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# taz.de -- Menschenrechtsaktivist Ildar Dadin tot: Mann mit Prinzipien
> Der russische Menschenrechtsaktivist Ildar Dadin hat in der Ukraine an
> der Seite Kyjiws gekämpft. Jetzt wurde er im Gebiet Charkiw getötet.
Bild: Der russische Aktivist Ildar Dadin im Februar 2018 in Moskau
Kyjiw taz | Der russische Menschenrechts- und Demokratieaktivist Ildar
Dadin ist tot. Der 42-Jährige mit abgebrochenem Metallurgiestudium, der
drei Jahre in russischen Gefängnissen gesessen, dort Folter erlebt und
dokumentiert hatte, ist offenbar bei Kämpfen in dem ostukrainischen Gebiet
Charkiw ums Leben gekommen.
Dies berichtet der russische Oppositionelle Ilja Ponomarew, ehemaliger
Abgeordneter der russischen Staatsduma, der seit 2014 in der Ukraine lebt,
gegenüber ukrainischen Medien. Die genauen Umstände des Todes von Dadin,
der auf ukrainischer Seite gegen die russischen Truppen gekämpft hatte,
sind bislang nicht bekannt.
In jungen Jahren war Dadin nach eigenen Angaben lange Zeit ein
unpolitischer Bürger gewesen. Politisiert wurde der junge Mann, der bis
2010 als Wachmann in der russischen Stadt Schlesnodoroschni im Großraum
Moskau gearbeitet hatte, durch die russischen Wahlen, genauer gesagt durch
das, was die russischen Machthaber als solche bezeichnen.
Aufgebracht durch die massiven Wahlfälschungen Ende 2011 hatte er sich
entschieden, selbst Wahlbeobachter zu werden. Bei den russischen
Präsidentschaftswahlen von 2012 war er Mitglied des Wahlkampfteams des
Kandidaten und Oligarchen Michail Prochorow. Dadins häufige
Protestaktionen, die er meist alleine in Form von Mahnwachen abhielt, waren
den Machthabern zunehmend ein Dorn im Auge.
## Drei Jahre Haft
Schließlich wurde gegen ihn ein Verfahren nach Artikel 212.1 des
Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation eingeleitet. Dieses erst im Juli
2014 verabschiedete Gesetz sieht Gefängnisstrafen für wiederholte Verstöße
gegen die Regeln für Straßenaktionen vor. Dadin war der erste, der auf der
Grundlage dieses Gesetzes zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Im Dezember
2015 verurteilte ein Moskauer Gericht Dadin zu drei Jahren Haft.
Im September 2016 ging einer seiner Briefe an seine Frau durch die
Weltpresse. [1][In diesem Schreiben hatte er von Folter in einer
Strafkolonie in Karelien berichtet]. So sei er von einem Dutzend Personen
gleichzeitig geschlagen worden. Dabei habe man seinen Kopf in eine
Toilette gedrückt, ihn mit Handschellen gefesselt aufgehängt und ihm mit
Vergewaltigung gedroht.
Ein Wendepunkt in seinem Leben war der Beginn des russischen
Angriffskrieges gegen die Ukraine. Im März 2022 reiste er über Polen in die
Ukraine und schloss sich dort der ukrainischen Armee an. Dort gab er sich
aus Respekt für Mahatma Gandhi den Kampfnamen „Gandhi“.
Dennoch blieb er ein Anhänger des militärischen Kampfes. In einem Interview
mit dem oppositionellen russischen Medium Mediazona sagte er, er sei
„eigentlich gegen Gewalt“, sehe aber im Moment keinen Sinn in einem
gewaltlosen Widerstand gegen das Putin-Regime.
## Letzte Botschaft
„Ich muss mich den Verbrechen Russlands entgegenstellen“, sagte Dadin in
dem Interview. „Dazu gehören Mord, Folter, Vergewaltigung und Raub. Die
extremste Art, einen Mörder zu stoppen, ist, den Mörder zu töten. Wenn ich
die Massenmorde nicht stoppe, werde ich zu ihrem Komplizen.“
In der Nowaja Gazeta Europe findet sich die letzte Botschaft, die Dadin der
Redaktion übermittelt hatte: „Das Wichtigste ist, dass ich ein Mensch war
und immer noch bin, dass ich nach meinem Gewissen gehandelt habe und
handle. Alles andere ist zweitrangig.“
8 Oct 2024
## LINKS
[1] /Folter-in-Russland/!5354257
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russische Opposition
Menschenrechte
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