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# taz.de -- Misstrauensantrag in Griechenland: Aus für Syrizas Millionär
> Einst gehypt, nun geschasst: In Griechenland verliert Parteichef
> Kasselakis das Vertrauen von Europas einstiger linker Vorzeigepartei
> Syriza.
Bild: Aus für Stefanos Kasselaki, hier bei einer Wahlveranstlatung vor den Eur…
Athen taz | Erst triumphierte er, dann polarisierte er, nun wurde er seines
Amtes enthoben: [1][Stefanos Kasselakis] ist nicht mehr Chef von Europas
einstiger linker Vorzeigepartei, dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza)
in Griechenland. Der Posten soll nun durch eine Neuwahl von der Parteibasis
besetzt werden.
Dabei hatte die Basis Kasselakis erst am 24. September vorigen Jahres zum
Syriza-Chef gemacht, nachdem Ex-Premier Alexis Tsipras nach einer herben
Niederlage bei den Parlamentswahlen gegen die weiter alleine regierende
konservative Nea Dimokratia (ND) unter Premier Kyriakos Mitsotakis nach
mehr als 15 Jahren an der Spitze verbittert seinen Rücktritt erklärt hatte.
Kasselakis wollte in Tsipras’ Fußstapfen treten. Nun wurde er durch [2][das
Syriza-Zentralkomitee (ZK)] geschasst. In einer geheimen Abstimmung
votierte eine klare Mehrheit von 163 der insgesamt 295 ZK-Mitglieder für
einen Misstrauensantrag gegen Kasselakis. Den Antrag hatten 100
ZK-Mitglieder eingebracht. Kasselakis wurde so des Amtes enthoben – ein
bisher einmaliger Vorgang.
Sichtlich genervt erklärte dieser danach, dass er „erlöst“ sei. „Es ist
beispiellos in der politischen Geschichte des Landes, dass die
Parteibürokratie das Votum der Parteimitglieder vom ersten Tag an nicht
akzeptiert hat.“ Der heute 36-jährige Kasselakis, der mit 14 Jahren in die
USA zog, bei der US-Investmentbank Goldman Sachs anheuerte, dann Reeder
wurde und zum Multimillionär aufstieg, kehrte erst nach seiner Wahl zum
Syriza-Chef in sein Geburtsland zurück.
[3][Die Anzeichen für Kasselakis’ Entmachtung] hatten sich zuletzt
verdichtet. Das Band zwischen ihm und seinen Kritikern war schon früh
zerschnitten. Kasselakis bemühte sich nie darum, die Kluft zu schließen. Im
Gegenteil: Er goss Öl ins Feuer, oft mit üblen Attacken gegen seine
Kritiker.
Dessen überfallartige, für sie „feindliche“ Machtübernahme konnten seine
parteiinternen Widersacher nie verdauen. Im November vorigen Jahres
verließen elf Syriza-Abgeordnete die Partei, darunter Ex-Finanzminister
Euklid Tsakalotos sowie Ex-Arbeitsministerin Efi Achtsioglou die Partei.
Sie gründeten die Neue Linke.
## Ist Syriza ein „wildgewordener Hühnerhaufen“?
Kasselakis warfen sie vor, Syriza jäh nach rechts rücken zu wollen. Das
Genick brachen Kasselakis jene Syriza-Politiker, die ihn zuvor noch
unterstützt hatten. Die Gründe für ihren Sinneswandel waren nicht nur seine
offenkundig fehlende Sachkompetenz gepaart mit einer exzessiven
Zurschaustellung seines Privatlebens. Zum Verhängnis wurde Kasselakis sein
autoritärer Führungsstil. Und dies ausgerechnet in einer Partei, die die
innerparteiliche Demokratie in ihrer DNA hat.
Die letzte Episode war die auf Geheiß von Kasselakis veranlasste Entfernung
von Sokrates Famellos vom Fraktionsvorsitz im Athener Parlament. Famellos
genießt in der Partei ein hohes Ansehen. Immer mehr Syriza-Abgeordnete
griffen Parteichef Kasselakis heftig an. Syriza verkam in der öffentlichen
Wahrnehmung zu einem „wildgewordenen Hühnerhaufen“.
Wie das Syriza-Politbüro beschloss, findet vom 1. bis zum 3. November ein
außerordentlicher Parteitag statt. Am 24. November soll die Parteibasis
einen neuen Syriza-Chef wählen. Der Kasselakis-Kritiker Pavlos Polakis hat
angekündigt, für das Amt des Syriza-Chefs kandidieren zu wollen. Sein
oberstes Ziel sei es, durch eine Frontalopposition Premier Mitsotakis aus
dem Amt zu jagen.
Kasselakis, der kein Abgeordneter im Parlament ist, nach seiner
Amtsenthebung kein Parteiamt mehr inne hat und ein einfaches
Syriza-Mitglied ist, lässt offen, ob er für das Amt des Parteivorsitzenden
kandidieren werde. „Meine Entscheidungen werde ich dort verkünden, wo ich
immer Rechenschaft ablegen muss: nämlich vor dem Volk von Syriza.“ Premier
Mitsotakis frohlockt mit Blick auf die Turbulenzen bei Syriza: „Es gibt
keine Alternative zur ND-Regierung.“ Er wolle bis 2027 regieren, sagt er.
Syriza hat es ihm leichtgemacht.
12 Sep 2024
## LINKS
[1] /Griechenlands-linker-Reeder/!6012526
[2] /Selbstzerlegung-der-Syriza-Partei/!5972920
[3] /Parteipolitik-in-Griechenlands-Linken/!5972575
## AUTOREN
Ferry Batzoglou
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