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# taz.de -- Deutsch-indische Beziehungen: Mit Großaufgebot nach Delhi
> Bei ihrer Indien-Reise versuchen der Kanzler, wichtige
> Kabinettsmitglieder und Firmenvertreter, die deutsche Abhängigkeit von
> China zu reduzieren.
Bild: Blick über die Dächer von Delhi
Delhi taz | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert
Habeck (Grüne) werden ab Donnerstag im Vorfeld zur Asien-Pazifik-Konferenz
der Deutschen Wirtschaft und ab Freitag zu deutsch-indischen
Regierungskonsultationen in Delhi erwartet. „Indien ist ein zentraler
Partner der deutschen Wirtschaft im Indopazifik und spielt eine maßgebliche
Rolle für die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft“, erklärte Habeck,
der auch Vizekanzler ist.
Auf der Agenda stehen der Abbau kritischer Abhängigkeiten und die Stärkung
der Widerstandsfähigkeit deutscher Unternehmen und ihrer Lieferketten von
und nach Asien. Ein weiterer Schwerpunkt ist die klima- und
energiepolitische Zusammenarbeit, etwa in Form einer Roadmap zu grünem
Wasserstoff.
Am Freitag werden Scholz und Indiens Premier Narendra Modi, der derzeit
noch beim [1][Brics-Gipfel im russischen Kasan] weilt, über eine stärkere
Zusammenarbeit bei Sicherheit und [2][Verteidigung], der Mobilität von
Fachkräften, in der Wirtschaft und bei strategischen Technologien sprechen.
Schon im Jahr 2000 hatten Deutschland und Indien eine strategische
Partnerschaft vereinbart. Der bilaterale Handel erreichte 2023 einen
Rekordwert von über 30 Milliarden Euro. Im Vergleich zum
deutsch-chinesischen Handelsvolumen von 254 Milliarden Euro ist er aber
noch gering.
## Indien: Deutschland hat sich zu sehr auf China konzentriert
Deutschland hat sich auch aus Sicht Indiens in den letzten Jahrzehnten zu
stark auf China konzentriert. Zunehmend wird Indien aber als zentraler
Partner deutscher und europäischer Außenpolitik im Indopazifik und als
Gegengewicht zur Volksrepublik gesehen.
Das zeigt auch das erst vor wenigen Tage veröffentlichte [3][Länderpapier
„Fokus auf Indien“ des Auswärtigen Amtes]. In ihm werden die Klimakrise und
-sicherheit sowie ein Abkommen zur gegenseitigen logistischen Unterstützung
der Streitkräfte angesprochen. Deutschland will sich von China unabhängiger
machen und Indien seit dem Ukrainekrieg von Russland.
Dieses Ziel verfolgt Berlin auch auf militärpolitischer Ebene. Indien
wünscht Erleichterungen bei der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern, die
sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, sowie weitere
Rüstungskooperationen.
Der politische Beobachter [4][Chilamkuri Raja Mohan] begrüßt, dass
Deutschland Indiens wachsende Bedeutung wahrnimmt, und hofft, dass der
Kanzlerbesuch sich auch positiv auf die Beziehungen zwischen der EU und
Indien auswirkt. Brüssel verhandelt seit Jahren über ein
Freihandelsabkommen.
## Gemeinsame Interessen bei Fachkräften und Klimapolitik
„Die aktuellen Entwicklungen bei der Zusammenarbeit in den Bereichen
Fachkräftezuwanderung und Klimapolitik zeigen, dass es viele Themen gibt,
bei denen Deutschland und Indien gemeinsame Interessen haben“, sagt Tobias
Scholz von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der taz. Die
Regierungschefs wären ohne die wahrgenommenen Bedrohungen durch China und
Russland aber wohl weniger entschlossen, vermutet der Indien-Experte. Der
Erfolg hänge dabei aber nicht nur von den Regierungen ab.
Bei dem jetzigen deutschen Großaufgebot sieht der Unternehmensberater Mike
D. Batra die Chance, dass Indien in Deutschland stärker in den Fokus rückt.
„Einige Mittelständler sind schon lange in Indien aktiv, insgesamt sind es
fast 2.000 Unternehmen im Land“, sagt er.
Dennoch sieht er Nachholbedarf, das Potenzial sei groß: „Indien wurde lange
vernachlässigt.“ Dabei habe sich einiges verändert: „Mehr indische
Hersteller können konstant bessere Qualität liefern, was vor fünf bis zehn
Jahren noch anders war.“ Dazu komme, dass seine Kunden in Deutschland
teilweise keine Arbeitskräfte finden und es nicht nur um günstigere Lohn-
oder Energiekosten gehe. Daher verwundet es nicht, dass auch
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mitreist.
„Vor 20 Jahren waren die Verbindungen deutscher Unternehmen nach Indien vor
allem auf die IT-Branche und Gießereien beschränkt“, sagt Batra. Nun würden
Elektronikproduktion, Automobilzulieferung, Maschinenbau oder Rohstoffe
interessanter.
## Berater: Geopolitik hat Indien interessanter gemacht
„Indiens Wirtschaft wächst stabil um sechs bis sieben Prozent, und die
geopolitische Lage hat Indien zudem in den Fokus gerückt“, so Batra, der in
Deutschland und Indien aufgewachsen ist. Doch wer in Indien erfolgreich
sein wolle, müsse Ausdauer und Verständnis für den Markt dort mitbringen:
„Wer vor Ort neue Produkte für Schwellenländer entwickelt und sich auf den
Binnenmarkt einstellt, hat die besten Erfolgschancen.“
Nimmt die Bundesregierung für gute Beziehungen zu Delhi die
Vernachlässigung von Menschenrechtsfragen in Kauf? Die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) fordert vom Kanzler, sich gegen eine Aushöhlung des
Arbeitsrechts gegen Zwangsarbeit in Indien einzusetzen. „Es kann nicht
sein, dass Deutschland beide Augen zudrückt“, heißt es in einem Brief an
Scholz.
24 Oct 2024
## LINKS
[1] https://tuttle.taz.de/Brics-Gipfel-in-Russland/!6041439&s
[2] https://tuttle.taz.de/Bundesluftwaffe-trainiert-in-Indien/!6026680&s
[3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/asien/fokus-auf-indien/268…
[4] https://indianexpress.com/article/opinion/columns/c-raja-mohan-writes-in-ge…
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Olaf Scholz
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China
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