Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sportlerkarrieren und ihr drohendes Ende: Immer weiter, immer weiter
> Wann aufhören? Wenn Sportlerinnen und Sportler die eigene Eitelkeit mehr
> zwickt als die völlig ramponierten Gelenke.
Bild: Skilegende Lindsey Vonn, hier bei einer Olympia-Veranstaltung in Paris, w…
Vom amerikanischen Schriftsteller Mark Twain ist der Satz verbürgt: „Mit
dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal
geschafft.“ Vielleicht tut man gut daran, auch bei aufhörenden
Leistungssportlerinnen und -sportlern humoristische Gelassenheit zu üben.
Denn hauptberufliche Körperertüchtigung ist ähnlich wie das Rauchen dem
Reich der Süchte zuzurechnen.
Von dem Drang, Zeiten, Weiten, Punktwertungen und Treffer zu vergleichen,
kommt man ebenso wenig los wie von dem rauschhaften Adrenalinkick, den
einem nicht nur der Sport selbst, sondern auch die mit ihm verbundene
öffentliche Aufmerksamkeit beschert.
So haben dieser Tage der Fußballer Martin Hinteregger und der Boxer Felix
Sturm ihren Rücktritt vom Rücktritt bekannt gegeben. „Ich bin bereit, meine
Geschichte weiterzuschreiben“, verkündete der 45-jährige Sturm. Und
Hinteregger, eh erst zarte 32 Jahre alt, argumentierte zweieinhalb Jahre
nach seinem letzten Profispiel fast wortgleich: Ihm sei klar geworden, dass
seine Geschichte als Fußballer noch nicht zu Ende geschrieben ist.
Wann ist es wirklich Zeit, aufzuhören? Besondere Nachsicht verdient der
Boxsport mit seinen unzähligen Comebacks. Zu den Eigenheiten des
Faustkampfes zählt der Grundsatz, immer wieder aufzustehen und eben nie
aufzuhören. So ließ sich der 58-jährige [1][Mike Tyson kürzlich nicht lange
bitten], für einen Showkampf wieder in den Ring zu steigen.
## Weiter mit künstlichem Gelenk
Dass die eigene Eitelkeit viel mehr zwickt als all die
Altersverschleißerscheinungen und ramponierten Gelenke und Bänder ist nur
die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite ist zu beachten: Die
Wiederauferstehung alter Zeiten lässt sich bestens vermarkten. Der
Wintersport genießt gerade besondere Aufmerksamkeit, weil sich zwei ihrer
Legenden nun wieder die Hänge hinunter schwingen. Der achtmalige
Gesamtweltcupsieger und siebenmalige [2][Weltmeister Marcel Hirscher], 35,
ist nach fünfjähriger Abstinenz zurück. Auch wenn er bei den letzten
beiden Rennen der Weltspitze weit hinterherfuhr, zählt er zu den
Meistbeachteten. Sollte dazu die 40-jährige Lindsey Vonn nach gar fast
sechsjähriger Pause wie geplant Mitte Dezember in den Weltcup einsteigen,
dürften die Einschaltquoten weiter in die Höhe schnellen.
Ihre Entscheidung fällt völlig aus dem gewöhnlichen Rahmen, sie weist
jedoch auf eine interessante Entwicklung hin. Vonn, die ihr rechtes
Kniegelenk während ihrer Karriere komplett ruiniert hat, will nun mit einem
künstlichen Gelenk Geschichte schreiben. Aus heutiger medizinischer Sicht
ist das schierer Wahnsinn, weil die Haltbarkeit solcher Knieprothesen schon
im Alltag begrenzt ist. Orthopäden bezeichnen den Entschluss als
unverantwortlich. Vermutlich vertraut sie auf den Fortschritt der Medizin.
Die Medizin vor sportliche Herausforderungen zu stellen, das ist ohnehin
das Ansinnen einiger libertärer Tech-Milliardäre wie dem Paypal-Begründer
Peter Thiel. Ihnen schwebt ein Sport der Zukunft vor, der nicht von
Dopingregeln oder Alterszipperlein beschränkt wird. Als Gegenmodell zu den
Olympischen Spielen propagieren sie die [3][Einführung der Enhanced Games]
(„die verbesserten Spiele“).
Mediziner sollen versuchsweise am lebenden Objekt „Sportler“
Maximierungspotenziale ausschöpfen. Auf dieser Grundlage soll auch die
Anti-Aging-Medizin revolutioniert werden. Die eigene Vergänglichkeit ist
die größte Sorge dieser Milliardäre. Die Bereitschaft von Lindsey Vonn, die
Qualität von Knieprothesen einem Leistungssporttest zu unterziehen, findet
gewiss ihren Beifall.
30 Nov 2024
## LINKS
[1] /Comeback-von-Mike-Tyson/!6045924
[2] /Ski-Weltcup-in-Soelden/!6042490
[3] /Dopingspiele-als-Gegenmodell/!5994422
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Karriere
Ruhestand
Kolumne leibesübung*innen
Skisport
Ski Alpin
DFB Team Frauen
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Comeback von Lindsey Vonn: „Das war nur der Anfang“
Die einstige Olympiasiegerin Vonn, 40, kehrt sechs Jahre nach ihrem
Karriereende wieder in den Weltcup zurück und fährt ein glänzendes
Super-G-Rennen.
Risiken des alpinen Skisports: Operation Berühmtheit
Mikaela Shiffrin will trotz Verletzung ihren 100. Weltcup-Sieg. Die Zwänge
des Sportbusiness besiegen alle Zweifel, die ihr der Körper anzeigt.
Comeback von Skistar Lindsey Vonn: Zurück im Kampf am Limit
Vor fünf Jahren beendete die 40-jährige Lindsey Vonn ihre Karriere. Jetzt
plant sie mit einem teils künstlichen Knie ein Comeback im Ski-Weltcup.
Abschiedsspiel von Alexandra Popp: Ringen um Sauberkeit
Während Alexandra Popp das DFB-Team beim 1:2 gegen Australien verlässt,
macht sich Bundestrainer Christian Wück Sorgen um die Stabilität des Teams.
Abschied von EM-Oldies: Merci, chéri!
Für einige alte Herren war es wohl die letzte Europameisterschaft. Wir
verabschieden fünf von ihnen.
Karriereende von Toni Kroos: Relaisstation und Seidenfuß
Toni Kroos ist ein Spielgestalter. Zum Hype der Fußballscheinwelt hält er
Distanz. Nun soll er zum Karriereende den EM-Titel ins Land holen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.