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# taz.de -- Messerangriffe und Amokfahrten: Gewalttaten in China nehmen zu
> Am Samstag kam es erneut zu einem Amoklauf. Die vermehrte Gewalt wird in
> den chinesischen sozialen Medien auch mit der Wirtschaftslage in
> Verbindung gebracht.
Bild: Trauer in Zhuhai: Ein Autofahrer fuhr seinen Wagen absichtlich in eine Me…
Seoul taz | Erneut ist es in China zu einem mutmaßlichen Amoklauf gekommen.
Am Samstagabend erstach ein 21-Jähriger im ostchinesischen Wuxi mindestens
acht Menschen und verletzte 17 weitere. Der Täter soll der Absolvent einer
Berufsschule sein, der aus Frust über eine nicht bestandene Diplomprüfung
an seinen ehemaligen Campus zurückkehrt sei, um dort größtmögliches Leid zu
verursachen.
Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben der Sicherheitsbehörden
nicht. Doch ist bemerkenswert, dass sie überhaupt ein Tatmotiv angeben.
Denn in ähnlichen Fällen [1][löschte die Zensur nicht nur alle
Informationen aus den sozialen Medien], sondern verpasste auch den
traditionellen Medien einen Maulkorb – wohl auch aus Angst vor Nachahmern.
Der tragischste Fall ereignete sich am Montag vor einer Woche im
südchinesischen Zhuhai: Dort raste ein 62-Jähriger mit seinem Auto in eine
Menschenmenge und tötete 35 Personen und verletzte 43 Personen. Chinas
Medien konnten erst einen Tag verspätet darüber berichten – und nur auf
Grundlage des offiziellen Polizeiberichts. Dieser enthielt jedoch durchaus
fragliche Informationen.
## Fokus auf persönliche Schicksalsschläge
So soll der Täter angeblich aus Frust über die Vermögensaufteilung bei
seiner Scheidung gehandelt haben. Dies ist erstaunlich, da sich die
Autoritäten in vergleichbaren Fällen mit eiligen Schlussfolgerungen
zurückhalten – und der Täter selbst konnte nicht mehr befragt werden, da er
nach der Tat wegen eines Suizidversuchs im Koma lag.
Den Fokus auf persönliche Schicksalsschläge zu legen, ist von den Behörden
sogar gewollt, um die soziale Stabilität nicht zu gefährden. Denn in der
Bevölkerung werden durchaus strukturelle Zusammenhänge der scheinbar
willkürlichen Gewaltakte unter dem Schlagwort „Rache an der Gesellschaft
nehmen“ debattiert. Und diese Rachetaten häuften sich im Zuge der
angespannten wirtschaftlichen Lage.
„Wenn es einen Mangel an Arbeitsplatzsicherheit und einen enormen
Überlebensdruck gibt, dann ist die Gesellschaft voller Probleme,
Feindseligkeit und Terror“, hieß es in einem Kommentar in den sozialen
Medien. Ein anderer User schrieb nach der Tragödie von Zhuhai: „Wir sollten
die tief verwurzelten, sozialen Faktoren untersuchen, die so viele wahllose
Angriffe auf die Schwachen in der Gesellschaft begünstigt haben.“
## Vermehrt Gewalttaten im öffentlichen Raum
Die Gewalttaten im öffentlichen Raum haben in den letzten Wochen
zugenommen: Im Oktober griff ein Mann in einer Pekinger Schule mehrere
Kinder mit einem Messer an und verletzte fünf Personen. Einen Monat zuvor
waren drei Personen bei einem Messerangriff in einem Schanghaier Supermarkt
gestorben. Und immer wieder rasen Autofahrer scheinbar wahllos in
Menschenmengen.
Der Großteil der Fälle kommt jedoch wegen der Zensur nie in die
Schlagzeilen. Dass die internationale Öffentlichkeit überhaupt davon
erfährt, ist chinesischen Aktivisten zu verdanken, die blitzschnell
Smartphone-Aufnahmen der Zeugen archivieren und auf X publizieren.
Die Tragödien deuten daraufhin, dass es in China unter der
gesellschaftlichen Oberfläche stärker brodelt, als es die Zensur unter
Verschluss halten kann. Hinter jeder Tat mag ein persönliches Schicksal
stehen, doch zusammengenommen können die Fälle nicht losgelöst von der
[2][wirtschaftlichen Situation] betrachtet werden – etwa der
Rekordjugendarbeitslosigkeit.
## Mutmaßlich Taten aus Fremdenhass
Nicht selten richten sich die willkürlichen Racheakte auch gezielt gegen
Ausländer. Im Juni wurden etwa mehrere Dozenten einer US-Universität im
Nordosten Chinas von einem Mann in einem Park mit einer Stichwaffe
verletzt. Im selben Monat kam es zu einem Angriff auf eine Japanerin und
deren Kind im ostchinesischen Suzhou. Und [3][im September erstach ein Mann
einen japanischen Schüler] im südchinesischen Shenzhen.
Auch wenn jene Taten mutmaßlich aus Fremdenhass begangen wurden, haben sich
die öffentlichen Sicherheitsorgane nicht zu den Motiven der Täter geäußert
– sondern wochenlang auf laufende Ermittlungen verwiesen. Das lässt tief in
den Umgang der Behörden mit kritischen Informationen blicken: Diese werden
nämlich immer nur dann rasch veröffentlicht, wenn sie auch politisch genehm
sind.
19 Nov 2024
## LINKS
[1] /Presse-in-China/!5996085
[2] /EU-Zoelle-auf-chinesische-E-Autos/!6042797
[3] /Japanischer-Schueler-in-China-angegriffen/!6037740
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Zensur
Amoklauf
Gewalt
Messerattacke
Social-Auswahl
Handelskrieg
China
Schwerpunkt Pressefreiheit
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