# taz.de -- Erste Feuerprobe für Frankreichs Premier: Barnier übersteht Misst… | |
> Die linke Opposition wollte die neue französische Regierung mit einem | |
> Misstrauensantrag stürzen. Dieser erste Versuch ist gescheitert. | |
Bild: Noch mal davongekommen: Michel Barnier am Dienstag in der Nationalversamm… | |
Paris taz | Der von der linken Neuen Volksfront (NFP) eingereichte | |
Misstrauensantrag hat nach einer Debatte am Dienstagabend die Stimmen von | |
197 Abgeordneten erhalten. Die übrigen der insgesamt 577 Mitglieder der | |
französischen Nationalversammlung enthielten sich der Stimme. | |
Der Versuch, [1][die Regierung nur wenige Tage nach ihrer Konstituierung | |
gleich zu stürzen], gilt damit als gescheitert. Mindestens 289 Abgeordnete | |
hätten für den Misstrauensantrag gegen die Regierung von Premierminister | |
Michel Barnier stimmen müssen. | |
Nur die 192 Abgeordneten der NFP (Sozialisten, Grüne, Kommunisten und La | |
France insoumise) und eine Handvoll Mitglieder der Fraktion der | |
Unabhängigen (LIOT) unterstützten diesen ersten frontalen Angriff, der nach | |
einhelliger Meinung im Voraus zum Scheitern verurteilt war. | |
Denn die rechte Opposition, Marine Le Pens Rassemblement National und die | |
mit ihnen verbündeten Rechtskonservativen von Eric Ciotti, hatten | |
angekündigt, dass sie der Regierung Barnier unter gewissen Bedingungen | |
zunächst eine Chance geben würden. Die nationalistischen Rechten hielten | |
sich an diese Linie und nahmen wie die Abgeordneten der Regierungskoalition | |
aus Macronisten und Konservativen nicht an der Abstimmung teil. | |
## Missachtung der Wahlergebnisse | |
Mit ihrem Antrag und der Vertrauensabstimmung wollte die linke Opposition | |
noch einmal grundsätzlich beanstanden, dass Staatspräsident Emmanuel Macron | |
nach den Wahlen die Verantwortung für die Regierungsbildung nicht der | |
republikanischen Tradition folgend dem linken Block übergeben hatte. Dieser | |
war als stärkste Kraft in die Nationalversammlung eingezogen. | |
[2][Stattdessen erhielt Michel Barnier den Zuschlag], ein Vertreter der | |
kleinen konservativen Partei Les Républicains. Für die Linke bleibt das ein | |
Problem der Legitimität und stellt für sie eine Missachtung der | |
Wahlergebnisse dar. Der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, sprach | |
von einem politischen „Hold-up“. | |
Der erfolglose Antrag ist in gewisser Weise kontraproduktiv, denn diese | |
Abstimmung belegt arithmetisch, dass Barnier zumindest über eine passive | |
Mehrheit verfügt, die bereit ist, ihn regieren zu lassen. Dass die extreme | |
Rechte ein wesentlicher und für die Regierung unverzichtbarer Bestandteil | |
dieser schweigenden Mehrheit ist, wird von einem Teil der Macronisten als | |
beschämend empfunden. | |
Zwei ihrer Abgeordneten sind bereits aus der Fraktion ausgetreten, weil sie | |
nicht akzeptieren wollen, dass ihre relativ schwache Regierung sich den | |
Fortbestand mit Zugeständnissen bei den Rechtsnationalen des RN und mit | |
anderen politischen Verrenkungen erkaufen muss. Sie kritisieren vor allem | |
die Äußerungen des neuen Innenministers Bruno Retailleau, der mit seiner | |
Sicherheitspolitik auf derselben Wellenlänge wie der RN ist. | |
Premierminister Barnier fühlt sich legitimiert. Auf die Kritik von links | |
antwortete er: „Niemand hier hat eine absolute Mehrheit. (…) Und von den | |
relativen Mehrheiten, die ich konstatiere, ist die relative Mehrheit, die | |
unsere Regierung begleitet, die am wenigsten relative …“ Er kann deswegen | |
nicht aufatmen. Falls sich bei einem späteren Votum die Stimmen von links | |
und ganz rechts gegen ihn addieren, sind seine Tage als Premier gezählt. | |
9 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Frankreichs-neue-Regierung-steht/!6037954 | |
[2] /Neue-Regierung-in-Frankreich/!6037965 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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