# taz.de -- Regierung in Frankreich: Feilschen bis zum Schluss | |
> Die Mitte-Rechts-Koalition aus Macronisten und Konservativen unter Michel | |
> Barnier steht. Das Ergebnis soll „vor Sonntag“ bekannt gegeben werden. | |
Bild: Der designierte Premierminister Michel Barnier mit Staatspräsident Emman… | |
Paris taz | Die Geduld der Franzosen wird noch einmal strapaziert. Am | |
Donnerstag sollte es so weit sein: [1][Der designierte Premierminister | |
Michel Barnier] ging am frühen Abend zu Staatspräsident Emmanuel Macron, um | |
ihm seine Liste der zukünftigen Regierungsmitglieder zu unterbreiten. Doch | |
anders als erwartet, wurde die Zusammensetzung nicht sofort offiziell | |
bestätigt. Barnier bittet erneut um Nachsicht bei der wartenden Nation. | |
Aufgrund von Indiskretionen zirkulieren längst die Namen mehrerer Politiker | |
aus den Parteien [2][der Mitte-Rechts-Koalition], die in diesem Kabinett | |
eine wichtige Rolle spielen sollen. Andere wiederum verkünden öffentlich, | |
dass sie leer ausgegangen seien oder von sich aus einen angebotenen Posten | |
abgelehnt hätten. So sagte LR-Sprecher Laurent Wauquiez, er habe auf das | |
Wirtschafts- und Finanzministerium verzichtet. | |
Vom linken Flügel der Macronisten dagegen wurde bereits protestiert, | |
Barnier wolle offenbar auch „ultrakonservativen“ Parteikollegen, die | |
namentlich gegen die Homo-Ehe demonstrierten Posten zuschanzen. Damit aber | |
rutsche die Koalition zu weit nach rechts. Laut dem Sender BFMTV habe auch | |
Macron aus diesem Grund ein Veto gegen die von Barnier vorgeschlagene | |
Nominierung einer derart reaktionär engagierten Konservativen als | |
Familienministerin eingelegt. | |
Am Freitag hatten sich die Macronisten – Ensemble pour la République (EPR), | |
Horizons (H), Les Démocrates (MoDem) – mit den Konservativen der Partei Les | |
Républicains (LR), der auch Barnier angehört, auf eine Koalition und die | |
jeweilige Zahl der Ministerien geeinigt. Insgesamt soll die kommende | |
Regierung 38 Mitglieder (Minister, beigeordnete Minister und | |
Staatssekretäre) zählen. | |
## Liste zurückgewiesen | |
Von den wichtigsten Ministerien sollen sieben an EPR gehen, zwei an das | |
MoDem, eins an H (der Partei des ehemaligen Premiers Edouard Philippe), | |
drei an LR, eins an einen Zentristen, eins an die Gruppe „diverse Rechte“ | |
und eins an einen „diversen Linken“. Die Namen und die Zuteilung der | |
ministeriellen „Portefeuilles“ aber blieb geheim. | |
Dass die Zusammensetzung immer noch nicht definitiv und offiziell ist, kann | |
mehrere Gründe haben. Womöglich hat Barniers Vorschlag dem Präsidenten | |
nicht gefallen, er hatte in der Woche bereits zwei Mal eine vorgelegte | |
Liste zurückgewiesen! Oder die zuständige Aufsichtsbehörde braucht noch | |
Zeit mit ihrer Überprüfung der „reinen Weste“ der Anwärter auf einen | |
Ministerposten. Nicht ganz auszuschließen ist es auch, dass Macron, in der | |
Hoffnung, so eine positive Erwartung in der Bevölkerung zu schaffen, weiter | |
auf Zeit spielen will. | |
In Wirklichkeit wird die Geduldsprobe langsam peinlich und erweckt den | |
Eindruck, dass die personellen Fragen und die damit verbundenen Ansprüche | |
der Parteien unlösbare Probleme darstellen. In einigen genervten | |
Kommentaren ist von einem „Dilettantismus“ der Staatsführung die Rede. | |
Auch im europäischen Ausland wird mit einem gewissen Unbehagen verfolgt, | |
wie sehr Macron sich abmüht, nach der Niederlage bei den vorzeitigen | |
Parlamentswahlen eine Regierung aufzustellen, die eventuell mehrheitsfähig | |
wäre. Es ist eine schier unmögliche Aufgabe, denn die jetzt gebildete | |
Mitte-Rechts-Koalition kann sich in der Nationalversammlung bestenfalls auf | |
233 von 577 Sitzen stützen. | |
## Ambitionen mäßigen | |
Ein Streitpunkt schien vor allem das Gewicht von Barniers Partei LR in der | |
Regierung zu sein. Die von Ex-Premier Gabriel Attal angeführten Macronisten | |
wiesen darauf hin, dass LR zusammen mit den alliierten Zentristen der UDI | |
nur gerade über 66 Abgeordnetensitze in der Nationalversammlung verfügt und | |
deshalb ihre Ambitionen etwas mäßigen müsste. Denn sie habe ja schon den | |
Posten des Regierungschefs bekommen. | |
Unklar war am Freitagmorgen weiterhin, ob es unabhängige Persönlichkeiten | |
in Barniers Kabinett haben wird und um wen es sich beim mehrfach erwähnten | |
„diversen Linken“ handeln könnte. Sämtliche Parteien der linken Wahlunion | |
Nouveau Front Populaire und ihre wichtigsten Exponenten hatten dagegen jede | |
offizielle oder punktuelle Regierungszusammenarbeit ausgeschlossen. | |
Trotzdem gab es Spekulationen über die mögliche Nominierung von linken | |
„Has-been“-Politikern mit Regierungserfahrung wie Arnaud Montebourg oder | |
Ségolène Royal. Dessen ungeachtet will die NFP die kommende Regierung | |
ohnehin bei der erstbesten Gelegenheit bei einer Vertrauensabstimmung zu | |
Fall bringen. | |
Die 126 Rechtspopulisten des Rassemblement National von Marine Le Pen | |
bleiben in der Nationalversammlung in der Opposition, sie wollen jedoch | |
Barnier und seine Regierung vorerst unter gewissen Bedingungen gewähren | |
lassen. | |
## Dorn im Auge | |
Zu den von Le Pen genannten Bedingungen gehörte, dass gewisse Macronisten | |
wie Ex-Justizminister Eric Dupond-Moretti oder der Konservative Xavier | |
Bertrand, der ihnen als Gegner speziell ein Dorn im Auge sein soll, nicht | |
in der neuen Regierung sitzen. Aufgrund dieser expliziten Kriterien des RN | |
hängt die neue Regierung nach Ansicht der Linken von der Gnade der | |
Rechtspopulisten ab. | |
Insgesamt war das Feilschen um die Posten in der neuen Regierung vom Anfang | |
bis zum jetzt absehbaren Endergebnis eine mühselige Angelegenheit. Der | |
Präsident hat sieben Wochen gebraucht, um einen Premierminister zu | |
ernennen. Letzterer hatte zwei Wochen danach immer noch keine präsentable | |
Liste der Regierungsmitglieder. Schon im voraus musste Barnier ankündigen, | |
das die Parlamentsdebatte über den Staatshaushalt 2025 (zum 1. Mal in der | |
Nachkriegsgeschichte!) um mindestens eine Woche verschoben werden muss. | |
20 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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