| # taz.de -- Möglicher AfD-Erfolg bei Landtagswahlen: Was die Rechten anrichten… | |
| > In Sachsen und Thüringen droht die AfD stärkste Kraft zu werden. Und | |
| > selbst wenn sie nicht regieren: Die Rechten werden wohl mehr Einfluss | |
| > haben. | |
| Bild: Höckes Zuhörer am 13. August in Suhl | |
| Björn Höcke kennt sich mit der Landesverfassung Thüringens bestens aus. Er | |
| weiß, dass die für ihn unwahrscheinliche Ministerpräsidentenwahl, nicht der | |
| einzige Weg zu mehr Macht ist. Davon zeugt diese eigenartig spezifische | |
| Vorgabe für seine AfD: [1][„Wir werden mit 33 plus x über die Ziellinie | |
| laufen, das muss unser Ziel sein!“] | |
| Diese 33 Prozent wären eine kritische Größe. Mit 33 Prozent und mehr wären | |
| der rechtsextremen Partei [2][Sperrminoritäten im Landtag] sicher. Auch in | |
| Sachsen, aber in Thüringen ist die Situation besonders dramatisch. Eine AfD | |
| mit 33 Prozent könnte wichtige verfassungsrechtliche Verfahren blockieren, | |
| die eine Zweidrittelmehrheit benötigen. | |
| ## Gefahr für den Rechtsstaat | |
| Gerade die Sperrminorität bietet zahlreiche Möglichkeiten, um demokratische | |
| Prozesse zu sabotieren. Damit könnten die Rechtsextremen etwa | |
| Verfassungsänderungen blockieren sowie die Wahl von Richter*innen für | |
| das Landesverfassungsgericht. | |
| In der nächsten Legislatur läuft die siebenjährige Amtszeit aller | |
| Verfassungsrichter*innen in Thüringen aus. 33 Prozent plus x hätten | |
| hier also erhebliches Erpressungspotenzial: Die AfD könnte die Neubesetzung | |
| blockieren oder eigene Kandidat*innen hineinpressen, die versuchen | |
| könnten, das Gericht von innen heraus mit destruktivem Verhalten zu | |
| sprengen oder zu sabotieren. Laut Verfassung werden auch Richter*innen | |
| auf Lebenszeit von einem Richterwahlausschuss mit Zweidrittelmehrheit | |
| gewählt. | |
| ## Gefahr für den Verfassungsschutz | |
| Gleiches gilt für die Mitglieder der parlamentarischen Kontrollkommission | |
| im Landtag. Dieses Gremium soll den Landesverfassungsschutz überwachen. | |
| Wohlgemerkt den Verfassungsschutz, der die AfD in Thüringen als gesichert | |
| rechtsextrem einstuft und den die Partei abschaffen will. Ebenso braucht es | |
| zur Auflösung des Landtags eine Zweidrittelmehrheit. | |
| Leider reichen für eine Sperrminorität sowohl in Sachsen als auch in | |
| Thüringen möglicherweise bereits um die 30 Prozent der Stimmen. Der Grund | |
| dafür: Wenn viele kleinere Parteien an der Fünfprozenthürde scheitern, | |
| bleiben die Stimmen für diese bei der Verteilung der Landtagssitze | |
| unberücksichtigt. Die Folge: Die Anzahl der Sitze der AfD steigt. | |
| Entsprechend gab es Aufrufe zum taktischen Wählen der Grünen, der SPD und | |
| der Linken, damit diese nicht aus dem Landesparlament fliegen. | |
| Ein weiteres Risiko sind die komplizierten Mehrheitsverhältnisse in | |
| Thüringen: Vor allem der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Torben | |
| Braga, der in Thüringen Politikwissenschaft und Öffentliches Recht | |
| studierte, ist durchaus versiert darin, Taktiken, Taschenspielertricks und | |
| Schlupflöcher aufzutun, um politische Blockaden zu inszenieren und Sand ins | |
| Getriebe der demokratischen Prozesse zu streuen. Er ist einer der | |
| Strippenzieher der [3][Kemmerich-Wahl 2020] und der damit ausgelösten | |
| Verfassungskrise. Damals hatte die AfD in einem dritten Wahlgang zur | |
| Ministerpräsidentenwahl einen eigenen Kandidaten ins Leere laufen lassen | |
| und überraschend den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Regierungschef gewählt. | |
| Der hatte überrumpelt die Wahl angenommen und war überfordert kurz darauf | |
| wieder zurückgetreten. | |
| ## Gefahr für die Demokratie | |
| Die anschließende Freude von AfDlern angesichts der durch die Wahl | |
| ausgelösten politischen Krise zeigt deutlich das instrumentelle Verhältnis | |
| der AfD zum Parlamentarismus: Die Wahl eines Verfassungsorgans – hier die | |
| Wahl eines Ministerpräsidenten – ist im Zweifel eine willkommene | |
| Gelegenheit, um gegen das verhasste demokratische System zu punkten und es | |
| so – mit demokratischen Mitteln – von innen heraus zu bekämpfen. | |
| Enormes Missbrauchspotenzial birgt auch die vor allem in Thüringen | |
| wahrscheinliche Situation, dass die AfD stärkste Kraft wird. Denn die | |
| größte Fraktion stellt in der Regel die Landtagspräsident*in. Die | |
| Abgeordneten sind frei, ihre Stimme einem AfD-Kandidaten zu verweigern, | |
| aber allein der Wahlvorgang und ein Bruch mit bisherigen parlamentarischen | |
| Gepflogenheiten, um zu verhindern, dass ein Rechtsextremist | |
| Parlamentspräsident wird, bietet Stoff für die autoritär-populistische | |
| Erzählung der AfD. | |
| ## Gefahr für die Verwaltung | |
| Ein AfD-Parlamentspräsident wäre gleichwohl deutlich schlimmer: Er hätte | |
| die personelle Hoheit über die Landtagsverwaltung, kann den | |
| Parlamentsdirektor ohne Weiteres feuern und das Personal nach eigenem Gusto | |
| nachbesetzen. | |
| Ebenso wären Blockaden bei der Ausfertigung von Gesetzen denkbar, die | |
| Verweigerung von Unterschriften gewählter Richter*innen sowie | |
| Scharmützel mit dem Verfassungsgerichtshof. Zudem leitet der | |
| Landtagspräsident die Ministerpräsidentenwahl und entscheidet im Zweifel | |
| über die Auslegung eines [4][verfassungsrechtlich umstrittenen Ergebnisses | |
| im dritten Wahlgang] (siehe Spalte). Das könnte wiederum zu einer | |
| Hängepartie für die gewählte Regierung führen – sprich zu einer | |
| Verfassungskrise. In den falschen Händen kann selbst ein formal | |
| repräsentatives Amt großen Schaden anrichten. Eine Verfassungsreform | |
| scheiterte in Thüringen aber schon vor der Wahl an einer dafür | |
| erforderlichen Zweidrittelmehrheit. | |
| 31 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/afd-hoecke-landtagswahl-regierung… | |
| [2] /AfD-im-Osten/!5982629 | |
| [3] /Die-FDP-im-Thueringer-Wahlkampf/!6030259 | |
| [4] /AfD-im-Osten/!5982629 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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