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# taz.de -- Fangquoten in der Ostsee: Kampf um die Sprotte
> Mit den neuen Quoten sind weder Umweltschützer:innen noch
> Fischer:innen glücklich. Derweil stirbt die Ostsee weiter.
Bild: Sprotten essen ist auch nicht mehr so harmlos wie es mal war
Hamburg taz | Die Fischbestände der Ostsee [1][leiden schon lange]. Wegen
Überfischung, Nährstoff- und Sauerstoffmangel gehen sie zurück. Diese Woche
wurden die neuen EU-Fangquoten für die Ostsee [2][festgelegt].
Umweltverbände sehen die neuen Vorgaben kritisch und auch Fischer:innen
haben damit ihre Probleme.
Die neuen Fangquoten sind für die meisten Fischsorten gesunken, so dürfen
beispielsweise 22 Prozent weniger Dorsch als Beifang gefischt werden und
auch deutlich weniger Sprotten als im vorherigen Jahr. Die Quote für Hering
in der zentralen Ostsee wurde dagegen verdoppelt. Auch die kleine
Küstenfischerei darf weiterhin in begrenztem Maße Hering in der westlichen
Ostsee fangen.
Philipp Kanstinger vom WWF kritisiert besonders die Quoten für die
sogenannten Futterfische: Diese müssen in Massen vorliegen, damit andere
Fische, Robben und Vögel genug zum Fressen haben. Die Quoten bei den
Futterfischen seien zu hoch, um den Bestand langfristig zu sichern, sagt
Kanstinger.
Die Ostsee sei ohnehin schon „ein unglaublich beschädigtes Meer“, so der
WWF-Experte, es gehe um mehr als nur um Überfischung. Die Ostsee stehe in
Gefahr, „zu einem Friedhof zu verkommen“. Kanstinger plädiert für ein
„Ecosystem-based Management“, bei dem nicht einzelne Bestände beobachtet
werden, sondern das gesamte Ökosystem.
## Schutzgebiete notwendig
Für die Erholung der Ostsee seien [3][Schutzgebiete notwendig], in denen
nicht gefischt werden darf. Die Fangquoten sollten auch nicht bis an die
Grenze ausgereizt werden, und die Kontrollen müssten strenger werden.
Auch die Deutsche Umwelthilfe fordert eine bessere Kontrolle der Fischerei.
Außerdem müsse auch die Belastung durch den Eintrag von Nährstoffen aus der
Landwirtschaft verringert werden. Dadurch entstehen beispielsweise
Sauerstofflöcher im Wasser, die den Lebewesen in der Ostsee zu schaffen
machen.
Philipp Kanstinger kritisiert auch die Fischereiindustrie: Diese gebe
falsche Zahlen an, um die Beifangquote niedrig zu halten, zudem würden
Beifänge stellenweise tot zurück ins Meer geworfen. Hierin sieht der
WWF-Experte ein großes Problem, das durch strengere Kontrollen gelöst
werden müsse. Denn sobald ein Bestand den „Tipping Point“ erreiche, werde
eine Reparatur des Schadens unglaublich schwierig.
Aber auch der Fischereiverband [4][meldet Kritik an]. Die Beifangquoten
seien so niedrig, das die Grenzen schnell erreicht würden, das gefährde die
Fischereibetriebe in ihrer Existenz. Wenn kein Beifang mehr gefischt werden
dürfe, könnten auch die Fische, auf die es die Fischer:innen eigentlich
abgesehen haben, nicht mehr gefischt werden, da immer die Gefahr bestehe,
dass die geschützte Art als Beifang mit ins Netz komme.
## Kormorane fressen mit
Die EU-Quoten sind jedoch nicht das größte Problem der Fischindustrie. Bei
der Berechnung der Fangquoten werde vergessen, dass auch Robben und
Kormorane sich an den Fischbeständen bedienen, sagt Peter Breckling vom
Deutschen Fischereiverband. Dadurch stimme die Bestandsmodellierung nicht,
er plädiert daher für ein anderes „Bestandsmanagement“, schließlich seien
die Kormorane ja nicht mehr geschützt.
Den Vorwurf, dass der Wegfraß durch andere Tiere nicht mit eingerechnet
wird, weist Christopher Zimmermann [5][vom Thünen-Institut für
Ostseefischerei] zurück. Die Berechnungsmodelle berücksichtigten den
Wegfrass sehr wohl, allerdings basierten diese Rechnungen auf Annahmen und
könnten sich noch ändern, sagt Zimmermann, dessen Institut die Politik bei
der Festlegung der Quoten berät.
Ein weiteres Problem kommt aus Russland, das ja auch an die Ostsee grenzt.
Die Bestände, die von der EU geschützt werden, wie die der Sprotte, werden
dort vermehrt gefischt. Dadurch werden zu viele Fische gefangen, um den
Bestand aufrechtzuerhalten.
Es herrscht wenig Einigkeit über die Zukunft der Ostsee-Fischerei. Einig
sind sich die Akteure höchstens darin, dass der Schutz und die Regeneration
der Ostsee eine wichtiges Ziel in der Zukunft ist.
25 Oct 2024
## LINKS
[1] /Bestaende-zu-optimistisch-eingeschaetzt/!6029806
[2] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/116-ostseefischer…
[3] /Zukunft-der-Ostsee/!5996361
[4] https://www.deutscher-fischerei-verband.de/downloads/Pressemitteilung_22.10…
[5] https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/ostseefischerei
## AUTOREN
Frida Schubert
## TAGS
Ostsee
Fangquoten
Überfischung
Beifang
Fischerei
Ostsee
Fischerei
Schwerpunkt Klimawandel
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