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# taz.de -- Wandteppich im Braunschweiger Rathaus: Neuer Anlauf zur Entnazifizi…
> Ein Wandteppich des Nazi-Künstlers Karl Wollermann hängt immer noch im
> Braunschweiger Rathaus. Nun hat ein Künstlerkollektiv ein Ultimatum
> gestellt.
Bild: Die Dornse im Braunschweiger Altstadtrathaus: heimelig mit Wandteppich �…
Braunschweig taz | Vielleicht wird Braunschweigs Rathaus jetzt ja doch
entnazifiziert. Das Künstlerkollektiv Bezugsgruppe Rainer Rauch hat
jedenfalls ein Ultimatum gestellt: Bis Donnerstag ist der
Wollermann-Teppich abzuhängen, der die Dornse ziert. Das ist der Saal im
Altstadtrathaus, in dem die Stadtspitze ihre Gäste festlich empfängt – eben
vor dem Wandteppich des Gründungsrektors der Hochschule für Bildende
Künste.
Jenseits von Braunschweig ist der Multikünstler [1][Karl Wollermann] heute
kein Begriff. Zwei Ausstellungen hatte ihm zu Lebzeiten das Städtische
Museum gewidmet, die erste, ein Rundumschlag, 1959. Die zweite, elf Jahre
später, feierte seine Textilarbeiten, obwohl doch in der Zwischenzeit mit
großem Knall Wollermanns Tätigkeiten als hochrangiger NS-Kulturfunktionär
in Nürnberg und in Franken aufgeflogen waren. In der Folge hatte er 1967
die Frühpensionierung antreten müssen. Die Ausstellung von 1970 zeigt:
Manche hielten auch danach noch zu ihm.
Bei seiner Berufung nach [2][Braunschweig] 1951 hatten es alte
NS-Seilschaften offenbar verstanden, kritische Fragen zu Wollermanns
Vorleben zu unterdrücken. Weshalb hatte die US-Militärregierung ihn 1946
aus der Nürnberger Kunstakademie entlassen? Warum musste er nach einem
ersten Entnazifizierungsverfahren sogar in Haft, Vermögen abtreten? Niemand
schien interessiert. Er wurde Leiter der Werkkunstschule. Als die 1963 zur
Hochschule aufgewertet wurde bekam Wollermann den Rektorenposten. Aber er
überstand nicht nur gut 15 Jahre Lehrtätigkeit in Braunschweig unbehelligt.
Er wurde auch mit Aufträgen für Bildteppiche versorgt.
Der erste war 1956 ein an Geschmacklosigkeit kaum zu übertreffender 250 mal
400 Zentimeter großer Wandbehang des Ratssitzungssaals. Er zeigt einen
Phönix aus der Asche, entstiegen den lodernden Feuern aus Braunschweigs
Kirchtürmen nach alliierten Bombardements.
„Auf diese Weise wird in künstlerisch bedeutsamer Form der ungebeugte
Lebenswille unserer Stadt bekundet“, hieß es zur metaphorischen Idee.
Dieses Stück, gefertigt durch eine während [3][NS-Zeiten] mit
Staatsaufträgen „gearteter Innenausstattung“ bedachten Nürnberger
Manufaktur, wurde dann offenbar nicht so recht geschätzt. Es gilt schon
lange als verschollen.
Öffentlich präsent geblieben ist die zweite, wesentlich größere
Auftragsarbeit, der 40-Quadratmeter-Bildteppich „Braunschweig“ von 1960. Er
kombiniert in neusachlichem Formen-Repertoire wichtige Architekturen und
das Wappen der Stadt zu einer gefälligen Collage.
Optisch tut er niemandem weh. Und das wiederauferstandene Mittelalter
seines Aufhängungsortes, der besagten Dornse im Altstadtrathaus, irritiert
auch ohne ihn. Aber wie konnte sich, nachdem Wollermanns Vergangenheit
bekannt wurde, diese NS-Nachfolge-Kunst im kommunalen Repräsentationsraum
halten?
Dazu [4][schwieg das öffentliche Bewusstsein] lange. Erst in diesem Mai
warf endlich ein Symposium im Städtischen Museum, das Wollermann einst so
kritiklos huldigte, die Frage nach dem kulturellen Erbe der NS-Diktatur und
dessen oft unreflektierter Rezeption nach dem Krieg auf. Was tun? Reicht
die häufig praktizierte „Kontextualisierung“ durch einen Kommentar am
Objekt?
„Nein“ meint die [5][Bezugsgruppe Rainer Rauch]. Ihre Mitglieder, drei
HfBK-Absolventen, wollen Braunschweig aber helfen. Wenn Donnerstag der
Teppich nicht abgehängt sein sollte, überreichen sie der Stadt ein
Geschenk: ein Banner zum Verhüllen, groß wie der Teppich, „mit einer
zeitgemäßen ansprechenden Motivik, die sich auf Braunschweig und seine
Geschichte bezieht – und auf die Zukunft.“
28 Aug 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Wollermann
[2] /Braunschweig/!t5018489
[3] /Schwerpunkt-Nationalsozialismus/!t5007882
[4] /Edith-Russ-Haus-in-Oldenburg/!5994105
[5] https://bezugsgrupperainerrauch.com/
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Braunschweig
Entnazifizierung
Bildende Kunst
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Kulturpolitik
Social-Auswahl
Braunschweig
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