# taz.de -- Berlins erster „Wolkenkratzer“: Magische Marke ohne Kiezanschlu… | |
> Der Estrel-Tower ist der erste „Wolkenkratzer“ der Hauptstadt. Mit dem | |
> umgebenden Neuköllner Kiez ist er kaum verbunden. | |
Bild: Eigentlich ganz schön – im richtigen Licht betrachtet jedenfalls | |
Berlin taz | Vor ein paar Wochen, die magische Marke war noch nicht | |
erreicht, trat der Autor dieser Zeilen abends vor seine Neuköllner Haustür | |
und wurde von einem Bild unerwarteter urbaner Schönheit überwältigt: In die | |
letzte Abendsonne über den dunkelnden Rixdorfer Straßen erhob sich ein | |
orange glühender Monolith, der – als wäre das noch nicht genug – von einem | |
blassen Regenbogen umkränzt wurde. | |
Die magische Marke beträgt 150 Meter, vor Kurzem hat der Rohbau des | |
Estrel-Towers an der Sonnenallee sie gerissen. Alles, was höher ist, aber | |
kein Funk- oder Aussichtsturm, gilt gemeinhin (also laut Wikipedia) als | |
„Wolkenkratzer“, diese auf deutschen Pragmatismus heruntergebrochene | |
Übersetzung des englischen „Himmelskratzers“ (skyscraper). | |
Im medialen Schatten des [1][Friedrichshainer Amazon-Towers (142 Meter)] | |
ist das Gebäude an der Sonnenallee, das der Westerwälder Unternehmer | |
Ekkehard Streletzki („E-Strel“) als Erweiterung seines 1994 eröffneten, | |
hässlichen Riesenhotels gleich gegenüber bauen lässt, zu imposanten | |
Dimensionen herangewachsen. Ende Dezember soll die finale Höhe von 176 | |
Metern erreicht sein, wodurch der grünlich-silberne Riese den düsteren | |
Kasten an der Warschauer Brücke um eine Hochhaus-Höhe überragen wird: | |
[2][Laut Definition des Senats] ist ein Gebäude ab 35 Metern ein „Berliner | |
Hochhaus“. | |
Im Weltmaßstab ist der Estrel-Tower mit seinen 45 Stockwerken natürlich ein | |
Zwerg – man müsste es fünfmal übereinanderstapeln, um die 828 Meter des | |
Burjh Khalifa in Dubai zu erreichen – auch wenn der Rekordhalter nur bis | |
zur Höhe von 584 Metern bewohnbar ist. Für das flache Berlin, dessen einzig | |
wirklich relevante landmark auf Dauer der DDR-Fernsehturm bleiben wird, ist | |
das trotzdem beachtlich. | |
Das Neuköllner Lebensgefühl ändert der künftige Hotel- und Büroturm schon | |
jetzt auf eine diffuse Weise: Plötzlich gibt es einen Orientierungspunkt, | |
der zum Teil selbst aus großer Entfernung sichtbar ist. Schaut man etwa vom | |
Hermannplatz die Karl-Marx-Straße hinunter, thront das Ding genau am Ende | |
der Häuserschlucht. | |
## Perfekte Location | |
Irgendwie weltstädtisch, irgendwie aber auch nicht. Schließlich steht der | |
Tower, anders als die Amazon-Konkurrenz, nicht mitten im Kiez, sondern, | |
diesem quasi enthoben, hinter S-Bahn-Ring und Kanal – exakt an einer der | |
künftigen neuen A-100-Auffahrten. Die Location mit Autobahn- und somit | |
Flughafenanschluss, das muss man Streletzki lassen, ist perfekt, um | |
stangenweise Geld zu machen. | |
Das orange Glühen dauerte nur kurz, mit Sonnenuntergang fiel der Turm in | |
Dunkelheit. In einem Jahr werden ganz oben in der „Sky Lounge“ die | |
Champagnergläser funkeln. Unten im Kiez gibt’s weiter Falafel und Sterni – | |
vorläufig jedenfalls. | |
7 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Demonstration-gegen-Amazon-Tower/!5975466 | |
[2] https://www.berlin.de/sen/stadtentwicklung/planung/hochhausleitbild/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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