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# taz.de -- Aus einer griechischen Zeitung: „Plötzlicher Tod“
> Die Zeitung der griechischen Linkspartei Syriza muss ihre tägliche
> Druckausgabe einstellen. Der Protest ist groß – und die Finanzlage mehr
> als prekär.
Bild: Die Druckausgabe der Athener Tageszeitung Avgi (Morgenröte) wird eingest…
Athen Die Hiobsbotschaft ereilte die Belegschaft am heißen
Dienstagnachmittag in den Redaktionsräumen im dritten Stock eines
unscheinbaren Gebäudes in der Deligiorgis-Straße in der Athener Innenstadt.
Ihre Empörung war groß. Die tägliche Druckausgabe der Athener Tageszeitung
Avgi (Morgenröte), der historischen Parteizeitung von Europas [1][einstiger
linken Vorzeigepartei Syriza,] wird eingestellt – mit sofortiger Wirkung.
„Heute, am Dienstag, den 25. Juni 2024, um 16 Uhr, wurde uns plötzlich und
ohne jede Rücksprache mitgeteilt, dass die Tageszeitung der Linken, die
seit 1952 erscheint, nicht mehr an den Kiosken ausliegen wird. Das ist
bisher nur einmal passiert: während der Athener Militärjunta“, erklärte die
Avgi-Belegschaft in einer noch am gleichen Abend veröffentlichten
Erklärung.
Eine fiktive Avgi-Schlagzeile hätte „Plötzlicher Tod“ lauten können, ät…
die Mitarbeiter. Ein Sprecher der Geschäftsleitung habe als Grund für die
Schließung der täglichen Druckausgabe „die schweren finanziellen Probleme
von Syriza“ angegeben, jedoch keinen Finanzbericht oder Sanierungspläne
vorgelegt. Man habe dem Personal lediglich mitgeteilt, dass man „so viele
Mitarbeiter wie möglich“ weiter beschäftigen wolle. Der Titel, die Webseite
[2][avgi.gr] sowie die Sonntagsaugabe (Print) sollen demnach weiter
bestehen bleiben.
Beruhigen konnte dies das Avgi-Personal nicht. Seit Mittwoch befindet es
sich im Streik, wegen „dieses historischen und politischen Fehlers und mit
einem tiefen Gefühl für unsere Geschichte“, wie sie betonen. Sie fordern
die Rücknahme der Entscheidung, die Tagesausgabe zu schließen, ferner die
Sicherung aller Arbeitsplätze, die Zahlung offener Löhne und Gehälter in
Höhe von insgesamt über 300.000 Euro sowie ein sofortiges Treffen mit dem
Syriza-Chef Stefanos Kasselakis.
## Weniger Geld aus der Staatskasse
Das dürfte kurzfristig schwierig werden. Denn Kasselakis, 36, im September
von den Syriza-Mitgliedern zum Parteivorsitzenden gewählt, weilt schon seit
Mitte Juni in den USA. Dort hatte er bis Mitte vorigen Jahres seinen
ständigen Wohnsitz. Für das Avgi-Personal ist klar: Hinter der Schließung
der täglichen Druckausgabe steckt Kasselakis.
Fest steht: Ohne Kapitalspritzen von Syriza ist das Parteiblatt nicht
lebensfähig. Syriza hält laut letzten eigenen Angaben 40 Prozent der
Avgi-Aktien. Den Rest kontrollieren Kleinaktionäre, Mitarbeiter und Leser.
Das Problem: Syriza hat in der Wählergunst zuletzt einen jähen Absturz
erlitten. Daher erhält die linke Partei viel weniger Geld aus der
Staatskasse. Viele Syriza-Mitglieder wollen zudem partout keine
Mitgliedsbeiträge entrichten.
Ferner erlebt [3][der griechische Zeitungsmarkt einen beispiellosen
Niedergang]. Seit 2018 hat sich die Zahl aller verkauften Zeitungsexemplare
auf nur noch 28.203.839 Stück im Gesamtjahr 2023 fast halbiert. Das sind
nicht einmal drei Zeitungsexemplare pro Grieche und Jahr. Obendrein gibt es
hierzulande traditionell kaum Abonnenten. Gekauft werden die Zeitungen am
Kiosk – oder eben nicht.
## Syriza-Abgeordnete zögern
Die tägliche Druckausgabe von „Avgi“, die zum ersten Mal am 24. August 1952
als Presseorgan der „Vereinigung der Demokratischen Linken“ (EDA), einer
Partei vor der griechischen Militärdiktaktur, erschien und nach dem Ende
der Junta als Stimme der reformistischen Linken in Hellas fungierte, wurde
zum Preis von 1,50 Euro pro Exemplar im Schnitt zuletzt landesweit keine
500 mal am Tag verkauft. Die Werbeeinnahmen? Marginal.
Am Freitag streikten auch die Mitarbeiter des Parteiradiosenders „Sto
Kokkino“ („Im Roten“). Syriza-Chef Kasselakis wies am Donnerstag auf die
dramatische Finanzlage bei Syriza und seiner Parteimedien hin. In einer SMS
aus den USA bat er die 36 Syriza-Abgeordneten darum, den „größtmöglichen
finanziellen Beitrag zu leisten“, um der bedrohlichen Lage Herr zu
werden.„Genossinnen und Genossen, wir bitten euch, uns entweder durch eine
Spende oder durch die Aufnahme eines Kredits zu unterstützen, um die
Verpflichtungen für den Monat Juni für die Parteimedien in Höhe von 375.146
Euro zu decken“, heißt es darin. Er werde, so Kasselakis per SMS, „mit
gutem Beispiel vorangehen und 20.000 Euro spenden“.
Doch die Syriza-Abgeordneten zögern. Griechischen Medienberichten zufolge
fordern sie nun eine Aufstellung der Ausgaben von Avgi sowie der Partei,
wozu sich Kasselakis öffentlich verpflichtet habe, dem aber bisher nicht
nachgekommen ist. Der frühere Syriza-Finanzdirektor Thymios Georgopoulos
warnte unterdessen davor, dass das Avgi-Personal fortan unbezahlt bleiben
würde. Die wohl letzte tägliche Avgi-Printausgabe datiert vom 22. Juni. Es
war die Ausgabe 14.990 seit Bestehen der Zeitung.
28 Jun 2024
## LINKS
[1] /Griechenlands-linker-Reeder/!6012526
[2] https://www.avgi.gr/
[3] /Journalistenstreik-in-Griechenland/!6004608
## AUTOREN
Ferry Batzoglou
## TAGS
Europäische Linke
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