# taz.de -- Panzer, Kampfjets, Waffentests: Klimakiller Krieg | |
> Kriege sind auch Klima-Katastrophen. Selbst in Friedenszeiten belastet | |
> das Militär die Umwelt. Je militarisierter ein Land, desto größer die | |
> Umweltfolgen. | |
Bild: Am Sprit verbrennen: Panzer bei einer Russisch-Belarussischen Übung | |
Dank Wissenschaft, Umweltorganisationen und engagierten Individuen gibt es | |
immer mehr Zahlen und Fakten zum Klimawandel. Nur in einem Bereich gibt es | |
so gut wie nichts: beim Militär. Und das, obwohl es wie kaum ein anderer | |
zur Krise beiträgt. | |
Waffensysteme wie Flugzeuge und Panzer, aber auch militärische Ausrüstung | |
und Transport nutzen in der Regel Treibstoffe auf Erdölbasis. Ein | |
Flugzeugträger schluckt beispielsweise 21.300 Liter Treibstoff pro Stunde, | |
einige Kampfflugzeuge mehr als 5.600 Liter pro Stunde. Und bei modernen | |
Panzern ist es naheliegender, den Verbrauch in Litern pro Kilometer zu | |
berechnen als in Kilometern pro Liter. | |
Tatsächlich korrelieren die Pro-Kopf-Emissionen eines Landes mit den | |
Pro-Kopf-Militärausgaben und der Anzahl an Staatsbürger:innen, die für das | |
Militär arbeiten. In der Regel gilt also: Je militarisierter ein Land, | |
desto mehr Treibhausgase emittiert es. | |
Im Krieg selbst wütet das Militär oft erbarmungslos – was auch Flora und | |
Fauna zu spüren bekommen. Ein aktuelles Beispiel ist die Sprengung des | |
Kachowka-Staudamms im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Als der | |
Damm im Juni 2023 brach, wurden weite Teile flussabwärts des Dnipro | |
überflutet. Laut einer Studie zu den ökologischen Folgen des Dammbruchs | |
sind mehr als eine halbe Million Hektar geschützter Lebensräume und | |
zahlreiche bedrohte Tierarten betroffen. | |
Hinzu kommen die weniger offensichtlichen Folgen von Kriegshandlungen. Es | |
entstehen Abfälle, dazu gehören Munitionslager, Fässer mit Öl und | |
Lösungsmitteln, Asphalt, Fett, Farbe, Reifen, Kabel und Schießpulver. Diese | |
Materialien bringen eine Reihe von Chemikalien und anderen Giftstoffen in | |
die Ökosysteme ein. Nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen | |
müssen urbane Zentren und kritische Infrastrukturen energieintensiv | |
wiederaufgebaut werden. | |
## Auch im Frieden keine Verschnaufpause | |
Militarisierte Staaten richten auch in Friedenszeiten großen Schaden an. | |
Truppenübungen und Transporte zwischen verschiedenen Militärstützpunkten | |
benötigen fossile Energie. Außerdem erfordert der tägliche Betrieb und die | |
Wartung militärischer Ausrüstung den Einsatz einer Vielzahl von | |
Chemikalien. Rückstände dieser Giftstoffe finden sich oft in besonders | |
hohen Konzentrationen in der Nähe von Militärstützpunkten. | |
Ebenso bedeutsam ist die militärische Forschung. Sie erfindet neue | |
Technologien, die an Test- und Zielort große Umweltschäden verursachen. Das | |
prominenteste Beispiel ist die Atombombe. Bei Atomwaffentests werden | |
Strontium-90, Jod-131 und andere radioaktive Isotope direkt in die Umwelt | |
freigesetzt. | |
Die militärische Forschung selbst betrachtet die Klimakrise vor allem als | |
Sicherheitsrisiko. Man liest oft von Ressourcenkriegen, die bereits | |
