# taz.de -- Deutsche Meisterschaft der Zauberkunst: „Zauberer wollen Staunmom… | |
> Die Zauberkünstler Daniel Mayer und Toby Rudolph über jahrelanges Üben, | |
> die Kunst des Gedankenlesens und den Mangel an Zauberkünstlerinnen. | |
Bild: Hochgelobt auch von den Kollegen: die Zauberkünstler Siegfried und Joy b… | |
taz: Herr Mayer, nehmen Sie auch selbst teil an der Deutschen Meisterschaft | |
der Zauberkunst? | |
Daniel Mayer: Nein, ich richte die aus – da kann ich nicht auch bewertet | |
werden, das wäre ja Wettbewerbsverzerrung. | |
taz: Muss man jeden Tag trainieren, um da mitmachen zu können? | |
Mayer: Es gibt durchaus Nummern, die man jeden Tag trainieren muss. Es gibt | |
auch Nummern, die über Monate wachsen und nach zwei, drei Jahren fertig | |
sind. | |
taz: Gibt es, wie im Eislauf, bestimmte definierte Elemente, also eine Art | |
dreifacher Rittberger, an denen man sich abarbeitet? | |
Mayer: Es gibt klassische Dinge, die in der heutigen Zeit dann | |
aufgepäppelt, also technisch verändert werden. Wenn man zum Beispiel den | |
Zauberer Simon Pierro nimmt, der aus einem Ipad Bier zapft, das gab es | |
früher nicht. | |
taz: Wenn man sich das Programm des Zauberkongresses anschaut, gibt es eine | |
Bandbreite von Zaubergenres, von allgemeiner Magie über Manipulation zu | |
mentaler Magie. Was unterscheidet die voneinander? | |
Mayer: Bei der mentalen Magie weiß der Magier, was der andere denkt. Bei | |
Manipulation hat man zum Beispiel Karten oder Bälle, die sich vermehren, | |
die erscheinen und wieder weg sind. Da geht es viel um Fingerfertigkeit. | |
Bei mentaler Zauberei ist es viel Lernen, viel Menschenkenntnis. Da muss | |
man nichts haben, keinen großen Bühnenaufbau, vielleicht mal einen Stift. | |
Als Manipulator ist man vollgepackt mit Utensilien. | |
taz: Als ich das Programm angeguckt habe, ist mir aufgefallen, dass wenig | |
Frauen dabei sind. Woran liegt das? | |
Mayer: Das kann ich Ihnen nicht sagen – soll ich vielleicht eine Frau | |
fragen, die hier in der Nähe ist … Hier ist zumindest ein Kollege, Toby | |
Rudolph … | |
Toby Rudolph: Das ist eine sehr gute Frage, und wir finden das alle | |
ziemlich schade. Ich glaube, es liegt ein bisschen daran, wie wir uns | |
Zauberei beibringen. Meistens treffen sich die Zaubervereine in einer | |
Kneipe und es sind Männer über 60. Es gibt seit 30 Jahren Workshops in | |
Jugendherbergen mit 120 Leuten – das ist noch recht jung im Verhältnis zum | |
Magischen Zirkel, dem nationalen Verband, der schon über 100 Jahre alt ist. | |
Hinzu kommt [1][eine patriarchale Seite]. | |
taz: Nämlich? | |
Rudolph: Wenn man in eine Bar kommt, in der gezaubert wird, dann sind | |
Männer immer schnell dabei: „Ich beeindrucke euch mal“. [2][Frauen sind ja | |
dann oft immer noch zurückhaltender]. Und hinzu kommt noch, es ist ein sehr | |
fingerfertiges Hobby, sehr nerdig. Und ich bin ja keine junge Frau, aber | |
ich vermute, dass man mit 16 Jahren nicht unbedingt megakrass auffallen | |
will. Wir haben das mit unserer Jugendgruppe so erlebt, dass viele Mädchen | |
mit 12 angefangen und dann mit 16, 18 aufgehört haben und danach nie wieder | |
Zugang gefunden haben. | |
taz: Wie läuft es denn grundsätzlich mit dem Nachwuchs? | |
Rudolph: Die Jugendarbeit hängt oft an den einzelnen Ortsverbänden, und die | |
geben da unterschiedlich viel Motivation rein. Deutschlandweit ist es | |
eigentlich in ganz guten Händen, aber man merkt schon, dass sich Gruppen | |
übers Internet bilden und gar nicht mehr Zugang zum Magischen Zirkel haben, | |
was sehr schade ist. Zaubern ist eine Livekunst, die kann man nicht aus dem | |
Internet lernen. Du musst irgendwann auf einen echten Zauberer treffen. | |
taz: Profitiert denn die Zauberei von der Harry-Potter-Generation? | |
Rudolph: Oh, sehr, das hat eine ganze Generation an Menschen stark | |
beeinflusst. Es ist aber auch begrenzt. Ich habe eine Nummer, wo ich immer | |
frage: Wer hat Harry Potter gelesen? Und in meinem Publikum, das sehr jung | |
ist, ist es maximal ein Drittel. Und ja, das hat tatsächlich sehr viel | |
Interesse an der Zauberei gefördert. Harry Potter hat dazu beigetragen, | |
dass sich die Leute der Zauberei öffnen, einer kindlichen Welt, die ein | |
Staunen hat, was sehr angenehm ist, und im Verhältnis zur Comedy sehr | |
unterrepräsentiert. Viele Leute können sich gar nicht vorstellen, wie geil | |
Zaubershows sind. | |
taz: Nein? | |
Rudolph: Nein. Aber wenn sie sie dann sehen, finden sie es total super und | |
kommen immer wieder. Ein Beispiel: [3][Siegfried und Joy, mit dem goldenen | |
Tuch …] | |
taz: …hinter dem Joy verschwindet… | |
Mayer: … das sind ja richtig gute Zauberer. Der eine von den beiden ist | |
sogar deutscher Jugendmeister gewesen. Die sind richtig gut, das weiß aber | |
niemand. Alle gehen in die Show in der Erwartung, einen witzigen Abend zu | |
haben, und werden dann von einer richtigen Zauberhow überrascht. | |
taz: Das heißt, die Leute suchen eigentlich Komik? | |
Mayer: Genau. Niemand hat auf seinem Abendprogramm: Wir gehen jetzt in eine | |
magische Zaubershow. Sondern: Wir gehen jetzt mal in ein witziges | |
Mixprogramm. Und da ist dann ein Zauberer, der richtig gut ist und das kann | |
auch krass sein und man weiß nicht, wie es geht. Es ist kein blöder Trick, | |
es ist keine Frage, es ist nicht dieses Bevormundende: Ihr wisst nicht, wie | |
es geht, hahaha. Die meisten Zauberer sind mittlerweile sehr von ihrem Ego | |
weg und teilen eher die schöne Kunst und wollen diese Staunmomente. Und das | |
kann dann sehr schön sein. | |
12 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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