# taz.de -- Eskalation zwischen Libanon und Israel: Hisbollah auf Vergeltungsku… | |
> Die schiitische Miliz feuert mehr als 320 Raketen Richtung Israel. Die | |
> Angriffe setzen die US-Regierung weiter unter Druck, zu vermitteln. | |
Bild: Spuren der Raketen: Sachverständige begutachten den Schaden an einem Woh… | |
Athen und Jerusalem taz | Der seit Monaten schwelende Konflikt zwischen | |
Israel und der Miliz Hisbollah im Libanon ist am Sonntag deutlich | |
eskaliert. Am frühen Morgen wurde klar, wie der seit Wochen angekündigte | |
Großangriff [1][der Hisbollah] auf Israel aussieht: Mehr als 320 | |
Katjuscha-Raketen habe die Hisbollah nach eigenen Angaben auf Israel | |
abgefeuert. | |
Damit sei die „erste Phase“ ihres Vergeltungsplans nach eigenen Angaben | |
abgeschlossen. In dieser Periode sei es darum gegangen, „israelische | |
Kasernen und Stellungen anzugreifen, um den Durchflug von Angriffsdrohnen | |
zu Zielen tief in Israel zu erleichtern“. Hisbollah-Chef Nasrallah ließ bis | |
zum Sonntagabend offen, wie eine mögliche „zweite Phase“ aussehen werde. | |
Der Angriff sei eine „erste Reaktion“ auf die Tötung des hochrangigen | |
militärischen Kommandeurs Fuad Schukr vor knapp vier Wochen gewesen. | |
Laut der israelischen Armee hätte der lang erwartete Vergeltungsangriff | |
[2][sehr viel drastischer ausfallen] können. Denn in der Nacht hatte die | |
israelische Armee im Rahmen von Präventivschlägen mehr als 40 Stellungen | |
der Schiitenmiliz beschossen. Nach israelischen Angaben hatten rund | |
einhundert Kampfflugzeuge noch vor dem Beginn des Hisbollah-Angriffs einen | |
Großteil der mit Zeitschaltuhren versehenen Abschussvorrichtungen der Miliz | |
zerstört. | |
Das israelische Onlinemedium Times of Israel berichtete, der Angriff der | |
Hisbollah auf Israel habe der Glilot-Basis gegolten, in der mehrere | |
Geheimdienstabteilungen der Armee sowie das Hauptquartier des | |
Auslandsgeheimdienstes Mossad untergebracht sind. Tote gab es nicht. | |
Im Libanon führten die israelischen Luftschläge laut des dortigen | |
Gesundheitsministeriums am Sonntag zu zwei Verletzten, beide syrische | |
Staatsbürger, und mindestens drei Toten. Zwei Menschen seien bei einem | |
israelischen Angriff auf das Dorf Tiri und ein dritter bei einem | |
israelischen Drohnenangriff auf ein Auto im Dorf Khiam getötet worden. Die | |
mit der Hisbollah verbündete schiitische Amal-Bewegung meldete den Tod | |
eines ihrer Mitglieder durch israelischen Beschuss und gab an, er stamme | |
aus Khiam. Aus libanesischen Sicherheitskreisen und seitens der staatlichen | |
Nachrichtenagentur NNA hieß es außerdem, Israel habe unter anderem Strom- | |
und Wasseranlagen getroffen. | |
Insgesamt wurden seit dem 7. Oktober mehr als 600 Menschen durch | |
israelische Angriffe auf den Libanon getötet, zählte die französische | |
Nachrichtenagentur AFP. Unter ihnen seien hauptsächlich Hisbollah-Kämpfer | |
und mindestens 131 Zivilist*innen. Laut israelischem Militär wurden durch | |
die Angriffe der Hisbollah mindestens 23 Soldat*innen und 26 | |
Zivilist*innen getötet. Die Hisbollah und verbündete Gruppierungen | |
hatten ihre Angriffe auf Nordisrael als Antwort auf israelische Attacken | |
um rund 200 Prozent erhöht. Die Zahl der Angriffe auf den Libanon sei | |
dennoch „nach wie vor verhältnismäßig hoch“. Das schreiben | |
Wissenschaftler*innen des Beirut Urban Lab, einer Forschungsgruppe | |
der Amerikanischen Universität Beirut. | |
Sie überwachen die gegenseitigen Angriffe zwischen dem israelischen Militär | |
und den libanesischen Gruppierungen. Dafür nutzen sie Daten aus lokalen | |
Berichten, die wiederum von der unabhängigen Organisation [3][„Armed | |
Conflict Location and Event Data“ (Acled)] zusammengetragen werden. | |
Zwischen dem 7. Oktober und 15. August habe das israelische Militär demnach | |
insgesamt 7.745 Angriffe auf den Libanon verübt, die Hisbollah wiederum | |
1.724 auf Israel. Israelische Luftangriffe seien vor allem mit | |
Drohnenangriffen oder durch Beschuss von Kampfjets durchgeführt worden, die | |
Hisbollah nutzte Artillerie und Raketenangriffe. | |
Während die Anzahl der gegenseitigen Angriffe offensichtlich hoch ist, | |
schrieb Israels Außenminister Israel Katz beim Onlinedienst X: „Wir wollen | |
keinen umfassenden Krieg.“ Doch man werde alles tun, um Israels Bürger zu | |
schützen. Über den Tag beschoss die israelische Luftwaffe weitere Orte im | |
Libanon. | |
Die Eskalation vom Sonntag erhöht den Druck auf die US-Regierung, die einen | |
drohenden regionalen Krieg abzuwenden versucht. Washington geht dabei mit | |
einer Mischung aus militärischer Drohung und diplomatischem Druck vor. Die | |
USA sind in der Region einerseits mit zwei Flugzeugträgern präsent, | |
andererseits drängen sie darauf, durch Verhandlungen einen Waffenstillstand | |
in Gaza und die Freilassung der noch immer 109 israelischen Geiseln zu | |
erreichen. Die Chefs von Israels Aus- und Inlandsgeheimdienst, David Barnea | |
und Ronen Bar, reisten am Sonntag nach Kairo. Am Samstag war dort bereits | |
eine Hamas-Delegation eingetroffen. | |
Im Fokus steht etwa die Frage, ob die israelische Armee eine Präsenz | |
entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten aufrechterhalten | |
darf, was sowohl Ägypten als auch die Hamas ablehnen. Weder die | |
Hamas-Führung noch der israelische Regierungschef zeigen sich bisher | |
kompromissbereit. Einen Durchbruch halten Beobachter für unwahrscheinlich. | |
25 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
Julia Neumann | |
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