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# taz.de -- Comeback von Skistar Lindsey Vonn: Zurück im Kampf am Limit
> Vor fünf Jahren beendete die 40-jährige Lindsey Vonn ihre Karriere. Jetzt
> plant sie mit einem teils künstlichen Knie ein Comeback im Ski-Weltcup.
Bild: Wieder voll auf Speed: Lindsey Vonn bei einem Abfahrtsrennen am 11. Dez…
Vor ein paar Tagen hatte Lindsey Vonn wieder einmal etwas zu sagen. Sie saß
mit weißer Kappe des Sponsors vor einer Kamera und erzählte von ihrem Weg
zurück zur alpinen Skirennläuferin. „Es sei „bisher eine unglaubliche
Reise“, so die 40-Jährige, aber „kein leichter Prozess“.
Die FIS-Rennen zuletzt in Copper Mountain, die sie neben der Wildcard
benötigte, um überhaupt im Weltcup starten zu dürfen, waren ebenso Thema
wie Beaver Creek. Dort will sie an diesem Wochenende bei der Abfahrt und
beim Super-G der Frauen als Vorläuferin dabei sein. Sie redete über ihr
skifahrerisches Niveau („Ich muss nur noch ein paar Dinge verbessern“) und
davon, dass sie Schritt für Schritt vorgehe. „Langsam, aber sicher.“
Für jemanden wie Lindsey Vonn, die aus fast jedem Auftritt eine Show macht,
war dieser Post auf Instagram erstaunlich sachlich und – auch das ist nicht
unbedingt typisch für die Amerikanerin – fast schon zurückhaltend. Mit
ihrer Ankündigung, [1][fast sechs Jahre nach ihrem letzten Skirennen,] bei
dem sie in Åre noch einmal WM-Bronze in der Abfahrt gewonnen hatte,
zurückzukehren, hatte sie im Herbst für das gesorgt, was sie am liebsten
hat: Aufmerksamkeit, Wirbel um ihre Person.
Weil sie im Gegensatz zum [2][anderen Rückkehrer, Marcel Hirscher,] im
Herbst noch am Anfang ihres Weges stand, drehte sich erst einmal alles mehr
um den Österreicher. Der ist mittlerweile aber schon wieder weg, nach einem
Kreuzbandriss. Bühne frei also für Lindsey Vonn, für die
Abfahrts-Olympiasiegerin von 2010, zweifache Weltmeisterin und viermalige
Gesamtweltcup-Gewinnerin. Wenn sie so weit sei, sagte sie, werde sie an
einem Weltcuprennen teilnehmen. Vielleicht schon am kommenden Wochenende
in St. Moritz.
Vonns Rückkehr sorgt für Diskussionen. Anders als Hirscher hatte sie einst
nicht ganz freiwillig aufgehört. Nach mehreren schweren Knieverletzungen
musste sie einsehen, dass es keinen Sinn mehr hat. [3][Damals, 2019 in
Åre], haderte sie mit der Entscheidung, die nicht ihr Kopf traf, sondern
ihr Körper. „Ein Leben ohne schnelles Skifahren“, ohne Skirennen, sagte sie
damals. „das ist kein schöner Gedanke.“ Und weil das lädierte Knie Vonn
auch hinterher, im täglichen Leben, Probleme bereitete, weitere Operationen
keine Besserung brachten, entschied sie sich im vergangenen Frühjahr für
einen in ihrem Alter radikalen Eingriff. Gemeinhin wird bei Vonn von einem
künstlichen Kniegelenk, das sie sich habe einsetzen lassen, gesprochen,
allerdings handelt es sich nur um einen Gelenkflächenersatz. „Das ist nicht
mit einer normalen Knieprothese zu vergleichen“, sagt Ernst-Otto Münch.
## „Nicht klug“
Der Orthopäde und Knie-Spezialist aus Garmisch-Partenkirchen war über 30
Jahren Mannschaftsarzt beim Deutschen Skiverband, hat mehr als 20.000 Knie
operiert und ist noch immer gut vernetzt mit den derzeit führenden
Kniespezialisten, weshalb er auch die Röntgenbilder von Vonns Knie nach der
OP im April gesehen hat. Wenn der Knorpel im äußeren Gelenkabschnitt so
kaputt ist, wie es bei der Amerikanerin der Fall gewesen war, dann, erklärt
Münch, „erhält die verschlissene Fläche einen Überzug, so, wie wenn man
einen Zahn überkront“.
Damit Ski zu fahren, auch Skirennen, hält Münch aus medizinischer Sicht
nicht für gefährlich oder verantwortungslos. „Diese künstliche Komponente�…
könne nicht brechen, im Gegensatz zu einer kompletten Prothese im Knie.
„Aber bei übermäßiger Beanspruchung, besteht eine gewisse Gefahr, dass das
Ganze locker wird.“ Für Münch spielt bei der Risikobewertung die fehlende
Rennpraxis eine größere Rolle, vor allem in den schnellen Disziplinen.
„Klug ist das mit Sicherheit nicht.“
Ehemalige Kollegen sehen das ähnlich. Die Doppel-Olympiasiegerin von Turin,
Michaela Dorfmeister aus Österreich hält es sogar für „brandgefährlich“,
dass Vonn wieder Skirennen fahren will. „Das ist Spitzensport und keine
Spaßveranstaltung“, wurde sie in den Medien ihrer Heimat zitiert.
