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# taz.de -- Erfahrungen mit dem Berliner Schulessen: Es schmeckt widerlich
> Berlin diskutiert über das Lieferversagen eines Schulcaterers. Aber auch
> ansonsten kann von Qualität selten die Rede sein. Ein Schüler berichtet.
Bild: So sicher wie das Amen in der Kirche: Jeden Freitag gibt es Fisch – lei…
Es ist Freitag, 12.15 Uhr, und es sind nur halb so viele Kinder in der
Schulkantine wie an anderen Tagen. Denn es gibt Fisch mit gekochtem Weizen
und Zitronensoße. Ein paar Schüler*innen gehen in Richtung Kantine,
entscheiden sich beim Anblick und dem abstoßendem Geruch dieser Kuriosität
aber anders.
Und die meisten anderen, die sich für die Mahlzeit entschieden haben, essen
dann doch nur ein paar Löffel, bis sie aufstehen, zur Geschirrablage gehen
und den großen Rest des Essens von ihrem Teller in den Mülleimer schieben.
Nun kann man sagen: [1][Anders als an vielen anderen Berliner Schulen] gibt
es an meiner Schule derzeit keine Lieferprobleme. Das stimmt, das
Mittagessen kommt verlässlich, jeden Tag. Für uns Schüler*innen ist das
aber kein Trost.
Der Freitag ist besonders gefürchtet, denn in meiner Schule gibt es einen
katholischen Caterer, der jeden Freitag Fisch liefert. Aber auch montags
bis donnerstags ist es nicht viel besser: Da müssen wir uns oft mit
Gerichten wie Milchnudeln oder versalzenen Pfannkuchen herumschlagen.
## Viele Schüler*innen gehen lieber in den Supermarkt
In meiner Schule weiß niemand im Voraus, was es zu essen gibt. Also werden
wir meistens überrascht. Es gibt auch nie ein gutes veganes Gericht, weil
der Caterer die veganen Gerichte so zubereitet, wie man das vielleicht vor
15 Jahren noch normal fand: Es ist meistens eine Grünkern-Boulette, die
dann etwa statt des Fisches neben gekochtem Weizen und Zitronensoße auf dem
Teller liegt.
Der Caterer liefert auch nur einen Gang, sodass wir nicht auf Suppe oder
Salat ausweichen können. Ganz selten gibt es mal einen Blechkuchen oder
einen Pudding zum Nachtisch. Der vegane Ersatz wiederum schmeckt wirklich
widerlich – fad und mehlig.
In meiner Schulkantine kommt das Essen außerdem nicht sehr appetitlich an.
Zum Beispiel landet es als verkochte Nudelsuppe, als labbrige Schnitzel
oder kalter Kuchen auf dem Teller. Deswegen essen viele Kinder einfach
nichts in der Schule, sondern gehen in den Supermarkt, um sich dort ein
Kakaohörnchen oder eine Laugenstange zu kaufen.
Vor ungefähr zwei Jahren haben sich viele Schüler*innen noch regelmäßig
Yum-yum-Nudeln gekauft und in der Schulküche zubereitet. Das wurde dann von
der Schule verboten, weil die bei der Zubereitung entstandenen Gerüche
angeblich gestört haben. Was meiner Meinung nach in Hinsicht des Geruchs
der gelieferten Speisen in der Schulkantine einfach nur absurd ist. Jetzt
essen meine Mitschüler*innen die Instantnudeln einfach roh.
## Günstig, aber leider nicht gut
Das Schulmittagessen kostet 50 Euro im Monat. Das sind 1,60 Euro pro
Mahlzeit; für Kinder aus Familien, die etwa Bürgergeld bekommen, ist es
ebenso kostenlos [2][wie generell für alle Berliner Schüler*innen der
Klassen 1 bis 6]. Und das klingt auch erst mal alles günstig. Aber
eigentlich denke ich, dass die Schule von dem Geld besseres Essen besorgen
könnte. Niemand in meiner Schule – außer den Lehrer*innen, die noch die DDR
selbst erlebt haben – kann dieses Essen ertragen.
Wir bitten die Schulleitung schon seit Jahren, den Caterer zu wechseln,
aber es geschieht nichts. Und inzwischen haben wir uns mit gekochtem Weizen
und Zitronensoße abgefunden. Denn ganz ohne Essen können wir uns auch nicht
konzentrieren.
Jim Murjahn ist Schülerpraktikant in der Berlin-Redaktion. Er besucht die
8. Klasse einer Gesamtschule in Pankow.
13 Sep 2024
## LINKS
[1] /Chaos-beim-Schulessen/!6032532
[2] /Debatte-um-kostenloses-Schulmittagessen/!6025295
## AUTOREN
Jim Murjahn
## TAGS
Schule
Catering
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Essen
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Bildungschancen
Grundschule
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