# taz.de -- Urteil nach 50 Jahren: Zehn Jahre Haft für Stasi-Mord | |
> Nach heimtückischem Mord am DDR-Grenzübergang wird der angeklagte | |
> 80-jährige Martin A. zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Revision ist | |
> noch möglich. | |
Bild: Der Angeklagte Martin A. im Kammergericht | |
Berlin taz | 50 Jahre sind die tödlichen Schüsse auf den Polen Czesław | |
Kukucka mittlerweile her. Am Montag wurde der Schütze vom Kriminalgericht | |
Moabit verurteilt. Der heute 80-jährige Martin A. aus Leipzig bekam eine | |
Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Die Verkündung des Urteils nahm der | |
Ex-Stasi-Offizier reglos hin. | |
Martin A. hatte Kukucka [1][am 29. März 1974 am ehemaligen | |
DDR-Grenzübergang am Bahnhof Friedrichstraße aus einem Hinterhalt | |
erschossen]. Der damals 30-Jährige war zu dem Zeitpunkt Mitglied einer | |
Operativgruppe der Stasi zur Überwachung und Kontrolle des Reiseverkehrs | |
und hatte den Befehl erhalten, den Polen „unschädlich“ zu machen. Dieser | |
hatte zuvor versucht, die Ausreise aus der DDR mit einer Bombenattrappe zu | |
erzwingen. Die Stasi ging zum Schein auf seine Forderung ein, stellte ihm | |
die erforderlichen Papiere aus und begleitete ihn bis zum Grenzübergang – | |
wo er durch Martin A. erschossen wurde. | |
## Am Ende der Befehlskette | |
Der Vorsitzende Richter Bernd Miczajka betonte zunächst, dass der | |
Angeklagte am Ende einer Befehlskette gestanden habe. Weiter stellte er | |
fest, dass die Tat ein Resultat konspirativen Zusammenwirkens war. | |
Dass der Angeklagte die Tat begangen hat, stützte das Gericht wesentlich | |
auf einen nach der Tat verliehenen „Kampforden in Bronze“ sowie auf die | |
Aussagen zweier westdeutscher Schülerinnen, die zufällig Zeuginnen der Tat | |
wurden. Zwar erhielten auch andere mutmaßlich Beteiligte Orden, allerdings | |
wurde nur in der Auszeichnung des damaligen Oberleutnants A. ausdrücklich | |
erwähnt, dass dieser eine Schusswaffe gebraucht habe. | |
Dass Martin A. heimtückisch gehandelt hat, machte Richter Miczajka | |
insbesondere an dem Verhalten des Opfers fest. Laut den Zeuginnen hatte der | |
Pole bereits sämtliche Grenzkontrollen passiert. Ihm waren die | |
erforderlichen Dokumente ausgehändigt worden und er war kurz davor, die | |
Grenze zu überqueren – Richter Miczaijka sprach von einer regelrechten | |
„Einlullung“ durch die Stasi. Der Schuss in den Rücken erfolgte somit für | |
den Polen vollkommen unerwartet. | |
## Urteil noch nicht rechtskräftig | |
Es ist nicht das erste Mal, dass im Kriminalgericht Moabit ein | |
spektakulärer Prozess zur Aufklärung von DDR-Verbrechen stattfindet. | |
[2][Anfang der 90er Jahre stand hier der ehemalige Staatschef der DDR, | |
Erich Honecker, vor Gericht.] Das Urteil vom Montag wird vermutlich das | |
letzte gegen ein Mitglied der Stasi sein. Der Prozess wurde daher | |
aufgezeichnet. | |
Martin A. hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Das Urteil ist noch | |
nicht rechtskräftig, A. kann noch Revision einlegen. | |
14 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Gesine Muench | |
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