Viktoria Rebensburg, Riesenslalom-Olympiasiegerin von 2010 aus Kreuth am
Tegernsee, hat zwar „größten Respekt“ vor Vonns Entscheidung. Aber:
„Gerade im Speed-Bereich erfordert es enorm viel Überwindung und Mut,
besonders wenn man eine längere Pause hinter sich hat und die hohen
Geschwindigkeiten und Belastungen nicht mehr gewohnt ist“, sagte sie bei
Eurosport. Und selbst Felix Neureuther, der vor der Saison ein Comeback von
Vonn ins Spiel gebracht hatte, noch ehe sie es selbst verkündete, ist
skeptisch. In Abfahrt und Super-G „geht es um ein bisschen mehr als rot,
blau und da irgendwie technisch sauber durchzufahren“, sagte der mehrfache
Medaillengewinner im Slalom. Bei fast allen aber schwingt auch ein bisschen
Bewunderung mit.
## Vielversprechende Testfahrten
Vonn hatte stets das Limit ausgereizt. Lange war das gut gegangen, aber
nach der Rückkehr von ihrer ersten großen Verletzung 2013 bei der WM in
Schladming schien ihr der Erfolg wichtiger zu sein, als die Gesundheit.
Immer häufiger krachte sie in Fangzäune, weil sie die Grenzen überschritt.
Es war die Phase, in der sie ahnte, dass ihr Körper bald streiken würde,
aber sich vor dem fürchtete, was danach kommen wird. Sie machte damals
öffentlich, dass sie an Depressionen leidet.
Ihr früherer Trainer Martin Hager hat in diesem Herbst ihre
Leistungsüberprüfung betreut und festgestellt, dass ihre Tests „schon
vielversprechend“ waren, wie er in einem Interview der Süddeutschen Zeitung
verriet. Der Österreicher traut Vonn zu, wieder ganz vorne mitzumischen und
bei den Olympischen Spielen 2026 eine Medaille zu holen – wenn sie gesund
bleibt. Es komme ihr „eine unglaubliche Erfahrung“ in den Speed-Disziplinen
zugute. „Was viele andere nicht haben, sind ihre genialen Gleitfähigkeiten.
Und sie kennt alle wichtigen Strecken dieser Welt in- und auswendig“, sagte
er. Aber Hager räumt auch ein, dass sie „noch ein bisschen“ brauchen werde.
Sie müsse sich Zeit lassen, ist sein Rat. Auch wenn das bei ihr nicht so
einfach sei. „Sie hat wenig Geduld.“
Skifahren war immer die große Leidenschaft von Lindsey Vonn, ihr
Lebensinhalt. Wieder das Adrenalin zu spüren, wenn sie mit 100
Stundenkilometer die Pisten hinunterstürzt, ist die eine große Triebfeder.
Die andere, vielleicht noch entscheidendere, ist die Rückkehr in die
Öffentlichkeit. Lindsey Vonn braucht Aufmerksamkeit, Bestätigung – auch
wenn sie selbst einmal wenig glaubhaft erklärte, dass sie gut darauf
verzichten könne, der Star zu sein. Und das scheint sie in ihrem
Privatleben, ihrem Leben nach der Skikarriere nicht oder nicht ausreichend
bekommen zu haben.
Sie gehörte zu den vielen Leistungssportlern, die sich nicht oder nur
ungenügend auf das Leben nach der Karriere vorbereitet haben – und deshalb
erst einmal eine große Leere spüren, wenn die Routine weg ist, aber auch
die Bewunderung und das Rampenlicht. Vonn versuchte dies aufzufangen, in
dem sie ihr Privatleben ausführlich in den sozialen Medien breittrat. Die
Beziehung mit dem Eishockeyspieler P. K. Subban, die Verlobung und dann die
Trennung, zum Beispiel. Nicht immer war es geschmackvoll, was sie da
veröffentlichte, manchmal auch sehr, sehr privat, wie Bilder ihrer an ALS
leidenden Mutter, die im Sommer 2022 starb.
## Nicht befriedigende Glamourauftritte
Gewiss, Vonn hatte und hat einige Werbepartner und immer wieder
Glamourauftritte, aber das war offensichtlich zu wenig. Maria Höfl-Riesch,
einst gute Freundin aber auch große Rivalin, fühlte sich da besser
vorbereitet auf das Karriereende. Die dreimalige Olympiasiegerin hatte den
Zeitpunkt ihres Abschieds bewusst gewählt, mit 29, nach Gold in Sotschi
2014 und dem Gewinn der kleinen Kristallkugel für die beste Abfahrerin der
Saison. „Da ich zum Schluss noch mal so erfolgreich war, hatte ich viele
Möglichkeiten. Direkt danach hatte ich genug zu tun. Ich hatte nicht die
Zeit, in ein Loch zu fallen“, sagte sie vor Kurzem in einem Interview mit
web.de.
Der Übergang, findet sie, ist ihr dank einiger Werbedeals und der Aufgabe
als Fernsehexpertin ganz gut gelungen. Mittlerweile hat sie ihr Portfolio
erweitert, baut „das Thema Keynotes und Vorträge“ aus, wie sie erzählte.
Trotz der Trennung von Marcus Höfl nach 13 Ehejahren im August scheint sie
gefestigt. „Natürlich musste ich mich daran gewöhnen, dass Erfolg nicht
mehr so messbar war.“ Aber das zu lernen, gehöre dazu nach dem
Karriereende, findet sie.
Vor einem guten Jahr verschwendete Lindsey Vonn noch keinen Gedanken daran,
sich noch einmal den Rennanzug anzuziehen und die Rennski anzuschnallen.
Nein, dazu sei sie schon zu lange raus. Außerdem: „Ich stehe im Leben“,
sagte sie damals. Jetzt steht sie bald wieder am Start eines Skirennens.
Weil das ihr Leben ist.
13 Dec 2024
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## AUTOREN
Elisabeth Schlammerl
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