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# taz.de -- Wiederaufbau der Garnisonkirche: Turmbau zu Potsdam
> Nach jahrzehntelangem Streit eröffnet Bundespräsident Steinmeier den Turm
> der Garnisonkirche. Er soll für Versöhnung und Frieden stehen.
Bild: The place to be: Einweihung des wiedererrichteten Turms der Garnisonkirch…
Potsdam taz | Es ist kein einfacher Termin, den Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier in Potsdam vor sich hat. Zur Eröffnung der
wiederaufgebauten Garnisonkirche sprechen, eines Gebäudes also, das weithin
[1][als Symbol für die schlimmste Zeit der deutschen Geschichte] gilt.
Steinmeier aber hat die Schirmherrschaft für den umstrittenen Bau
übernommen, und so ist er an diesem Donnerstag die paar Kilometer aus
Berlin gekommen, um im Kirchturm die Festrede zu halten.
Von einem „guten Anfang auf altem Grund“ spricht Steinmeier in der Kapelle
und von einer barocken Fassade, die „mit viel Geschichte beladen“ sei.
„Gerade hier werden wir schnell auf schmerzhafte, unheilvolle Teile unserer
Vergangenheit stoßen.“
Tatsächlich muss man die positiven Stellen in der Geschichte der Kirche mit
der Lupe suchen. Von Anfang an Ausdruck der engen Verbindung von
aggressivem Nationalismus, Militarismus und der evangelischen Kirche in
Preußen, wurde der Bau 1933 zur Bühne für den symbolischen Handschlag von
Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler. Im
Krieg schwer beschädigt, ließ die DDR die Ruine schließlich sprengen. Die
Initiative für den Wiederaufbau kam ab den 80er Jahren zunächst aus rechten
Kreisen. Nun, über 30 Jahre später, also die Eröffnung des Turms.
Dass es bis heute viele in Potsdam gibt, die den Wiederaufbau ablehnen,
merkt man auch am Donnerstag. Einige hundert Demonstrant*innen haben
sich vor dem Kirchturm versammelt. In den ersten Minuten von Steinmeiers
Rede dringen ihre Sprechchöre sogar durch die dicken Mauern in die Kapelle.
Steinmeier hält ihnen entgegen: „Ein Ort, der nicht mehr da ist, würde das
kritische Erinnern nicht leichter machen.“ Gleichzeitig sagt er auch: „Die
Debatte um die Garnisonkirche ist Ausweis eines kritischen
Geschichtsbewusstseins.“ Zeitweise wirkt es so, als wäre er den
Protestierenden fast dankbar.
Auch die anderen Redner*innen, wie Bischof Christian Stäblein und
[2][Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert] (SPD), geben sich sichtlich
Mühe, Position gegen Militarismus, Nationalismus und
Geschichtsrevisionismus zu beziehen. Stäblein will den Turm als „Ort der
Wachsamkeit“ gegen rechte Ideen begriffen wissen. An der Decke hängen
Origami-Tauben, und eine Gruppe Schüler*innen trägt eine Performance vor
mit dem Titel „Frieden ist…“.
Dieser Botschaft gegenüber steht ein Teil der Menschen auf der Gästeliste.
In der Kapelle sitzt neben Polit- und Kirchenprominenz auch der umstrittene
Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen, direkter Nachfahre von Kaiser
Willhelm II. Bis März 2023 versuchte er, die durchaus bedeutende Rolle
seiner Familie, der Hohenzollern, beim Aufstieg der Nazis zu beschönigen,
[3][um enteignete Besitztümer zurückzubekommen.]
Im Kirchturm ist zwischen Kapelle und Aussichtsplattform auch [4][eine
Ausstellung untergebracht]. Nach allen Regeln der Kunst moderner
Museumspädagogik wird auf der dritten Etage der historische Kontext der
Garnisonkirche dargestellt. Ein touristischer Hotspot war die Kirche im 19.
