| # taz.de -- Vergewaltigungen in Frankreich: Höchststrafe gefordert – was den… | |
| > In Frankreich fordert die Staatsanwaltschaft im Vergewaltigungsprozess | |
| > von Avignon die höchstmögliche Strafe von 20 Jahren Haft für den | |
| > Ex-Ehemann. | |
| Bild: Protest in Paris am Sonntag gegen Gewalt gegen Frauen: Das Plakat „Schn… | |
| Paris taz | Die 72-jährige Gisèle Pelicot ist laut den französischen Medien | |
| zu einer „Ikone“ des Kampfs gegen sexuelle Gewalt geworden. Als Opfer von | |
| vermutlich mehr als 200 Vergewaltigungen hat sie öffentliche Verhandlungen | |
| verlangt, damit die Welt nicht länger die Augen vor den Verbrechen in einer | |
| Ehe verschließen kann. | |
| „Die Scham muss die Seite wechseln“, hat Pelicot mit Erfolg gewünscht. | |
| [1][Nicht das Opfer müsse sich schämen, es ist an den Tätern, ihre Schuld | |
| einzugestehen]. Bis zu diesem [2][Prozess] hatte die Öffentlichkeit – nicht | |
| nur in Frankreich – das Phänomen der Vergewaltigungen unter Drogen | |
| verdrängt oder unterschätzt. | |
| Ihr Mann Dominique, ein vermeintlicher Mustergatte, hatte sie über Jahre | |
| mit Medikamenten betäubt und so sexuell missbraucht, aber sie auch vielen | |
| übers Internet kontaktierten Männern zur Vergewaltigung überlassen und dies | |
| gefilmt. | |
| 50 von ihnen konnten identifiziert werden, sie sitzen seit September neben | |
| Pelicot auf der Anklagebank. Am Montag erfolgten die ersten Strafanträge | |
| der Kläger, danach erhält die Verteidigung das Wort, das Urteil wird kurz | |
| vor Weihnachten erwartet. | |
| ## Die Forderung der Staatsanwaltschaft überrascht nicht | |
| Dass Staatsanwalt Jean-François Mayet vor dem Gericht in Avignon gegen | |
| Dominique Pelicot 20 Jahre Haft gefordert hat, war keine Überraschung. Das | |
| ist nach französischem Gesetz das Maximum, das die öffentlichen Kläger | |
| gegen den Hauptangeklagten in diesem außergewöhnlichen | |
| Vergewaltigungsprozess beantragen konnten. | |
| Pelicot hatte sich selber als „Vergewaltiger“ bezeichnet und schon beim | |
| Prozessbeginn im September sowohl seine Schuld als auch das Ausmaß seiner | |
| kriminellen Perversität gestanden: „Ich bin schuldig für alles, was ich | |
| getan habe. (…) Ich habe alles vermasselt, alles verloren. Ich muss dafür | |
| bezahlen.“ Diese nach Reue klingenden Worte sind für die Anklage aber kein | |
| Grund, ihm jetzt irgendwelche mildernden Umstände zu gewähren. | |
| Die Höchststrafe also. Wäre etwas anderes überhaupt denkbar, dazu | |
| ausgerechnet an diesem 25. November, dem weltweiten Tag des Kampfs gegen | |
| Gewalt gegen Frauen? Die zweite Vertreterin der öffentlichen Anklage, | |
| Staatsanwältin Laure Chabaud, antwortete im Voraus auf mögliche Einwände: | |
| „20 Jahre, das ist einerseits viel, weil es ungeachtet des Alters 20 Jahre | |
| eines Lebens sind. Es ist zugleich viel und zu wenig. Zu wenig angesichts | |
| der begangenen und wiederholt begangenen schweren Verbrechen.“ | |
| Dasselbe trifft für die Mitangeklagten zu, die ebenfalls mit langen | |
| Haftstrafen rechnen müssen. Chabaud machte klar: „Im Jahr 2024 kann niemand | |
| mehr sagen: ‚Sie hat nichts gesagt, also war sie einverstanden.‘“ Keiner | |
| der 51 Angeklagten habe die „fehlende Zustimmung“ des Opfers übersehen | |
| können. | |
| ## Keine Sicherheitsverwahrung beantragt | |
| Erstaunen könnte hingegen, dass die Staatsanwaltschaft in ihrem Strafantrag | |
| nicht auch eine für schwere Verbrechen als Schutz der Gesellschaft | |
| vorgesehene Sicherheitsverwahrung von bis zu drei Dritteln der Haftstrafe | |
| verlangt. Dem Gericht steht es jedoch völlig frei, gegen Pelicot – und auch | |
| gegen einige seiner insgesamt 50 Mitangeklagten – zusätzlich zur | |
| Gefängnisstrafe eine solche Maßnahme anzuordnen. | |
| Neben dem Gerichtsurteil soll dieser Prozess aber auch Folgen haben. Die | |
| Regierung hat unter dem Druck dieses Falls angeordnet, dass in Zukunft | |
| Opfer gleich nach der Untersuchung in einem von fast 400 Krankenhäusern | |
| Klage gegen ihre Angreifer einreichen können, was gerade im Fall von | |
| Betäubung wichtig erscheint. | |
| Derzeit reichen in Frankreich nur etwa 6 Prozent der Opfer sexueller | |
| Aggressionen Klage ein und 86 Prozent der Verfahren werden ohne weitere | |
| Untersuchung eingestellt. | |
| 25 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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