# taz.de -- Staatssekretär Flasbarth zur COP in Baku: „Wir sind bereit, eine… | |
> Die EU und Deutschland müssten sich wegen des künftigen US-Präsidenten | |
> Trump stärker beim Klimaschutz engagieren, sagt Staatssekretär Flasbarth. | |
Bild: Umweltaktivist:innen demonstrieren während der COP29-Klimakonferenz am 2… | |
taz: Erfolg oder Misserfolg des Klimagipfels in Baku wird daran gemessen, | |
ob es 200 Staaten gelingt, sich auf ein neues globales Ziel bei der | |
Klimafinanzierung zu einigen. Könnte man die Entscheidung nicht auf | |
nächstes Jahr verschieben? Dann hätten alle mehr Zeit, um sich | |
vorzubereiten. | |
Jochen Flasbarth: Ich bin fest überzeugt, dass es wichtig ist, hier zu | |
entscheiden. Zum einen gibt es einen langjährigen Zeitplan, was auf | |
Klimakonferenzen wann beschlossen wird. Das | |
100-Milliarden-Dollar-Versprechen der klassischen Industrieländer an die | |
Entwicklungsländer reicht bis 2025. Deshalb muss man 2024 entscheiden, was | |
danach kommt. Verlässlichkeit hat im Verhandlungsprozess einen hohen Wert. | |
Zum anderen liegen alle Fakten und Positionen auf dem Tisch. Diese | |
Finanzverhandlungen wurden seit Jahren vorbereitet. | |
Hinzu kommt, dass das geopolitische Umfeld die Sache nicht leichter machen | |
wird. Ein wichtiges Land, die USA, wird absehbar weniger solidarisch sein. | |
Ob sie wieder aus dem Pariser Klimaabkommen austreten, wird man sehen. Aber | |
von der US-Regierung wird es jedenfalls ab dem nächsten Jahr keine großen | |
Impulse mehr geben. Auch deshalb sollte man die Einigung hier in Baku | |
schaffen. | |
taz: Wie würde sich die Dynamik in den Klimaverhandlungen verändern, wenn | |
die USA nicht mehr dabei sind? Die USA waren ja tendenziell immer ein Land, | |
das eher auf der Bremse stand. | |
Flasbarth: In den letzten vier Jahren haben die USA eine sehr positive | |
Rolle gespielt. Allein das bringt schon Dynamik in die Verhandlungen. Gute | |
Beschlüsse werden wir auch in Zukunft fassen. Es geht aber besser, wenn | |
alle an Bord sind und erst recht ein so großer Emittent und eine so starke | |
Volkswirtschaft wie die USA. | |
Ich will aber auch daran erinnern: [1][Eine COP] ist keine Konferenz, bei | |
der einzelne Staaten Zusagen machen, wie viel sie beitragen. Es wird ein | |
Gesamtziel für die Finanzierung geben und das ist auf 2035 ausgerichtet. | |
Bis dahin gibt es auch in den USA noch mehrere Wahlen. Deshalb schreiben | |
wir die USA nicht einfach ab. | |
taz: Wenn sich die USA zurückziehen – muss dann nicht die EU eine | |
wichtigere Rolle spielen? | |
Flasbarth: Dazu sind wir bereit. Die EU und die Mitgliedsstaaten wissen, | |
dass sie weitere Finanzierungen schultern müssen. Aber zugleich gilt, dass | |
bei der globalen Klimafinanzierung alle mitziehen müssen, die das können, | |
also auch Länder, die vor dreißig Jahren noch als Entwicklungsländer | |
galten, heute aber längst über die nötige Wirtschaftskraft verfügen. | |
Wir wollen erreichen, dass es mehr Klimafinanzierung von mehr Partnern | |
gibt. Natürlich haben wir da [2][China und die Golfstaaten im Blick], aber | |
auch die USA. Selbst wenn sie nicht mehr in dem Abkommen wären, bleiben sie | |
ein großer Emittent und finanzstark. Sie profitieren enorm von | |
Klimaschutztechnologien. Also ist es auch unabhängig von ihrer | |
Mitgliedschaft in UN-Institutionen richtig, Forderungen an die USA zu | |
stellen. | |
taz: Viele Entwicklungsländer wie die Inselstaaten oder die ärmsten Länder | |
haben ähnliche Interessen wie die EU: Sie streben eine Erweiterung des | |
