# taz.de -- NS-Zwangsarbeit auf Sportanlagen: Fußballplätze des Gedenkens | |
> Das NS-Regime ließ vielfach Zwangsarbeit auf Sportanlagen verrichten. | |
> Eine bemerkenswerte Website markiert diese Orte des Verbrechens. | |
Bild: Auf der Anlage des SV Ahlem 08 in Hannover erhalten jüdische und polnisc… | |
Berlin taz | Die Zahl von 170 Fußballplätzen sei groß, sagt Julian Krings, | |
aber „da sind längst nicht alle Standorte verzeichnet“. Krings ist | |
Historiker und zusammen mit Tina Schröter und Bastian Satthoff hat er zwei | |
Jahre lang zu „Fußballplätze und Zwangsarbeit“ geforscht. Es geht etwa um | |
Sportarenen, [1][in denen das NS-Regime Zwangsarbeit verrichten ließ]. | |
Meist mussten die Menschen für die Rüstungsindustrie arbeiten. Eingerichtet | |
wurden die Orte vor allem ab den Jahren 1942/1943, aber: „Vereinzelt gab es | |
auch schon Plätze, die ab 1939 für Zwangsarbeit genutzt wurden“, wie | |
Bastian Satthoff berichtet. | |
Herausgekommen bei der Recherche ist eine bemerkenswerte Website | |
([2][www.jubel-unrecht.de]), deren Launch am Mittwoch in Berlin vorgestellt | |
wurde. „Orte des Jubels“ und „Orte des Unrechts“, diese Titel erscheine… | |
Wechsel, wenn man die Website aufruft. | |
Das Thema wirkt immer noch recht ungewöhnlich, schließlich ist es nicht nur | |
die offizielle Geschichtswissenschaft in Deutschland gewesen, die sich | |
jahrzehntelang nicht mit Fußball beschäftigt hat. Auch der offizielle Sport | |
hat Informationen [3][zu seiner Verwicklung in Krieg und Holocaust] an sich | |
abperlen lassen. „Immer wurde so getan, dass der NS den Sport | |
instrumentalisierte, als habe der Sport damit nichts zu tun“, sagte | |
Veronika Springmann. Dagegen hält die Leiterin des Sportmuseums Berlin, | |
dass es ein „aktives Dabeisein des Sports“ gab. | |
Ein geschichtswissenschaftlich vergleichsweise neues Thema wie dieses | |
bietet auch Chancen. Das Team von Krings, Satthoff und Schröter hat von | |
Beginn an auf Partizipation der User und Userinnen gesetzt. Wer | |
Informationen hat, auch wenn sie sich nur auf Details beziehen, kann sie | |
auf der Website teilen. Viel Material liegt zu teils bekannten Stadien vor, | |
etwa zum Volksparkstadion des Hamburger SV, wo ab 1943 italienische | |
Zwangsarbeiter geknechtet wurden. | |
## Engagement für die Erinnerung | |
Die Einladung an Fans kleiner und großer Vereine, ihr Wissen zu teilen, hat | |
zur Folge, dass es auch „Grenz- und Verdachtsfälle“ gibt, wie Julian Krings | |
sagt. Fälle also, bei denen es Recherchebedarf gibt. | |
Auch Vereine machen mit, zumindest teilweise. Das Team berichtete etwa von | |
guter Zusammenarbeit mit dem Hamburger Klub SC Teutonia 10 und auch mit dem | |
[4][VfL Osnabrück]. Nicht nur der Verein, auch eine Gruppe von VfL-Ultras | |
sammelte etwa Geld für eine Gedenkstätte. | |
In Osnabrück liegt in gewisser Weise der Anfang des Forschungsinteresses. | |
Als für den VfL ein neuer Standort für die Jugendarbeit erschlossen werden | |
sollte, stießen Fans, der Klub und Historiker darauf, dass genau dies | |
früher ein Ort der Zwangsarbeit war. | |
„Historisches Vorwissen ist nicht erforderlich“, erklärt Michael Gander von | |
der [5][Gedenkstätte Gestapokeller und Augustaschacht in Osnabrück]. | |
Vielmehr lädt dieser Onlineauftritt erst einmal zur Beschäftigung mit dem | |
Thema ein. Das Format ermöglicht es, historische Dokumente zu präsentieren, | |
Zeitzeugen-Interviews werden etwa via künstlicher Intelligenz | |
eingesprochen, mit der Bildsprache der Graphic Novel werden die | |
historischen Abläufe visualisiert, und dann ist da noch Alma. | |
Mit Push-up-Nachrichten führt die fiktive Person die Kommunikation, gibt | |
Usern und Userinnen Aufgaben, etwa Fotos zu suchen, und vor allem gibt sie | |
auf konkrete Fragen fundierte Antworten. | |
## Leerstellen der Erinnerung | |
Zugleich verhehlen die Macher und Macherinnen keineswegs, dass vieles an | |
Wissen zu ihrem Thema noch nicht gestemmt wurde. Nicht nur der | |
Öffentlichkeit ist vieles noch unbekannt, sondern auch der | |
Geschichtswissenschaft und den Vereinsarchivaren, die es in fast jedem Klub | |
gibt. | |
Und genau hier soll die Form Website eine Chance sein. Michael Gander, der | |
sich in Osnabrück schon lange mit dem Thema beschäftigt hat, meint, der | |
Onlineauftritt sei eine Chance, die Ergebnisse zu veröffentlichen. Zudem | |
bietet er die Chance, nicht nur ein Feedback zu bekommen, sondern auch die | |
Expertise von Fans zu nutzen. | |
Wenn das Konzept funktioniert, sind auf diese innovative Weise weitere und | |
vertiefende Projekte denkbar. „Sportstätten als Verbrechensorte“ nennt | |
Michael Gander als Beispiel. Das hat es nicht nur in Deutschland gegeben, | |
sondern etwa auch in von Deutschland besetzten Ländern, den Niederlanden | |
oder Polen. Historisch ist es weitergegangen, wie sogenannte Folterstadien | |
in Chile oder Argentinien eindrücklich zeigen. | |
27 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Zwangsarbeit-und-Fussball/!6023165 | |
[2] http://www.jubel-unrecht.de | |
[3] /Fussball-in-der-NS-Zeit/!6020629 | |
[4] /VfL-Osnabrueck/!t5066493 | |
[5] https://gedenkstaetten-augustaschacht-osnabrueck.de/ | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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