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# taz.de -- Überlastete Lehrkräfte: Brandgefährlicher Job
> Berliner Lehrer:innen sind deutlich gefährdeter stressbedingt zu
> erkranken als andere Berufsgruppen in Deutschland. Die GEW fordert
> Entlastung.
Bild: Auch wenn es mit der Digitalisierung oft hapert, ist „Digitalstress“ …
Berlin taz | Das Schlimmste sei die ewige Zerrissenheit, berichtet die
Oberschul-Lehrerin Caroline Muñoz del Rio. Neulich in einem Elterngespräch
sei eine Mutter mit Alkoholfahne aufgetaucht. „Eigentlich müsste ich mit
Eltern und Kindern sprechen. Doch dann ist der Unterricht mal wieder
schlecht vorbereitet.“ Für beides reiche die Zeit nicht.
Herz- und Kreislauferkrankungen, Burnout, Depression – übermäßiger Stress
am Arbeitsplatz kann gravierende gesundheitliche Folgen haben. Die Berliner
Lehrkräfte sind besonders stark gefährdet, warnt eine [1][am Montag
vorgestellte Studie] der Georg-August-Universität Göttingen im Auftrag der
Bildungsgewerkschaft GEW. „Die Hälfte bis zwei Drittel der Lehrkräfte
befinden sich im Bereich erhöhten Gesundheitsrisikos“, sagt Studienleiter
Frank Mußmann. [2][Angesichts der Ergebnisse fordert die GEW, die
Arbeitsbedingungen an den Schulen deutlich zu verbessern.]
In einer Online-Befragung gaben Lehrer:innen unter anderem an, wie sie
ihre eigene Gesundheit einschätzen, wie hoch sie ihre Arbeitsbelastung
empfinden, ob sie ihre Arbeit als sinnvoll empfinden und dafür angemessene
Wertschätzung erfahren. Teilgenommen haben insgesamt 2.744 Berliner
Lehrkräfte, was 7 Prozent der gesamten Belegschaft entspricht. „Das Sample
ist so groß, dass wir beinahe von repräsentativen Ergebnissen ausgehen
können“, sagt Mußmann.
Auf Grundlage der Antworten erstellten die Forscher:innen Indikatoren
wie „Wohlbefinden“, „Burnout“ und „Gratifikation“. Letzteres bezeic…
Gefühl, trotz Anstrengung die eigene Arbeit nicht mehr als lohnenswert zu
empfinden. Auch wenn die Eindrücke das persönliche Erleben widerspiegeln,
sind die Auswirkungen von subjektivem Stress auf die Gesundheit in der
Forschung ausreichend belegt.
## Zu große Klassen
„Wir sehen eine Verschlechterung in allen Indikatoren“, sagt Mußmann.
Auffällig sei der Vergleich zu anderen Berufsgruppen. So ist das
Wohlbefinden der Berliner Lehrkräfte um ein Drittel niedriger als der
bundesweite Durchschnitt aller Berufsgruppen. Die psychische Erschöpfung
(Burnout) ist um ein Fünftel höher. Besonders dramatisch sei dabei die
Situation an den Grundschulen: Nur etwa ein Viertel der Lehrer:innen
empfindet ihren Beruf dort unterm Strich als positiv.
Als Gründe für den Stress geben viele Beschäftigte eine steigende
Arbeitsbelastung an. Die Arbeitszeit von Lehrkräften wird derzeit über
sogenannte Deputatstunden geregelt, einer bestimmten Anzahl an
Unterrichtenstunden pro Woche. Die Zeit, die darüber hinaus für
Vorbereitung, Betreuung und administrative Aufgaben benötigt wird, steigt
hingegen kontinuierlich an. So gaben 46 Prozent der Lehrer:innen an, zu
viele außerunterrichtliche Aufgaben erledigen zu müssen.
Seit Jahren hat Berlin Probleme, genügend Lehrkräfte einzustellen. Infolge
steigen die Klassengrößen immer weiter an, was wiederum die
Arbeitsbelastung erhöht. „Durch Personalmangel und fehlenden Nachwuchs ist
zu erwarten, dass sich die Situation noch weiter verschlechtert“,
prognostiziert Coautor Thomas Hardwig.
Durchschnittlich lernen 22,6 Kinder in einer Berliner Schulklasse,
bundesweit sind es nur 20,9.
## Stressende Digitalisierung
Eine weitere Ursache, so die Autoren, seien die steigenden Anforderungen im
Beruf, zum Beispiel durch die Digitalisierung. „Es ist derzeit gang und
gäbe, dass Lehrer:innen doppelt planen, falls die Technik nicht
funktioniert“, sagt Gewerkschaftssekretärin Anne Albers.
So gaben 70 Prozent der Studienteilnehmer:innen an, dass sie die
Digitalisierung unter den aktuellen Rahmenbedingungen als Belastung
wahrnehmen.
Lehrerin Caroline Muñoz del Rio fühlt sich durch die Studie in ihrer
Erfahrung bestätigt. „Es ist kaum möglich meinen Job gutzumachen und dabei
gesund zu bleiben“, sagt Munoz, „Es ist ein strukturelles Problem, kein
persönliches.“
„Das Arbeitspensum muss dringend verringert werden“, fordert daher
Gewerkschaftssekretärin Anne Albers. [3][Die GEW wiederholt damit ihre
Forderung nach deutlich kleineren Klassen]. Auch [4][warnt Albers dringlich
vor Kürzungen] „Wenn man die Befunde ernst nimmt, darf man keinen Cent
kürzen, wir brauchen eher Aufwüchse im Budget“.
19 Nov 2024
## LINKS
[1] https://www.gew-berlin.de/presse/detailseite/neue-studie-zeigt-lehrkraefte-…
[2] /Bildungspolitik-in-Berlin/!6031391
[3] /Streik-der-GEW/!6012330
[4] /Plaene-der-Berliner-Bildungsverwaltung/!6012819
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