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# taz.de -- Gewerbefläche gegen Vereinsspenden: Ein Bürgermeister unter Korru…
> Ein Logistikunternehmen soll von der Stadt Wilhelmshaven ein Grundstück
> bekommen. Im Gegenzug verspricht es Sozialsponsoring.
Bild: Investition in Wilhelmshaven geplant: Firma Mosolf
Bremen taz | Wenn am Mittwoch der Rat der Stadt Wilhelmshaven tagt, dann
hat er eine Wahl. Entschieden werden soll darüber, ob und wie ein
Gewerbegrundstück in der Nähe des Jade-Weser-Ports an die Firma Mosolf
vergeben wird: Soll es verkauft werden, für insgesamt 1,2 Millionen Euro?
Oder soll es per Erbpacht vergeben werden, für insgesamt 3,3 Millionen Euro
über 30 Jahre – um dann an die Gemeinde zurückzufallen?
Dass es diese Wahl gibt, ist neu. Bisher stand nur der Verkauf des
Grundstücks im Raum. Ob bei der Anbahnung dieses Geschäfts durch die Stadt
alles mit rechten Dingen zuging, wird gerade von der Staatsanwaltschaft
Osnabrück untersucht: Im Raum steht der Verdacht auf Korruption.
Erstmals aufgefallen war das Geschäft Andreas Tönjes von der Satirepartei
„Die Partei“, Sprecher der Gruppe „Die Bunten“ im Rat der Stadt
Wilhelmshaven. „Ich fand es seltsam, dass die Fläche für 35 Euro den
Quadratmeter weggehen sollte“, sagt Tönjes. Schließlich lag die betroffene
Fläche direkt neben dem Jade-Weser-Port mit einem Bodenrichtwert von 60
Euro – und erst kurz zuvor hatte der Stadtbaurat klargestellt, dass es dort
keine verfügbaren Flächen mehr gäbe.
Für die Firma Mosolf ist die Fläche essenziell: Das Logistikunternehmen
möchte Autos vom Jade-Weser-Port aus verschiffen, schon seit 2019 gibt es
erste Pläne dafür. Entstehen soll auf dem betroffenen 44.000 Quadratmeter
großen Areal und einer weiteren benachbarten Fläche ein mit Solarmodulen
überdachter Parkplatz für die Neu- und Gebrauchtwagen.
## Ein illegales Kopplungsgeschäft?
Die Firma Mosolf hatte sich selbst und ihr Vorhaben am 1. Oktober im
Wirtschaftsausschuss vorgestellt: Kennzahlen des Unternehmens, das geplante
gesellschaftliche Engagement des Unternehmens in Wilhelmshaven.
Über das könnten Mosolf und der Oberbürgermeister nun stolpern. Fünf
Vereine aus Wilhelmshaven werden in der Präsentation der Firma
herausgehoben, die man alljährlich mit insgesamt 50.000 Euro sponsern wolle
– fünf Jahre lang. Die Absichtserklärung konkretisiert dies bereits mit
genauen Summen für die einzelnen Projekte und endet mit dem denkwürdigen
Satz: „Das Sozialsponsoring ist gebunden an den Abschluss der laufenden
Verkaufsverhandlungen.“
Tönjes sieht darin ein illegales Kopplungsgeschäft. Allein ist er damit
nicht: Nach der Sitzung des Wirtschaftsausschusses hat auch die Stadt die
Formulierung geprüft – mit dem Ergebnis, dass das vorgesehene Sponsoring in
der beschriebenen Form unzulässig ist.
Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen Korruption
gegen den parteilosen Oberbürgermeister Carsten Feist – denn er hatte der
Firma die Vereine vorgeschlagen, die vom Sponsoring profitieren sollten:
der Wilhelmshavener Handballverein, die Kinderfeuerwehr,
Freizeitbeschäftigung für Kinder und kulturelle Bildung in der
Weihnachtszeit.
## Bürgermeister weist Vorwürfe von sich
„Es gibt regelmäßig seit vielen Jahren Anfragen von Firmen, die in
Wilhelmshaven ehrenamtliche Arbeit finanziell unterstützen möchten“,
erklärt der Oberbürgermeister dazu. „Im Fall der Mosolf Port Logistics &
Services GmbH habe ich sechs unterschiedliche Projekte der Firma
vorgeschlagen“, sagt Feist. Das sei übliche Praxis; die Entscheidung, ob
tatsächlich gespendet wird, obliege immer und ausschließlich dem Spender.
„Eine Kopplung an andere Rechtsgeschäfte mit potenziellen Spenden wird
immer und in aller Deutlichkeit kategorisch ausgeschlossen.“
Nun ist die Kopplung allerdings Teil der Absichtserklärung; auch der
Zeitpunkt des geplanten Sponsorings ist auffällig. Die Firma Mosolf ist mit
einem kleinen Team bereits seit zwei Jahren in Wilhelmshaven tätig. Die
Firma äußert sich am Dienstag nicht dazu, warum sie ausgerechnet während
der laufenden Verhandlungen zum Grundstückserwerb entschieden habe, in
Wilhelmshaven ins Sponsoring einzusteigen.
Gegenüber der Nordwest Zeitung hatte Oberbürgermeister Feist erklärt, der
Vorwurf der Korruption sei „offensichtlich rein politisch motiviert“. Der
[1][gängige Begriff der Korruption] beinhalte das Motiv schließlich einer
persönlichen Bereicherung. Das stimmt so nicht: Auch wenn sich ein
Amtsträger einen Vorteil für Dritte versprechen lässt, spricht man von
Vorteilsnahme. Anders als bei Bestechlichkeit ist es für diesen
Korruptionstatbestand gar nicht vonnöten, dass die eigentliche
Gegenleistung rechtswidrig ist.
Im Raum steht die Frage, ob die veranschlagten 35 Euro überhaupt eine
Begünstigung für die Firma Mosolf darstellten. Die Pressestelle des
Oberbürgermeisters weist diesen Vorwurf entschieden zurück: Das Gebiet habe
man als Stadt noch nicht aktiv vermarktet, die Firma Mosolf habe aber
konkret nach dem Grundstück gefragt. Bei der Preisermittlung habe sich die
Stadt an den Bodenrichtwerten und einem Verkehrswertgutachten für die
umliegenden Grundstücke orientiert.
Für Tönjes liegt darin ein Widerspruch zu einer Aussage des Mosolf-Chefs
aus dem Wirtschaftsausschuss. Der habe dort, so erinnert sich das
Ratsmitglied, auf Nachfrage angegeben, dass er von der Stadt aufgefordert
worden war, selbst einen Preis zu nennen.
Tönjes geht davon aus, dass die Stadt ihre Pflicht verletzt habe, den
wahren Wert des Grundstücks zu ermitteln – etwa über ein
Wettbewerbsverfahren. Schließlich zeige nicht zuletzt das neue, verbesserte
Angebot für eine Erbpacht, das an diesem Mittwoch im Rat verhandelt wird,
dass es von Anfang an einigen Spielraum bei der Preisgestaltung hätte geben
können – schließlich kann über die Erbpacht über die Jahre fast dreimal so
viel Geld eingenommen werden, wie über den Verkauf – und das, ohne das
Grundstück dauerhaft zu verlieren.
23 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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