Regime.
Welche Rolle der Fußball beim Umsturz spielen kann, wurde im Arabischen
Frühling vor über zehn Jahren deutlich. Ultras aus [4][Ägypten], aus
Tunesien, aus [5][Algerien] und auch aus Syrien traten militant für ihre
Rechte und Interessen ein – und die stimmen so gut wie nie mit denen
autoritärer Regime überein. Sport verlangt ja – da ist er ganz nah am
bürgerlichen Glücksversprechen –, dass alle Menschen, die dies wollen,
mitmachen können. Teilhabekämpfe im Sport sind Demokratie.
15 Jahre lang wurde hier über das Politische des Fußballs kolumnisiert. Im
nächsten Jahr mache ich mit Boxen weiter, die Kolumne wird „Linker Haken“
heißen. Das ist auch politisch. Und Kämpfe gibt’s da auch.
13 Dec 2024
## LINKS
[1] /Kolumne-Ueber-den-Ball-und-die-Welt/!t5611480
[2] /Schwerpunkt-Syrien/!t5007613
[3] /Kolumne-Ueber-Ball-und-die-Welt/!5089278
[4] /Kolumne-Ueber-Ball-und-die-Welt/!5077338
[5] /Journalist-ueber-Ultras-im-Nahen-Osten/!5008218
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Kolumne Über den Ball und die Welt
Schwerpunkt Syrien
Fußball
Fußball und Politik
Kolumne Russisch Brot
WM-Qualifikation
Fußball
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