stattgefunden haben und die uns im 21. Jahrhundert noch erwarten. Kriege | |
wie Anfang der 2000er Jahre im Nahen Osten werden von vielen | |
Expert:innen als Kriege um Öl verstanden, und zukünftige | |
Ressourcenkriege werden vor allem um Wasser geführt werden, heißt es. Es | |
gibt aber auch Stimmen wie die der Politikwissenschaftlerin Neta Crawford, | |
die sagt: „Krieg verursacht den Klimawandel mehr als der Klimawandel den | |
Krieg“. | |
Warum gibt es trotz all dieser Gründe keine große Debatte über das Militär | |
als Klimakiller? | |
Ein offensichtlicher Grund erklärt das Vakuum zum Teil. Unter dem | |
Kyoto-Protokoll, dem internationalen Klimavertrag vor dem Pariser Abkommen, | |
waren die Staaten ausdrücklich nicht verpflichtet, die entsprechenden | |
Emissionen auszuweisen. Die Befürchtung, vor allem der Vereinigten Staaten: | |
Sonst könnten Rückschlüsse gezogen werden, etwa auf die Truppenstärke oder | |
die Fahrzeugflotten – ein potenzieller strategischer Nachteil. Das bedeutet | |
im Umkehrschluss: Die Datenlage zur Klimabilanz des Militärs ist dünn. Und | |
auch unter dem Paris-Abkommen ist es den Staaten freigestellt, diese | |
offenzulegen. | |
Das Argument des nationalen Sicherheitsrisikos hält Ellie Kinney vom | |
Conflict and Environment Observatory für scheinheilig: Viele Daten wie | |
Militärausgaben oder Großaufträge, aus denen hervorgeht, welche Ausrüstung | |
gekauft wird, würden zumindest in den USA bereits offengelegt. Außerdem | |
zeige Norwegen, dass es auch anders gehe: Die Skandinavier veröffentlichen | |
seit 2012 die Emissionsdaten ihres Militärs vollumfänglich und sehen dies | |
offenbar nicht als Sicherheitsrisiko, so Kinney. | |
## Die Unsichtbarmachung der Militär-Emissionen | |
Ein weniger offensichtlicher, aber vielleicht ebenso wichtiger Grund liege | |
in der westlichen Fetischisierung des Individuums, argumentiert der | |
Schriftsteller und Sachbuchautor Amitav Ghosh. Kampagnen der Ölindustrie, | |
wie die des CO₂-Fußabdrucks von British Petroleum, hätten es geschafft, die | |
Aufmerksamkeit lange Zeit auf den Lebensstil zu lenken. Jedes Stück Fleisch | |
und jede Autofahrt müsse überdacht werden, heißt es seitdem. Was im Kern | |
richtig ist, diente von Anfang an dazu, die Verantwortung auf den Einzelnen | |
abzuwälzen und die Klimakrise als ein Problem darzustellen, das durch ein | |
verändertes Konsumverhalten gelöst werden könne. Die Verantwortung von | |
Konzernen und Institutionen fiel dadurch lange unter den Tisch. | |
Möglicherweise gibt es auch deshalb kein kritisches Bewusstsein für die | |
Klimabilanz des Militärs, weil es sich nur schwer an etwas Konkretem wie | |
einer Person oder einer Plastikflasche festmachen lässt. Das Militär | |
besticht vor allem durch seinen Kollektivismus. Kaum eine andere | |
Institution wird so sehr als Gruppe wahrgenommen. Soldaten tragen Uniform, | |
auch wenn sie privat mit der Bahn fahren, weil sie so die Fahrkarte sparen. | |
In einer Kultur, die den Individualismus in der Klimakrise betont, ist die | |
gedankliche Brücke zu einer durch uniforme Individuen repräsentierten | |
Institution möglicherweise nur schwer zu überwinden. | |
26 Aug 2024 | |
## AUTOREN | |
Enno Schöningh | |
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