# taz.de -- Die Verkehrswende ist machbar: Hamburg hat kein schlechtes Wetter | |
> Regen und Wind dürften Hamburger selten vom Radeln abhalten, eher schon | |
> die Temperaturen, sagt eine Studie. Mit etwas Flexibilität bleibt man | |
> trocken. | |
Bild: Kommt weniger häufig vor als man denkt: Radfahrer im Regen in Hamburg | |
Hamburg taz | Für Radfahrer gilt: Hamburgs Wetter ist besser als sein Ruf. | |
Wie Forscher der Uni Hamburg herausfanden, haben Radler in der Hansestadt | |
überraschend wenig mit Gegenwind zu kämpfen und sie werden auch selten | |
nass. Rund ums Jahr sei das Wetter in dieser Hinsicht „zu 90 Prozent | |
radfahrtauglich“, ergab eine [1][Studie des Centrums für Erdsystemforschung | |
und Nachhaltigkeit (CEN)]. Eher schon sind es die Temperaturen, die | |
Menschen vom Radfahren abhalten können. Hier gibt es nur für zwei Drittel | |
aller Fahrten grünes Licht. | |
Aus den Erkenntnissen der Forscher ergibt sich ein praktischer Ratschlag: | |
„Flexible Arbeitszeiten können bei Regen helfen, die passende Zeit zu | |
erwischen, um trocken mit dem Fahrrad ins Büro zu gelangen“, sagt der | |
Meteorologe und Co-Autor der Studie Felix Ament. Den Messdaten nach gebe es | |
genügend Regenpausen und die Niederschlagszellen seien klein genug. „Mit | |
nur einer Stunde Flexibilität kann man jeden zweiten Regenschauer | |
vermeiden“, sagt Ament. Das heißt, man muss bereit sein, bis zu einer | |
halben Stunde vor oder nach der üblichen Zeit loszufahren. | |
Das Team des CEN hat 10.000 [2][Fahrten mit dem Rad] von A nach B in | |
Hamburg simuliert, dabei die konkreten Wetterbedingungen ermittelt und nach | |
dem System der Ampel klassifiziert: Grün für gute Radfahrbedingungen, gelb | |
für ungeeignetes Wetter und rot für unangenehmes oder gefährliches Wetter. | |
„Wenn es zum Beispiel am Ende einer Route viel regnet, springt die Ampel | |
auf rot“, sagt die Meteorologin Amelie Schmitt vom Forschungsteam. | |
## Niederschlag spielt kaum eine Rolle | |
Das ist allerdings selten der Fall. Nur in zwei Prozent aller Fahrten | |
regnete es viel zu viel, in weiteren vier Prozent zu viel und für fast 94 | |
Prozent aller Fahrten spielte Niederschlag keine Rolle. | |
Beim Wind ergab sich ein ähnliches Bild: Bei 0,2 Prozent der Fahrten zeigt | |
die Ampel rot, bei fünf Prozent gelb, und bei fast 95 Prozent grün. | |
Anders sieht es bei der Temperatur aus. Hier sprang die Ampel bei sechs | |
Prozent der Fahrten auf rot – es war also entweder zu warm oder zu kalt – | |
bei 27 Prozent auf gelb und nur bei 67 Prozent auf grün. Der Anteil | |
derjenigen, die es unangenehm finden Rad zu fahren (gelb und rot) erreicht | |
im Winter bis zu 70, im Sommer bis zu 20 Prozent. | |
Für die Ampelfarben hat das Team Niederschläge, Wind und Temperatur | |
klassifiziert. Bei Niederschlägen gingen die Forscher davon aus, dass es | |
aufs Gleiche hinausläuft, ob es lange nieselt oder kurz stark regnet. Mehr | |
als 0,1 Millimeter Niederschlag pro Fahrt – also mehr als leichten | |
Nieselregen – klassifizierten sie als gelb, mehr als 0,5 Millimeter – also | |
leichten Regen für höchstens zehn Minuten – als rot. | |
## Wind nervt Radler schon sehr | |
Den Wind kategorisierten sie danach ob man mindestens doppelt soviel (gelb) | |
oder dreimal soviel Kraft aufbringen muss wie bei Windstille. Daraus | |
ergeben sich bei Gegenwind Windgeschwindigkeiten von zehn für gelb und 17 | |
für rot, bei Seitenwind 13 Stundenkilometer für gelb und 22 für rot. | |
Vorausgesetzt wird dabei eine Fahrtgeschwindigkeit von 15 | |
Stundenkilometern. | |
Schwieriger war es, die Schwellenwerte für die Temperatur festzulegen. | |
Temperaturen werden von Wetterstationen gemessen und sie fließen auch in | |
Wettermodelle ein. „Was für das [3][Radfahrerlebnis] jedoch eine größere | |
Rolle spielt, ist nicht die Temperatur, sondern das Wärmeempfinden des | |
Radfahrers“, schreiben die Studienautoren. Sie verwendeten deshalb ein | |
weitere Dimensionen umfassendes Messmodell und versuchten daraus reine | |
Temperaturdaten abzuleiten. | |
Demnach fahren die meisten Leute bei weniger als 5,5 Grad ungern Rad und | |
bei weniger als -3,1 Grad sogar sehr ungern. Zu warm finden es die | |
Standardradler in Hamburg bei mehr als 22,1 Grad, viel zu warm bei mehr als | |
24,4 Grad. | |
## Verschiedene Messeinrichtungen | |
Eine Komplikation und zugleich auch ein Glück für das CEN-Team war es, dass | |
es bei ihrer Untersuchung auf verschiedene Messeinrichtungen zugreifen | |
konnte. Seit dem Jahr 1995 arbeitet der Hamburger Wettermast, eine | |
meteorologische Station der Hamburger Uni, die lange Datenreihen liefern | |
kann. Während des Projektsommers 2020 konnten die Forscher zudem auf 100 | |
temporäre Messtationen in der Stadt zugreifen sowie auf Regenradar mit | |
einer Auflösung von 100 Metern. | |
Das ermöglichte es den Forschern, das kleinräumige Wetter auf den | |
simulierten Radtouren zu erfassen. Wann und wo die simulierten Touren | |
verliefen, legte das Team anhand von Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten | |
fest sowie einer zeitlich aufgeschlüsselten [4][Radverkehrszählung]. Dabei | |
zeigte sich auch, dass eine eintägige Wettervorhersage bei der Temperatur | |
ziemlich brauchbar ist und dafür eine Wetterstation ausreicht. Für Wind- | |
und Niederschlagsvorhersagen sei ein dichtes Messnetz nötig. Bis das zur | |
Verfügung steht, [5][legt die Studie] den Blick aus dem Fenster nahe. | |
5 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/met.2164 | |
[2] /Autoverkehr-in-Hamburg/!6019959 | |
[3] /Radverkehr-in-Hamburg/!5834297 | |
[4] /Verkehrswende-in-Hamburg/!5909555 | |
[5] https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/met.2164 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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