| # taz.de -- Präsidentschaftswahl in Algerien: Farce in Algier | |
| > Über 90 Prozent sollen in Algerien für Amtsinhaber Tebboune gestimmt | |
| > haben. Doch kaum jemand glaubt den offiziellen Ergebnissen. | |
| Bild: Der amtierende algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune hat die Wahl ge… | |
| Berlin taz | Algeriens amtierender Staatspräsident Abdelmajid Tebboune | |
| bleibt nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten | |
| [1][Präsidentschaftswahl] vom Samstag wie erwartet im Amt. Vorläufigen | |
| amtlichen Wahlergebnissen zufolge stimmten 94,65 Prozent der | |
| Wähler*innen für den 78-jährigen Ex-Minister. | |
| Seine beiden Herausforderer, Abdelaali Hassani Cherif von der gemäßigt | |
| islamistischen MSP (Bewegung für die Gesellschaft und den Frieden) und | |
| Youcef Aouchiche von der in der Berber*innenregion Kabylei | |
| verankerten FFS (Front Sozialistischer Kräfte) kamen auf gerade einmal 3,17 | |
| und 2,16 Prozent der abgegebenen Stimmen. | |
| Die Wahlbeteiligung lag amtlichen Angaben zufolge bei 48,03 Prozent und | |
| damit rund acht Prozent höher als noch bei der letzten Präsidentschaftswahl | |
| Ende 2019. [2][Tebbounes Entourage aus regimenahen Parteien und der | |
| Staatsbürokratie feiert die vergleichsweise hohe Beteiligungsquote als | |
| Erfolg für den Staatschef.] | |
| Ansonsten glaubt fast niemand den offiziellen Zahlen. Der Urnengang dürfte | |
| erneut systematisch manipuliert worden sein – wie bereits in der Ära des | |
| 2019 von der Protestbewegung Hirak gestürzten Ex-Präsidenten Algeriens | |
| Abdelaziz Boteflika. | |
| ## Herausforderer wirft Wahlmanipulation vor | |
| Schon in dessen Amtszeit veröffentlichte die Wahlkommission mehrfach am Tag | |
| einen Zwischenstand über die Wahlbeteiligung, der Rückschlüsse auf die | |
| Glaubwürdigkeit der amtlichen Angaben zulässt. Um 17 Uhr stand der Wert bei | |
| lediglich 26,46 Prozent, bei Schließung der Wahllokale um 20 Uhr plötzlich | |
| bei 48,03 – trotz ausbleibender Schlangen vor den Wahllokalen. Die im Land | |
| altbekannte und schon seit den 1990er Jahren angewandte | |
| Fälschungsmaschinerie, bei der die Wahlbeteiligung kurz vor Ende der | |
| Abstimmung künstlich in die Höhe getrieben wird, läuft erneut auf | |
| Hochtouren. | |
| Hassani Cherifs Partei prangerte bereits am Sonntag in einer Stellungnahme | |
| „Verstöße“ gegen das reguläre Vorgehen während des Urnengangs an. Auf | |
| Wahllokalmitarbeiter*innen sei Druck ausgeübt worden, die | |
| „Ergebnisse aufzublähen“, heißt es darin. Die regimekritische Opposition | |
| sieht sich derweil in ihrer Befürchtung bestätigt, der Urnengang sei nicht | |
| mehr als ein inszeniertes Plebiszit für oder gegen das in der ersten | |
| Amtszeit Tebbounes neu aufgestellte algerische Regime. | |
| Der neue alte Staatspräsident und die hinter ihm stehende Kaste aus | |
| Parteien, Geschäftseliten und Militärs um Generalstabschef Saïd Chengriha | |
| dürften das Wahlergebnis dennoch als Freifahrtschein interpretieren. Sie | |
| werden wohl ihre derzeitige Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik schlicht | |
| fortsetzen. | |
| Unter Tebbounes formeller Führung setzt die Regierung seit 2020 auf einen | |
| starken Ausbau der Rohstoffförderung im Land, vor allem von Erdgas, aber | |
| auch von Phosphat, Zink, Eisen oder Blei. Mit einer solchen | |
| Wirtschaftspolitik sollen vor allem die Staatseinnahmen erhöht werden, | |
| damit dem Regime wieder ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, sich den | |
| sozialen Frieden im Land zu erkaufen und einen neuerlichen Volksaufstand | |
| wie 2019 zu verhindern. Nachhaltige Jobs werden in derlei extraktiven | |
| Industrien schließlich kaum geschaffen. | |
| ## Träumen von einem Leben außerhalb Algeriens | |
| Kein Wunder also, dass große Teile von Algeriens jugendlicher Bevölkerung | |
| weiterhin von einem Leben außerhalb des Landes träumen. Vor allem von | |
| Algeriens Westküste aus setzen 2024 immer wieder Boote irregulär nach | |
| Spanien über. | |
| Zuletzt hatten sich abermals irreguläre Überfahrtversuche aus Ostalgerien | |
| in Richtung Italien verstärkt. Sie fliehen vor Perspektivlosigkeit, | |
| schlechter Gesundheitsversorgung, Behördenwillkür und politischen | |
| Repressalien des Regimes, das von der EU und den Regierungen in Italien und | |
| Deutschland gestützt wird. Auch fünf Jahre nach dem gescheiterten | |
| [3][Hirak-Aufstand] geht die Flucht unvermindert weiter. | |
| 9 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sofian Philip Naceur | |
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