# taz.de -- Mit dem Rad zur Klimakonferenz: Auf eine Tasse Cay in der Türkei | |
> Radreisende sind in Anatolien eine Seltenheit. In Teestuben voller Männer | |
> genießt unser Autor die große Gastfreundschaft. | |
Bild: Tee wird in der Türkei gerne und viel getrunken. Den Gästen Tee anzubie… | |
Ich bin in der Türkei, in Anatolien, wie der asiatische Teil des Landes | |
bezeichnet wird. [1][Das Land von Kemal Atatürk], das Land der prachtvollen | |
Moscheen, aus denen fünfmal täglich der Muezzin zum Gebet ruft, und das | |
Land mit dem höchsten Teekonsum der Welt. Der rötliche Cay ist das | |
unangefochtene Nationalgetränk, der soziale Kleber, der die türkische | |
Gesellschaft verbindet und mit der ich auf dieser Reise wie bislang in | |
keinem anderen Land in Berührung komme. | |
In der Türkei sind Radreisende eine Seltenheit, ganz besonders im einsamen | |
Hinterland, durch das ich fahre, um den Verkehr der Hauptstraßen zu | |
vermeiden. Durch abgeschiedenste Dörfer mit nicht einmal hundert | |
Einwohnern, in die sich vermutlich noch nie ein Radreisender verirrt hat. | |
Dennoch sind diese Orte nicht verlassen. Oft sind die kleinen Dorfplätze | |
von mehreren erhöhten Teestuben eingekreist, von denen mich jedes Mal ein | |
paar Dutzend Tee trinkende ältere Herren anstarren. | |
Sobald ich freundlich den Kopf nicke und mit „Merhaba“ grüße, ist die | |
Freude groß. Dann ist es meist nur eine Frage der Zeit, bis mich jemand zum | |
Cay rüberwinkt und wir uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen – mit | |
Händen und Füßen und den wenigen Wörtern Türkisch, die ich mir angeeignet | |
habe. Die Menschen sind herzlich, offen, neugierig, großzügig und allzeit | |
hilfsbereit. Man kümmert sich um Gäste – das wird mir in der Türkei schon | |
auf den ersten Kilometern deutlich. | |
Ich lasse mich auf diese Begegnungen gerne ein, bilden sie doch die | |
Geschichten, die am Ende der Reise in Erinnerung bleiben werden. Auf Social | |
Media schwärme ich von der „Gastfreundschaft der Menschen“, bis mich | |
Nachrichten von Frauen erreichen, die mir schreiben, dass sie an die Türkei | |
weniger gute Erinnerungen hätten und ich als Mann einfach privilegiert sei. | |
## Zugang dank meines Geschlechts? | |
Und tatsächlich: Wenn ich ehrlich bin, müsste ich von der „Gastfreundschaft | |
der Männer gegenüber einem Mann“ sprechen, denn es sind ausnahmslos sie, | |
die in den Teestuben zu sehen sind, die mich einladen oder auf der Straße | |
ansprechen. Das Bewusstsein, dass eine solche Reise aus der Sicht nicht | |
männlich gelesener Personen anders erlebt wird und mein Geschlecht mir | |
Zugänge verschafft, die anderen verwehrt bleiben, wurde bei mir in den | |
letzten Tagen noch einmal geschärft. | |
Und auch die Staatsangehörigkeit spielt eine Rolle. Wann immer ich auf die | |
Frage, woher ich denn komme, mit [2][„Almanya“] antworte, herrscht | |
Begeisterung. Deutschland hat in der Türkei ein gutes Image. Viele haben | |
Bekannte und Familie dort oder haben sogar selbst eine Zeitlang bei uns | |
gelebt und erzählen mir ihre Geschichte, die sie mit Deutschland verbinden. | |
Der zweite Monat der Reise ist nun vorbei und ich fahre immer weiter nach | |
Osten. Der Herbst kommt in schnellen Schritten. Tagsüber ist es noch | |
angenehm warm, aber nachts wird es empfindlich frisch. Die nächsten Tage | |
klettere ich auf über 1.500 Meter und biege dann leicht südlich nach | |
Kappadokien ab, eine Region, die für ihre bizarr zerklüfteten | |
Felslandschaften bekannt ist und für ihre weltberühmten Heißluftballons. | |
In einem Monat möchte ich dann in der [3][georgischen Hauptstadt Tiflis] | |
sein, um die wegweisenden Parlamentswahlen hautnah mitzuerleben. | |
30 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Annaeherung-von-Tuerkei-Irak-und-Syrien/!6031825 | |
[2] /Gedenktafel-fuer-Neet-Erta/!6037630 | |
[3] /Georgiens-queerfeindliche-Gesetzgebung/!6034309 | |
## AUTOREN | |
Ingwar Perowanowitsch | |
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