| # taz.de -- Neukölln nimmt Eigentümer in die Pflicht: Wer bauen will, muss ku… | |
| > Neukölln nutzt seinen Hebel bei genehmigungspflichtigen Nachverdichtungen | |
| > und schafft so Sozialwohnungen. Auch Microappartments werden verboten. | |
| Bild: Mit Wohnen hat das nichts zu tun: Microappartment | |
| Berlin taz | Wenn Private in Berlin neu bauen, sieht es oft aus wie in der | |
| Braunschweiger Straße in Neukölln. Seit Kurzem steht dort das Tannhaus Rix, | |
| ein sechsgeschossiger Neubau mit möblierten Wohnungen, überwiegend | |
| Microrappartements. 27 Quadratmeter gibt es für 1.130 Euro Monatsmiete; | |
| mietbar ab einem Monat Aufenthalt. | |
| Am Bedarf der Stadt nach dauerhaften bezahlbaren Wohnungen, gerade für | |
| Familien, geht das Projekt vorbei. Jochen Biedermann (Grüne), Baustadtrat | |
| in Neukölln, sagt: „Wir haben mit Microappartements ein massives Problem.“ | |
| Projektentwickler würden kaum etwas anderes beantragen. Nicht nur in | |
| Neukölln. Stadtweit sind 14 ähnliche Projekte mit mehr als 3.500 | |
| Wohneinheiten im Bau. | |
| Neukölln will dieser Art von Neubau nun einen Riegel vorschieben und hat | |
| seine Kriterien für die Genehmigung für den Wohnungsbau überarbeitet. 14 | |
| Leitlinien sollen definieren, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, | |
| damit Bauprojekte bei Nachverdichtungen genehmigungsfähig sind. | |
| Den Bau von Microappartments und sogenannte Co-living-Modelle will der | |
| Bezirk ausschließen: Diese trügen „in der Regel auch zur Änderung der | |
| Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“, also der Verdrängung der | |
| Einwohnerschaft bei, heißt es in den Richtlinien. Zudem soll der Ausbau von | |
| Dachgeschossen überwiegend nur noch für Wohnzwecke erlaubt sein, Bauherren | |
| müssen sich an der Kiezinfrastruktur finanziell beteiligen. | |
| ## Die eigene Macht nutzen | |
| Der Hebel für den Bezirk: Bei fast allen kleineren Bauprojekten in | |
| Baulücken und Hinterhöfen oder beim Dachgeschossausbau werden die Vorgaben | |
| aus dem Baunutzungsplan, der vor Jahrzehnten für Westberlin aufgestellt | |
| wurde, oder aus früheren Bebauungsplänen überschritten. Bezogen auf die | |
| Grundstücksfläche entstehen mehr Quadratmeter Geschossfläche als | |
| ursprünglich erlaubt. | |
| Damit trotzdem gebaut werden darf, bedarf es einer Ausnahmeregelung des | |
| Bezirks. Ein Anspruch auf diese besteht für die Bauherren nicht und wird | |
| nur vergeben, „wenn die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und die | |
| öffentlichen Belange unter Berücksichtigung der Nachbarinteressen gewahrt | |
| bleiben“, wie der Bezirk mitteilt. Also eben auch: wenn echter und | |
| bezahlbarer Wohnraum entsteht. | |
| Schon bislang hat Neukölln seinen Hebel genutzt. Analog zum Berliner Modell | |
| der kooperativen Baulandentwicklung, das bei der Aufstellung von | |
| Bebauungsplänen bei größeren Bauvorhaben die Schaffung von 30 Prozent | |
| gefördertem Wohnraum vorsieht, existiert seit etwa vier Jahren das | |
| Neuköllner Modell. Wo immer eine zusätzliche Geschossfläche von mehr als | |
| 1.000 m² entsteht und der Bezirk eine Ausnahmeregelung erteilt, wird die | |
| Schaffung von 30 Prozent Sozialwohnungen auf der zusätzlichen Fläche | |
| gefordert. | |
| Nach anfänglicher Skepsis habe sich das Modell etabliert, sagt Biedermann, | |
| man habe „sehr gute Erfahrungen damit gemacht“. Eine Auswertung zeigt: Bis | |
| Ende 2023 wurden 151 Sozialwohnungen über das Neuköllner Modell auf den Weg | |
| gebracht; inzwischen dürften es noch einige mehr sein. | |
| Jüngst hat die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger im | |
| Stadtentwicklungsausschuss den Senat zur Bewertung des Modells gefragt und | |
| eine überraschend positive Antwort erhalten. Der Senat habe das Modell | |
| gelobt, sowohl hinsichtlich der Vorgaben für eine Sozialquote als auch der | |
| Ablehnung von Microappartements; die Wohnbauleitstelle will bis Ende des | |
| Jahres Empfehlungen für andere Bezirke erarbeiten. Zumindest in den | |
| Westbezirken könnten Privaten bei kleineren Bauvorhaben also bald überall | |
| härtere Vorgaben gemacht werden. | |
| Für den großen Maßstab, also bei Projekten mit Bebauungsplan, soll nach | |
| Ansicht der Grünen die Sozialquote erhöht werden. Laut Katrin Schmidberger | |
| will die Fraktion demnächst einen Antrag ins Abgeordnetenhaus einbringen, | |
| der die Erhöhung der geforderten Sozialwohnungsquote im Modell der | |
| kooperativen Baulandentwicklung auf 50 Prozent fordert. | |
| 12 Sep 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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