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# taz.de -- Niedrige Wahlbeteiligung: Steiniger Weg zur Demokratie
> Der Krieg in Gaza überschattet die Parlamentswahl in Jordanien. Die
> Islamistische Opposition wird stärkste Kraft im Land.
Bild: Die Wahlbeteiligung in Jordanien war niedrig, aber diese beiden Frauen au…
Amman taz | Langsam tröpfeln die Wahlwilligen ins Wahllokal im jordanischen
Amman. Familien und kleine Gruppen, verschleierte Frauen und Männer in
weißem Gewand oder roter Kufija betreten am vergangenen Dienstag die
Schule, um ihre Stimme abzugeben. Vor der Schule stehen mehr Polizisten als
Wahlhelfer*innen. Die Schule in dem einfacheren, teils palästinensisch
geprägten Bezirk ist kein Einzelfall: „Durchwachsen“ sei der Zulauf auch in
einem Wahllokal im wohlhabenden Shmeisani in Westamman gewesen, erzählt ein
junger Helfer.
Um sieben Uhr morgens haben die Wahllokale für die 20. Parlamentswahl
eröffnet. Bis 19 Uhr haben [1][Jordanier*innen] Zeit, um ihre Stimme
abzugeben. Es ist eine geschichtsträchtige Wahl: Vor zwei Jahren haben die
Behörden [2][einen Reformgang eingeleitet], der das Land zu mehr Demokratie
und Volksbeteiligung führen soll.
Es ist ein laufender Prozess, denn noch lässt sich die Mehrheit der
Bevölkerung offenbar nicht so richtig dafür begeistern. Die Wahlbeteiligung
liegt bei gut 32 Prozent. Damit ist sie etwa 2 Prozentpunkte höher als bei
der Wahl im Pandemiejahr 2020, an der so wenig Wähler*innen teilnahmen
wie noch nie in den vergangenen 35 Jahren.
Aus dem Urnengang wird zudem klar: Die konservativ-religiöse Partei
Islamische Aktionsfront (IAF), der politische Arm der Muslimbrüder, fährt
einen historischen Sieg ein. Über 28 Prozent der Wähler*innen haben laut
aktuellen Ergebnissen für die nationale Liste der IAF gestimmt. Insgesamt
soll die Partei etwa ein Fünftel der Parlamentssitze erhalten, 31 von 138
Plätze, gut dreimal so viele wie bei der vorherigen Legislatur.
## Fehlende Repräsentation
Für die geringe Wahlbeteiligung kann es mehrere Gründe geben. Desillusion
und Desinteresse. Manche wollen der Führungselite einen Denkzettel
verpassen. „Ich fühle mich nicht motiviert, wählen zu gehen. Ich bin nicht
daran interessiert“, sagt etwa ein 34 Jahre alter Mann. Andere vertrauen
Parteien und Politiker*innen nicht, sehen keine Veränderungen oder
finden keine Programme, die ihnen zusagen.
Hinzu kommt: Das Parlament galt als von Stammesmitgliedern und Loyalisten
geprägt, seine Rolle war bislang bescheiden. Der Premierminister wird vom
König ernannt, der im politischen Leben eine erhebliche Rolle spielt.
Die niedrige Stimmbeteiligung der vorherigen Wahl liege an der
Unzufriedenheit mit den Kandidat*innen und dem Wahlverfahren, meint die
jordanische Politik-Analystin Katrina Sammour. Die negative
wirtschaftliche Lage, die sich mit der Coronapandemie und jetzt dem Krieg
im Nachbarland verfestigt hat, trage ebenso dazu bei. „Und das Vertrauen in
Regierung und Institutionen, vor allem in das Parlament, hat in den letzten
Jahren stark abgenommen.“
Ein Lichtblick: Über 43 Prozent der Wähler*innen waren unter 35 Jahren
und fast die Hälfte weiblich. „Was ich mit dieser Stimmabgabe erreichen
will? Dass meine Stimme als junge Frau gehört wird“, sagt etwa eine
32-jährige Hausfrau, die ihren zwei Töchtern an der Hand aus dem Wahllokal
in Jabal Amman spaziert.
## Opposition stellt sich gegen Israel
Dass für viele der Krieg in Gaza eine Rolle gespielt hat, gilt als
höchstwahrscheinlich. Gut die Hälfte der Jordanier*innen hat
palästinensische Wurzeln. Zudem hat der Krieg Sektoren wie dem Tourismus
stark zugesetzt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 21 Prozent. Bereits vor der
Wahl prophezeiten Expert*innen einen klaren Sieg der Islamischen
Aktionsfront.
Diese hat seit Beginn des Konflikts zahlreiche Demonstrationen organisiert
und sich gegen die [3][Abkommen mit Israel], Friedensvertrag inklusive, und
für einen palästinensischen Staat „vom Fluss bis zum Meer“ ausgesprochen.
Außerdem galt sie schon zuvor als mitgliedsstarke Kraft.
„Protestwähler haben am meisten gewonnen“, urteilt Sammour. „Sie haben
Parteien gewählt, die den Status quo kritisieren.“ Zum guten Wahlergebnis
der konservativ-religiösen IAF sagt Sammour: „Die Zahl der Sitze gibt ihnen
mehr Spielraum, um ihre Agenda umzusetzen oder parlamentarische Verfahren
zu blockieren.“ Noch sei unklar, wie die Politiker*innen der IAF diese
Macht in Zukunft verwenden werden. Ihre Wahlkampagne sei eher auf Werte
fokussiert gewesen als auf konkrete politische Maßnahmen.
13 Sep 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Serena Bilanceri
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Experte.
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