Geberkreises an und wollen eine schnelle Reduktion der Emissionen. Warum | |
gelingt es dennoch nicht, diese Länder aus der Gruppe der | |
Entwicklungsländer, der G77, herauszulösen, wo Länder wie China, Indien und | |
Brasilien den Ton angeben? | |
Flasbarth: Die G77 haben lange Zeit gute Erfahrungen damit gemacht, | |
geschlossen aufzutreten, auch dann, wenn nicht alle Staaten einer Meinung | |
waren. Aber es gab schon auch andere Zeiten. Das Pariser Abkommen kam auch | |
deswegen zustande, weil sich eine Koalition aus der EU und den kleinen | |
Inselstaaten bildete. Und dann kam der Moment, als noch Brasilien und die | |
USA dazukamen. Solche Momente gab es zum Glück immer wieder – Momente, in | |
denen eine Allianz zwischen der EU und Entwicklungsländern wirklich | |
Bewegung ausgelöst hat. | |
taz: Könnte sich das in Baku wiederholen? | |
Flasbarth: Es hat hier ein sehr starkes Lebenszeichen der High Ambition | |
Coalition gegeben, also der Vorreitergruppe, die 2015 das Pariser Abkommen | |
ermöglicht hat. Der Bundeskanzler war daran auch beteiligt. Letztes Jahr in | |
Dubai konnte er dieses Signal nicht geben. Das hatte die FDP verhindert. | |
Insofern war es gut, dass der Kanzler jetzt wieder zustimmen konnte. | |
taz: In einer Welt, die immer konfrontativer wird, hoffen manche, dass die | |
Klimaverhandlungen ein Ort sein können, wo man auch andere Probleme der | |
Welt besprechen kann. Ist das zu viel verlangt? | |
Flasbarth: Klimakonferenzen darf man nicht damit überfrachten, auch noch | |
andere Probleme zu lösen. Aber ich stimme auch BDI-Geschäftsführer Holger | |
Lösch zu, der dieser Tage sagte: Lasst uns diesen Ort nicht kleinreden! Ein | |
Weltklimagipfel ist ein großer Ort: Er ist ein multilateraler Mechanismus, | |
der noch funktioniert und der gezeigt hat, dass er Ergebnisse liefern kann. | |
taz: Sie sind also optimistisch, dass man den Klimabereich abschirmen kann | |
und dieser nicht als Kollateralschaden bei der Auseinandersetzung zwischen | |
den USA und China endet? | |
Flasbarth: Das ist ja schon in der Vergangenheit bewiesen worden. Der | |
russische Angriffskrieg jährt sich in wenigen Monaten zum dritten Mal. | |
Selbst in diesen geopolitisch schwierigen Zeiten konnten multilaterale | |
Verabredungen erzielt werden. Es ist gut, wenn sich aus diesen Konferenzen | |
heraus eine eigene Kraft entwickelt, zu Ergebnissen zu kommen. Das kann | |
funktionieren. | |
taz: Erneut haben renommierte Klimaforscher und -verhandler Vorschläge zu | |
einer Reform der Gipfel gemacht. Ließen sich die Mega-Konferenzen | |
reformieren, damit sie effizienter werden? | |
Flasbarth: Diese Konferenzen sind wirklich sehr groß geworden. Ich bin | |
trotzdem dafür, an ihnen festzuhalten. Sicherlich lässt sich mehr Maß | |
halten. Ich selbst habe beim Klimagipfel 2017 mit etlichen Staaten aus | |
aller Welt diskutiert, ob man nach dem Pariser Abkommen zu einem anderen | |
Rhythmus kommen sollte. Zum Beispiel alle drei Jahre einen großen Gipfel | |
und dazwischen kleinere, eher technische Konferenzen. Appetit auf so eine | |
Veränderung hat das bei niemandem ausgelöst. | |
Dass hier große und kleine Emittenten, arme und reiche Länder, Ost und | |
West, Nord und Süd zusammenarbeiten und jeder eine Stimme hat. Dass hier | |
auch NGOs, die Wissenschaft und die Industrie dabei sind – das ist eine | |
Voraussetzung dafür, dass es am Ende auch gelingen kann. Denn es geht ja um | |
große, umwälzende Veränderungen, die für alle Gesellschaften eine riesige | |
