# taz.de -- Gespräche mit AfD-Wählenden: Konstruktiv mit Rechten reden | |
> Diskussionen sind wichtig für eine lebhafte Demokratie – aber es gibt | |
> Grenzen. Unsere Autorin gibt Tipps für Gespräche mit der | |
> AfD-Wählerschaft. | |
Bild: Jede Demokratie benötigt eine lebendige Diskussionskultur: Protest gegen… | |
Sachsen ist mittlerweile bundesweit für seine rechte Wählerschaft bekannt. | |
Doch längst nicht alle Menschen in Sachsen sind rechts. Wie lassen sich | |
Zusammenleben und Diskussionskultur aufrechterhalten? | |
Der sächsische AfD-Landesverband wurde im Dezember 2023 vom | |
Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Im Mai | |
bestätigte das Verwaltungsgericht Dresden die Einstufung. In dem Gutachten, | |
das dem Urteil zugrunde liegt, wird beschrieben, dass die AfD Sachsen nicht | |
nur antidemokratische Bestrebungen verfolgt, sondern sie richtet sich auch | |
in ihrem Handeln gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen. | |
Einen Monat nach dem Urteil fanden in Sachsen die Kommunalwahlen statt. Die | |
AfD erlangte 26,9 Prozent der Stimmen, mehr als alle anderen Parteien, und | |
den größten Zuwachs im Vergleich zu den vorherigen Kommunalwahlen. | |
Wie können Nicht-AfD-Wähler:innen möglichst konstruktiv mit den knapp 30 | |
Prozent ihrer Mitmenschen kommunizieren, die menschenverachtendes und | |
demokratiefeindliches Gedankengut mindestens unterstützen? Eine | |
respektvolle Diskussionskultur ist in einer lebendigen Demokratie | |
unabdingbar: Menschen aller politischer Ausrichtungen sollten die | |
Möglichkeit haben, sich sicher miteinander auszutauschen. | |
In jeder Diskussion ist es wichtig, rassistischen Aussagen deutlich und | |
direkt zu widersprechen. Fehlende Intervention in realen Debatten gibt | |
Rassismus eine gesellschaftliche Legitimität, das unterstreicht etwa die | |
Studie „Rassistische Realitäten“ des Nationalen Diskriminierungs- und | |
Rassismusmonitors. | |
## Tipps für konstruktive Gespräche | |
Seit 2015 fördert die Bundesregierung das Programm „Demokratie leben!“, das | |
verschiedene Tipps gibt, wie konstruktive Gespräche geführt werden können. | |
Zum Beispiel: Man solle offen, sachlich und respektvoll bleiben, genau | |
zuhören, man müsse nicht immer auf einen Nenner kommen und Humor solle | |
richtig dosiert werden. Diese Regeln können allerdings schon mal schwierig | |
einzuhalten sein, wenn die Person gegenüber emotional und wenig | |
faktenbasiert diskutiert. | |
Die Sozialpsychologin Pia Lamberty gibt im Magazin fluter zu bedenken: „Je | |
ideologischer mein Gegenüber ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ich | |
ihn oder sie mit Sachargumenten erreichen kann.“ Für ein Gespräch ohne | |
große Konflikte hilft es, im Voraus abzuschätzen, inwiefern eine | |
respektvolle Auseinandersetzung überhaupt erwartet werden darf. Eine:n | |
AfD-Wähler:in mit einem geschlossenen Weltbild könne man nicht dazu | |
bewegen, anders zu wählen. | |
Und wie sehr AfD-Wähler:innen rechtsextreme Einstellungen teilen, hat zum | |
Beispiel die Bertelsmann Stiftung 2021 in einer Studie erhoben. Das | |
Ergebnis: 71 Prozent der Befragten waren populistisch oder teils | |
populistisch eingestellt, 56 Prozent latent oder manifest rechtsextrem – | |
wobei Überschneidungen zwischen populistischen und rechtsextremen Ansichten | |
möglich waren. 13 Prozent waren weder populistisch noch rechtsextrem. | |
Gerade unter Freunden oder nahen Verwandten kann es jedoch sehr | |
herausfordernd sein, schon im Vorhinein abzuwägen, ob ein Gespräch | |
überhaupt begonnen werden sollte. Sollten politische Themen in Gesprächen | |
einfach nicht angesprochen werden? Oder sollte der Kontakt zur | |
AfD-wählenden Person eingeschränkt werden? | |
Immerhin macht Pia Lamberty an dieser Stelle Hoffnung: Die Chance, den | |
Menschen gegenüber mit Worten zu erreichen, sei höher, wenn ein | |
Vertrauensverhältnis zu der Person besteht. Ist diese nicht mehr offen für | |
sachliche Argumente, könne es helfen, das Gespräch auf eine persönliche | |
Ebene zu verlagern, eigene Sorgen und Ängste vor der AfD-Politik | |
anzusprechen. | |
## Selbstschutz ist wichtig | |
Wenn der oder die Gesprächspartner:in aggressiv wird, sollte die | |
Diskussion aus Sicherheitsgründen sofort abgebrochen werden. | |
Gewaltbereitschaft unter Rechtsextremen ist eine große Gefahr – beim | |
Neonazi-Aufmarsch gegen den CSD in Bautzen im August war zu sehen, wie | |
Hunderte Rechtsextreme die friedlich Feiernden störten. Gewaltbereitschaft | |
ist kein Fundament konstruktiver Diskussionen. | |
Die vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ erstellte Broschüre „Nazis | |
hassen diese Tricks“ gibt Tipps für mehr Engagement gegen | |
Rechtsextremismus. Strafrechtlich relevantes Verhalten soll demnach | |
grundsätzlich angezeigt werden, um rechte Straftäter:innen Konsequenzen | |
für ihre Handlungen spüren zu lassen. Bei gewalttätigen rechten Menschen | |
oder Strukturen könne dies jedoch auch Gefahren bergen und solle von Fall | |
zu Fall abgewogen werden. | |
Gerade für Menschen, die in einer Region mit sehr hohem AfD-Anteil leben, | |
können auch Argumentationstrainings wie beispielsweise das des Bündnisses | |
Aufstehen gegen Rassismus hilfreich sein, um die Parolen der Rechtsextremen | |
so gut wie möglich zu entschärfen und einen etwas angenehmeren Alltag zu | |
haben. | |
Julemarie Vollhardt, 25, wuchs in Kamenz auf und ging nach ihrem | |
Jurastudium nach Australien. Dort setzt sie sich für den Klimaschutz ein | |
und schreibt mal aus dem Van, mal von einer Farm aus frei über | |
intersektionalen Feminismus und den Rechtsruck, den sie auch in ihrer | |
Heimat beobachtet. | |
FOTO: Timo Krügener, 25 Jahre alt, aufgewachsen in Niedersachsen und seit 4 | |
Jahren als Student, Fotograf und mittlerweile freier Fotojournalist in | |
Leipzig. Begleitet seit einigen Jahren vor allem die | |
Klimagerechtigkeitsbewegung, aber auch Engagement für Demokratie in anderen | |
Bereichen. | |
4 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Jule Vollhardt | |
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