Jahrhundert, erfährt man. Besucher:innen strömten in die Kirche, vor
allem, um die sterblichen Überreste des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm
I., der den Bau der Kirche einst in Auftrag gab, und dessen Sohns,
Friedrich II. („der Große“), in Augenschein zu nehmen, die in der Gruft
begraben lagen. „Für deutsche Nationalpatrioten ist der Besuch vor diesem
Hintergrund nahezu obligatorisch“, heißt es in der Ausstellung, schon weit
vor der NS-Zeit.
So wird ersichtlich, wie sich preußischer Militarismus und Christentum
miteinander verbanden. Immer wieder nimmt die Ausstellung auf die deutsche
Kirchengeschichte Bezug, erklärt detailliert die Rivalität zwischen der
„Bekennenden Kirche“ und den „Deutschen Christen“, die sich positiv auf…
Nationalsozialismus bezogen, und spart auch die Umweltbewegung in der DDR
nicht aus – zwei Aspekte, die freilich nur bedingt mit der Garnisonkirche
in Zusammenhang stehen.
Es dauert eine Weile, bis die NS-Zeit und der folgenschwere „Tag von
Potsdam“ 1933 behandelt werden. Ein alter RBB-Beitrag verdeutlicht die
Bedeutung des Handschlags zwischen Hitler und von Hindenburg, zitiert
Letzteren, der sich wünscht, der Geist der alten preußischen Ruhmesstätte
möge auch „das heutige Geschlecht beleben“. Im Überblickstext eingangs der
Ausstellung fehlt der Hinweis auf die zwölf NS-Jahre zwischen Preußenreich
und der Sprengung der Kirche durch die DDR-Regierung 1968.
Die ist im letzten Ausstellungsraum ausführlich Thema, bevor es an den
Wiederaufbau geht. Dass der durchaus umstritten ist, lässt sich an den
Infotafeln an der Wand nachlesen. Ein Zitat des Historikers Martin Sabrow,
wonach Befürworter:innen und Gegner:innen des Wiederaufbaus mehr
vereint als trennt – beide würden sich „aus Furcht vor der Zukunft an das,
was gewesen ist“, klammern – unterstreicht den Anspruch von Kurator Jürgen
Reiche, sich nicht von einer Seite vereinnahmen zu lassen.
Dem Zitat Sabrows ist eins von Oberstleutnant a. D. Max Klaar zur Seite
gestellt, der den Wiederaufbau einst angestoßen hatte. Dass es sich bei
Klaar um einen Rechtsradikalen handelt, ist auf den ersten Blick allerdings
nicht ersichtlich.
Wer sich für Feinheiten interessiert, kann in einem Ordner mit
Zeitungsartikel blättern. Die skandalträchtige Aufstellung des
Glockenspiels findet immerhin noch Platz auf der Wand, bevor die letzte
Tafel der Ausstellung die Wichtigkeit der Bundeswehr in Zeiten aktueller
Bedrohungslagen würdigt.
Dass die heutigen Militärs nach wie vor an der Garnisonkirche interessiert
sind, zeigt sich am Donnerstag deutlich. Zwischen dem Dunkelblau der vielen
Anzüge sticht im Publikum immer wieder das Feldgrau der
Bundeswehr-Paradeuniformen durch.
Als Anzugträger, Militärs und schließlich auch Steinmeier aus dem Turm
treten, schreien ein paar Gegendemonstrant*innen der Initiative „Für
ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ ihm und seiner Entourage „Heuchler“
entgegen und: „Schämt euch“. Der taz sagt eine von ihnen: „Ich verstehe
nicht, woran man hier positiv erinnern will“, die Kirche sei immer nur dazu
da gewesen, „Soldaten auf den Krieg vorzubereiten“. Und ein Mann mit
schwarzem Pulli neben ihr meint mit Blick auf den Turm: „Meine Hoffnung
ist, dass es ein Insolvenzprojekt wird.“
22 Aug 2024
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## AUTOREN
Frederik Eikmanns
Julia Hubernagel
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Für Kritiker steht sie für Militarismus und Nationalismus.
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