Herausforderung sind. | |
taz: Die Welt, die Sie gerade beschrieben haben, ist sehr bunt. Es gibt | |
große und kleine Staaten, Inselstaaten, Bergländer. Aber hier in der | |
Konferenz regiert die Zweiteilung in Industriestaaten und | |
Entwicklungsländer. Macht diese Zweiteilung noch Sinn? | |
Flasbarth: Wir haben das im Pariser Abkommen aufgebrochen. Das ist der | |
große Fortschritt von 2015: Es ist das erste übergreifende, alle Staaten | |
umfassende Abkommen und insofern haben wir die Zweiteilung im Kern | |
überwunden. In der Praxis ist diese neue Welt noch nicht in allen Köpfen | |
angekommen. Aber es gibt Bewegung. | |
Letztes Jahr hat Deutschland zusammen mit den Vereinigten Arabischen | |
Emiraten den Fonds für den Umgang mit klimabedingten Verlusten und Schäden | |
gestartet, in den wir beide je 100 Millionen US-Dollar eingebracht haben. | |
Dass dieser Fonds eingerichtet wird, war eine zentrale Forderung der | |
Entwicklungsländer, die lange ignoriert worden ist. Das sind solche Punkte, | |
an denen man Bewegung anstoßen kann. Und genau darum geht es hier. [3][Wir | |
sind nicht mehr in der Welt von 1992], wo die Klimakonvention die Welt | |
zweiteilte in die Kategorien Industrie- oder Entwicklungsländer. | |
taz: Noch eine Frage zur EU. Sie ist der einzige Staatenbund bei diesen | |
Verhandlungen. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus? | |
Flasbarth: Ein Vorteil ist, dass wir auch Diversität, unterschiedliche | |
politische und kulturelle Bezüge, innerhalb Europas haben. Natürlich erhöht | |
das auch den Abstimmungsbedarf, was wiederum Zeit braucht. Aber wenn ich | |
einen Strich darunter mache, ist es auch gut für Deutschland, hier als Teil | |
einer starken EU verhandeln zu können. | |
21 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Mit-dem-Rad-zur-Klimakonferenz-nach-Baku/!6049538 | |
[2] /Neuer-Vorstoss-auf-der-UN-Klimakonferenz/!6048775 | |
[3] /Neuer-Vorstoss-auf-der-UN-Klimakonferenz/!6048775 | |
## AUTOREN | |
Christian Mihatsch | |
Jörg Staude | |
## TAGS | |
COP29: Klimakonferenz in Baku | |
Weltklimakonferenz | |
Baku | |
China | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
COP29: Klimakonferenz in Baku | |
COP29: Klimakonferenz in Baku | |
COP29: Klimakonferenz in Baku | |
COP29: Klimakonferenz in Baku | |
Kolumne Radsam zur COP | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Weltklimagipfel geht in die Verlängerung: 250-Milliarden-Dollar-Kompromiss zei… | |
Die Verhandlungen sind zäh: Es geht ums Geld. Wie viel müssen reiche Länder | |
armen Ländern in Zukunft für Klimaschutz und -anpassung zahlen? | |
Weltklimakonferenz in Baku: Das Ziel vor Augen, nur Zahlen nicht | |
Am Tag vor dem Ende des Gipfels in Aserbaidschan wird ein Beschluss | |
greifbar. Wer wieviel zahlen soll, bleibt unklar. Die EU findet das | |
„ungenügend“. | |
Neuer Vorstoß auf der UN-Klimakonferenz: Plötzlich will doch niemand reich se… | |
Die Verhandlungen auf der UN-Klimakonferenz machen langsam Fortschritte. | |
Grund ist ein Vorschlag von Nigeria und Kolumbien. | |
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz: Habeck, naiv in Baku | |
Robert Habeck bietet auf der COP Mini-Summen an. Und ausgerechnet der | |
Globale Süden soll ohne Klimageld auskommen. | |
Mit dem Rad zur Klimakonferenz nach Baku: Nie mehr ohne meinen Rückspiegel | |
Fast drei Monate hat unser Autor gebraucht, um mit dem Fahrrad zur | |
UN-Klima-COP nach Aserbaidschan zu gelangen. Nun ist er da und zieht | |
Bilanz. |